Düsseldorf. . Philipp Maiburg, Macher des Open Source-Festivals, spricht über alte Helden, Amateurfußball und über nervige Fragen nach der Sicherheit.
Platz ist für 7000 Besucher. Wie viele es dann zum Open Source-Festival am Samstag, 8. Juli, wirklich werden, wird sich zeigen. Immerhin sind 70 Prozent der Karten bereits verkauft. „Und mit dem Verkauf geht es jetzt erst richtig los“, sagt Philipp Maiburg gut eine Woche vorher. Er ist künstlerischer Leiter des Festivals und zeigt sich vorsichtig optimistisch, dass das Open Source dieses Jahr erstmals ausverkauft sein könnte. Das seit 2009 auf der Galopprennbahn in Grafenberg beheimatete Festival hat den Status des Geheimtipps schließlich längst hinter sich gelassen.
Das Wechseln zwischen den drei Bühnen, veganen und fleischlastigen Essensständen, überdachter Tribüne und grüner Wiese gehört dazu, wie der Blick in den Tagen zuvor auf die Wetter-App. Bands wie Trentemøller, The Temper Trap, Antilopen Gang, Mount Kimbie, Austra und auch Die Sterne sind in diesem Jahr unter anderem am Start.
Herr Maiburg, was ist die nervigste Frage, die Sie in diesen Tagen gestellt bekommen?
Maiburg: Die Frage, ob wir schon irgendwelche Auflagen zum Thema Sicherheit haben.
Was ist an der Frage denn so schlimm?
Maiburg: Wir machen seit Jahren schon das, was man mit gesundem Menschenverstand leisten kann, um Sicherheit zu gewährleisten. Ich bin der Meinung, dass unser Format nicht mehr oder weniger gefährdet ist, als beispielsweise ein Wochenmarkt.
Und Sie halten das Festival ja auch bewusst klein. Dass große Namen wie Max Herre kommen, das war ja eher ein, sagen wir, Unfall?
Maiburg: (grinst) Na ja, das Jahr, als Max Herre da war, lief von vorne bis hinten nicht gut, weil uns auch Sturm „Ela“ im Vorfeld einen großen Strich durch die Rechnung gemacht hat. Am Ende waren wir fast pleite. Aber was die Idee des Festivals betrifft: Von Anfang an wollten wir ein Format für Popkultur etablieren, was den Sound Düsseldorfs reflektiert. Aus Düsseldorf kam immer besondere Musik, egal, ob man jetzt Neu! nimmt, oder Kraftwerk oder den Ratinger Hof als Institution mit den Hosen oder in den Neunzigern Mouse on Mars, Kreidler und To Rococo Rot. Diese Musik ist nicht nachahmbar wie etwa TV-Contest-Pop. Wir wollten diese Musik festhalten, gleichzeitig aber nicht nach hinten gucken. Wenn wir wie dieses Jahr „Die Sterne“ einladen, dann hat diese Band in der Jetztzeit ihre Relevanz. Wir wollen vor lauter Liebe zum Sound of Düsseldorf aber auch nicht unter uns bleiben. Dieses Jahr spielen beim Open Source Bands aus Kenia, Kanada, Australien eine Rolle, aber eben auch aus Düsseldorf – nur inzestuös wollten wir eben nie werden.
Das Open Source ist längst kein Geheimtipp mehr. Wird das Festival irgendwann größer werden?
Maiburg: Wir sind ja schon vom Standort her begrenzt, auf die Galopprennbahn passen 7000 Leute. Ich habe nicht vor, das Festival viel größer werden zu lassen, als es jetzt ist, und möchten auch perspektivisch nicht in die Arena umziehen. Die einzige Wachstumsidee wäre es, zweitägig zu werden. Aber ein „größer, schneller, weiter“ wird es nicht geben. Da muss ich Stefan Reichmann vom Haldern Pop zitieren, der mal sagte: Die Zukunft ist klein. Ich finde tatsächlich, die Größe eines Formats muss sich nicht in der Zuschauerzahl messen. Den Mega-Festival-Markt zu bedienen, war von Anfang an nicht unser Plan.
