Düsseldorf. . Nach 116 Jahren hatte die Buchhandlung auf der Friedrichstraße am Donnerstag zum letzten Mal geöffnet. Auch viele Kunden macht der Abschied betroffen.
Auf dem Boden vor dem Eingang liegt ein Strauß weißer Rosen. Man kennt solche Anblicke vom Straßenrand. Wenn es einen Unfall gegeben hat. Wenn jemand gestorben ist. In diesem Fall ist der Tod schleichend eingetreten, das Datum seit Monaten bekannt: 31. März 2016. Der letzte Tag des Stern-Verlags.
Nach 116 Jahren musste gestern eine der größten Buchhandlungen Europas schließen. Um 20 Uhr gingen die Türen zu. Für immer. Die Gründe für das Aus sind vielfältig. Übermächtige Online-Konkurrenz, Druck durch andere Buchhändler vor Ort, zu große Fläche. Ein Buchhaus mit mehr als 5000 Quadratmetern Verkaufsfläche sei heute wirtschaftlich nicht mehr zu betreiben, sagte Stern-Verlag-Inhaber Klaus Janssen bereits bei Bekanntgabe der Schließung im Dezember. Das verwinkelte Gebäude sei in der Betriebsorganisation zu teuer, ein Umbau würde zu lange dauern.
Einige Mitarbeiter fühlen Erleichterung
Am Todestag mit Ansage regt sich nur wenig Leben im Stern-Verlag. Die meisten Bücherregale stehen leer, gleich hinterm Eingang werden Orientteppiche zum Verkauf angeboten. Außerdem Radierungen, „Niederrhein sign., je € 19,-“. Von der Decke hängen die Rabatt-Schilder: „70% auf Alles“, darunter: „Wir danken für Ihre Treue durch Jahrzehnte und die überwältigende Anteilnahme“. Die ist auch den zwei Mitarbeiterinnen zuteil geworden, die jetzt im Obergeschoss sitzen und statt Büchern „Möbel und Geschäftsaustattung“ anbieten. Ein Podest für 40 Euro, ein Regal für 600, an zwei hellbraunen Schalenstühlen klebt ein Zettel: „Reserviert für Herrn Müller“. Davor in Kisten: „beleuchtete Tannengirlanden, 1x ca. 6m 40,-, 1x ca. 8m 45,-“. Die handgeschriebenen Preise stehen auf Notizzetteln mit Stern-Verlag-Emblem. Der Aufdruck erzählt von besseren Zeiten: „Immer ein Erlebnis: 400 000 Bücher & Medien“.
Nach Außen wirken die zwei Buchhändlerinnen gefasst. Ihre Namen möchten sie lieber nicht in der Zeitung lesen, lassen aber wissen, dass der letzte Tag eine Erleichterung für sie ist. Endlich sei es vorbei. Dass so viele Kunden in letzter Zeit gefragt hätten, wie es danach für sie weitergehe, sei zwar lieb gemeint gewesen, „aber irgendwann nervt es nur noch“. Schließlich wisse man das doch selbst nicht. Bücher zu verkaufen, „das war mein Traumberuf“.
Auch viele Kunden werden sentimental
Auch viele Kunden macht das Aus des Stern-Verlags betroffen. „Ich bin heute noch mal durchgeschlendert, einfach damit man’s nicht vergisst“, sagt Birgit Brömm. Die gebürtige Düsseldorferin kennt das Buchhaus seit 48 Jahren, ist schon als Kind mit ihrer Oma regelmäßig hergekommen. „Da war der Laden noch viel kleiner“, erinnert sich Brömm. „Dass der Stern-Verlag schließt, ist schlimm. Als ich das gehört habe, habe ich erst mal geweint.“
47 Buchhandlungen gab es 2014 nach Angaben der Regionalgeschäftsstelle NRW des Börsenvereins des deutschen Buchhandels noch in Düsseldorf. Drei weniger als 2004. „Der Online-Handel macht natürlich zu schaffen“, sagt Börsenverein-Mitarbeiterin Anna Broermann, die meisten Buchhändler hätten aber inzwischen selbst Online-Shops aufgebaut. Außerdem könnten viele damit punkten, dass sie sich als Kulturstätte mit Lesungen & Co. etablieren.
Umbau soll Friedrichstraße helfen
Was der Stern-Verlag-Abschied für die Friedrichstraße bedeutet, ist jetzt noch nicht abzusehen. „Natürlich ist es nicht schön“, sagt der 2. Vorsitzende der Interessengemeinschaft Friedrichstraße, Jörg Menzel: „Es ist schon ein Anziehungspunkt für die Straße gewesen. Man kann nur hoffen, dass dort wieder etwas reinkommt, dass die Leute anzieht.“ Gerüchte von Interessenten machten bereits die Runde, spruchreif sei aber noch nichts. So oder so gibt sich Menzel optimistisch: „Nach dem Umbau werden wir wieder eine schöne Einkaufsstraße haben.“
Der Stern-Verlag wird davon nichts mehr mitbekommen. Die Mitarbeiter sollten laut Inhaber Janssen mit einem Sozialplan entschädigt werden. Am Donnerstag half ihnen vielleicht auch ein bisschen das, was unter dem Rosenstrauß auf einem roten Stoffband geschrieben stand: „Danke an alle und viel Glück und Segen für den neuen Lebensabschnitt.“