Düsseldorf. . Ein Stadtplan zur Kolonialgeschichte soll Bewusstsein in der Düsseldorfer Bevölkerung schaffen. Ob das gelingt?

Carl Peters machte sich bereits zu Lebzeiten keinen guten Namen. Ende des 19. Jahrhundert wirkte er als Gouverneur in „Deutsch-Ostafrika“ und säte Angst und Terror unter der Bevölkerung des heutigen Tansania. Denn wer dem ausgewiesen Chauvinisten und Nationalisten in die Quere kam, wurde schlicht und einfach erhängt. Selbst seine eigene Geliebte ließ er am Galgen sterben. Als „Hängepeters“ ging er in die Geschichte ein. Die Nationalsozialisten benannten zu ehren Peters eine Straße in der Wohnsiedlung Unterbacher Acker nach ihm. Bis heute erinnert ein Straßenschild an den Tyrannen.

Nur wenig Bewusstsein für die Geschichte bei den Düsseldorfern

Caroline Authaler, Dozentin für Geschichte an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, nahm sich mit einem Forschungsteam solcher Erinnerungslücken an und entwickelte einen globalgeschichtlichen Stadtplan für Düsseldorf. 18 Markierungen verbinden Erinnerungsstätten, Heimatvereine oder Straßennamen mit der lokalen Geschichte ehemaliger deutscher Kolonien in Afrika und Asien von den frühen Anfängen im 19. Jahrhundert bis 1945. „Wir haben festgestellt, dass die Bevölkerung in Düsseldorf nur ganz wenig Bewusstsein für solche Themen hat“, erklärte die Wissenschaftlerin: „Mit diesem Stadtplan versuchen wir unsere Forschung über die Uni-Mauern hinaus zu verbreiten.“

Denn die Landeshauptstadt ist tief mit kolonialer Geschichte verwurzelt. Um die Jahrhundertwende besuchten Bürger Freilichtspiele, bei denen Menschen aus entfernten Ländern auftraten, sahen sogenannte „Völkerschauen“ und genossen das Gefühl, die Welt nach Düsseldorf zu holen. Namen wie der des Kolonialreisenden Eugen Zintgraff kennen in der Landeshauptstadt nur wenige Experten, während sie in anderen Teilen der Welt zu großer Bekanntheit gelangten. „Ob jung oder alt, in Kamerun kann jeder mit dem Namen Zintgraff etwas anfangen. Dort wurden Romane und mittlerweile sogar ein Spielfilm zu seiner Geschichte veröffentlicht“, berichtete Authaler, die mit einer Gruppe Studenten eine Reihe von Interviews im afrikanischen Staat führte.

„In Düsseldorf scheint es eine art Amnesie zu geben“

Bereits im Juli 2015 startete der „Lehrstuhl für europäische Expansion“ in Düsseldorf ein Projekt, um dem augenscheinlichen Gedächtnisschwund der ansässigen Bevölkerung auf den Grund zu gehen. Dafür holte man sich Hilfe aus den kamerunischen Universitäten Dschang und Buea. „Während es hier eine Art Amnesie zu geben scheint, gibt es in Kamerun viel detailreiches Wissen, dass wir nutzen wollen“, so Authaler.

Den Forscher ist es wichtig zu zeigen, dass die Kolonialgeschichte ihrer Stadt weit vielschichtiger ist, als das typische Klischee vom überlegenen Europäer, der afrikanische Länder ausbeutet. „Sogenannte ‘Pioniere’ wie Zintgraff waren nie alleine in den Kolonien. Ohne Leute vor Ort ging gar nichts“, umriss Authaler das komplexe Deutsch-Afrikanische Verhältnis: „Der damalige König Balis zum Beispiel nutzte seine Beziehung zu den Reisenden, um sein eigenes Einflussgebiet zu vergrößern. Da stand immer die Frage im Raum, wer gerade wen ausnutzt. Solche Abhängigkeitsverhältnisse wurden in deutschen Reiseberichten ausgelassen.“

Die Mehrheit der Anwohner stimmten gegen eine Umbennung ihrer Straße

Mittlerweile regt sich einiges im historischen Bewusstsein der Stadt. Die „Initiative neue Namen“ engagierte sich für die Umbenennung der Petersstraße. Die Mehrheit der Anwohner sprach sich allerdings für den Erhalt des Namens aus – die Initiative scheiterte.

Für Caroline Authaler kein Wunder, da bei deutscher Kolonialgeschichte außerhalb von Hafenstädten wie Bremen oder Hamburg immer noch abgewunken wird: „Die Städte agieren vorsichtig, weil solche Streitpunkte noch kein wirkliches Politikum sind. Für Leute aus der Verwaltung sind das oft nicht mehr als Relikte aus der Vergangenheit.“