Sie sind großer Musikfan. Was wiegt mehr vor dem eigenen Festival: Vorfreude auf die Bands oder der Vorbereitungsstress?
Maiburg: Es ist eine Mischung aus beidem. Je näher der Tag kommt, desto größer wird die Euphorie, andererseits gibt es ja auch immer wieder Dinge, die nicht klappen und die Vorbereitungen erschweren. Aber unterm Strich ist der Prozess interessant: Man startet früh mit den Anfragen und Orga-Dingen, da sind vielleicht noch drei oder vier Leute mit dem Festival beschäftigt, und am Ende sind es fast 300 Menschen, die sich darum kümmern, das alles passt.
Sie sind Kulturschaffender in einer Stadt, die sich gerne als Kulturstadt bezeichnet – aber auch als Sportstadt oder Event-Stadt. Hat Düsseldorf ein Identitätsproblem?
Maiburg: Eine Stadt ist kein Rasierschaum, den man nach Schema F vermarkten kann. Eine Stadt setzt sich aus ganz vielen identitätsstiftenden Bausteinen zusammen, da sind irgendwelche Alleinstellungsmerkmale, die die Marketingleute gerne suchen, nicht leicht zu orten. Die Menschen, die hier leben, wie auch die Gäste die kommen, suchen vielmehr nach Vielfalt und Tiefe in vielen Richtungen. Das Angebot der Sportstadt zum Beispiel halte ich eher für selbstverständlich als für einzigartig. London etwa hat fünf Premier League-Vereine im Fußball, trotzdem denke ich bei London nicht zuerst an Sport. Das Thema Kulturstadt ist sehr komplex. Hier muss erkannt werden, welche Qualitäten es gibt, in welche Richtungen die Kulturstadt konsequent weiterentwickelt werden kann. Konstanz ist hier sicherlich zielführender als ein Tischfeuerwerk.
Ist ein Festival wie das New Fall eigentlich Konkurrenz?
Maiburg: Als wir 2006 im Löricker Freibad angefangen haben, gab es kein Popkulturformat in Düsseldorf. Es gab viele bürgernahe Sachen, es gab das Brauchtum, Chinafest, Frankreichfest, Europatag, die Jazz-Rally. Dann hat sich ziemlich viel entwickelt: das New Fall, das Asphalt-Festival, Acoustic Summer, Approximation-Klavierfestival von Hauschka, und es ist super, dass das so ist. Keines dieser Formate sehe ich als Konkurrenz, im Gegenteil: Durch die Qualität dieser Programme liegt die Latte in Düsseldorf höher. Es bringt die Kulturschaffenden in der Stadt dazu, noch bessere Inhalte abzuliefern.
Mal was ganz anderes: Sie spielen ja auch Fußball. Mit Ihrer Mannschaft „Dritte 3.“ liegen Sie in der „Hobbyliga-West“ abgeschlagen auf dem letzten Platz. Wieso tun Sie sich sowas an?
Maiburg: Die Leistungsträger lassen uns oft im Stich. Und wenn man maximal zu elft antritt und im Schnitt älter als 45 ist, dann wird es eben problematisch.
Und Sie als Macher-Typ: Können Sie da nichts bewegen, dass es mit der Truppe wieder aufwärts geht?
Maiburg: Ich bin ja beim Fußball zum Glück kein Macher, sondern auf dem Platz eher ein Kaputtmacher.
Dann ist der Fußball für Sie ein Ventil, eine Beschäftigung, um Aggressionen abzubauen? Nach dem Motto: Besser auf dem Platz einen weggrätschen, als den Kulturdezernenten der Stadt zu beschimpfen...
Maiburg: Nein, so würde ich es nicht sehen. Mit Fußballspielen kann man schon viel Ausgleichen oder manche sagen auch „der Woche Sinn geben“. Das Gefühl nach einem Fußballspiel ist ziemlich gut, ganz ernsthaft. Erstens schmeckt ein Bier nie so gut, wie nach dem Abpfiff mit dem Team. Sogar dann, wenn man von zehn Spielen bisher zehn verloren hat. Und: Bewegung ist ja nie verkehrt, und Sport im Team ist mein Ding.
Im Fußballgeschäft sind die Spielerberater die Wurzel vielen Übels. Haben Sie beim Open Source Probleme bei Verhandlungen mit Bands?
Maiburg: Jedes Jahr. Es gibt im Sommer, sag ich mal, 500 Bands, um die sich 1000 Festivals in Europa ein paar Wochen kloppen. Das ist ein Termingeschäft, wie bei einer Börse. In ein paar Jahren wird es sicher Online-Portals geben, auf denen man seine Angebote für Bands abgeben kann. Wir versuchen zwar, auf die ganz großen Namen zu verzichten. Aber um ein bisschen internationalen Glanz zu bekommen, muss man schon gucken. Und selbst bei Bands, die mit dem Format gewachsen sind über die Jahre, ist es nicht mehr selbstverständlich, dass man direkt verhandelt wie früher, sondern erst mit dem Managern sprechen muss. Und das ist nicht immer einfach.
Das ist doch schade, oder?
Maiburg: Ich kann es ein bisschen verstehen. Wir haben jetzt eine Generation von Musikern, die genau wissen, dass man im richtigen Moment den Deckel drauf machen muss, das wird in der Branche perfektioniert. Eine Band kann es sich nicht mehr leisten, wenn sie gerade auf einer Erfolgswelle schwimmt, die nächsten drei Jahre im Rausch zu verbringen.
Wie kommt eigentlich das Line-up des Festivals zustande? Habt Ihr – um noch einmal den Vergleich zum Fußball heran zu ziehen – Scouts, die sich Bands in ganz Europa live anschauen?
Maiburg: Scouts nicht direkt. Aber es gibt schon seit den Anfängen des Open Source ein Netzwerk von Freunden, die Musik lieben. Je mehr gute Leute ein gutes Urteil abliefern können, desto besser. Und davon haben wir eine ganze Menge.
Am Schluss noch ein paar Wenn-Dann-Fragen?
Maiburg: (lacht) Ogottogott.
Wenn am 8. Juli schlechtes Wetter ist, dann ...
...gibt es Regencapes. Umsonst.
Wenn ich mit Menschen über 50 spreche, dann ...
...…rate ich ihnen, ihre Kinder zu bitten ihn mitzunehmen – zum Open Source Festival.
Wenn ich einen Wunsch frei hätte und Geld keine Rolle spielen würde, dann würde der Hauptact ...
...etwas sein, was woanders nicht passiert. Etwa Nick Cave zusammen mit Warpaint und dem WDR-Kinderchor mit einer Lichtinstallation von Ólafur Elíasson. Also speziell bleiben.
Wenn ich das Open Source Festival mit einem Lied beschreiben müsste dann wäre das ...
...“Düsseldorf“ von La Düsseldorf.
Zur Person: Das ist Philipp Maiburg
Philipp Maiburg ist 45 Jahre alt, verheiratet und hat zwei Kinder. „Aber keinen Hund.“
Der gebürtige Rheydter kam 1996 wegen seines Architekturstudiums nach Düsseldorf, das er wegen der Musik abgebrochen hat.
Maiburg legte Platten im Unique auf der Bolker Straße auf. Er gründete die Band Phoneheads und das Label Combination Records.
Das letzte Mal hat Maiburg 2011 mit seiner Band live gespielt.
2006 fand das erste Open Source Festival statt, damals noch im Freibad Lörick mit 2000 Besuchern.
Hauptberuflich arbeitet er als Marketing-Manager bei Carhartt.