Düsseldorfs neuer Flughafen-Chef Ludger Dohm äußert sich im interview warum die beantragte Kapazitätserweiterung so wichtig für den Airport ist.
Frage: Herr Dohm, Sie haben 26 Jahre für den Mineralölkonzern BP gearbeitet. Wie kann man ohne Branchenkenntnisse einen Flughafen leiten?
Ludger Dohm: In einem Mineralölkonzern steuert man hochkomplexe Prozesse, auch Raffinerien, Tanklager und Tankstellennetze müssen 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr funktionieren. Die Herausforderungen, die es bei der Steuerung eines so komplizierten Infrastrukturunternehmens wie dem Flughafen gibt, weisen erstaunlich viele Parallelen zu denen auf, die es bei einem Mineralölkonzern gibt.
Warum werden die neuen Langstrecken-Billigflieger der Lufthansa-Tochter Eurowings in Köln und nicht in Düsseldorf stationiert?
Wir hatten unser Interesse damals bekundet. Aber nicht zu jedem Preis. Unsere Entgeltordnung gibt in Düsseldorf die Konditionen vor. Aber wir waren nicht bereit, uns für die Stationierung der Eurowings-Flugzeuge auf einen Subventionswettbewerb einzulassen. Köln hat eine ganz andere Tarifstruktur.
Also hat Köln die Stationierung subventioniert?
Ludger Dohm
Ludger Dohm ist seit 1. März neuer Chef des Düsseldorfer Flughafens angetreten. Er bildet gemeinsam mit Thomas Schnalke die Geschäftsführung des Unternehmens. Als dessen Sprecher und Arbeitsdirektor ist der 56-Jährige verantwortlich für die Bereiche Flugbetrieb, Marketing, Personal, Unternehmenskommunikation, Nachbarschaftsdialog sowie für Immobilien-, Bau- und Umweltmanagement. Dohm ist Nachfolger des gestorbenen Christoph Blume.
Ludger Dohm war von 2010 bis Ende 2014 Mitglied des Vorstands des Mineralölkonzerns BP und verantwortete die Entwicklung und Umsetzung aller strategischen Veränderungsprogramme. Zuvor war er seit 2006 bis zur Gründung der BP Europa SE Finanzchef der Deutschen BP AG.
Das weiß ich nicht. Und das ist auch unerheblich. Wir respektieren die Entscheidung. Der Flughafen Köln ist zu 100 Prozent in öffentlicher Hand und außerdem defizitär. Offensichtlich gab es den Wunsch, der Lufthansa ein besonders günstiges Angebot zu machen. Es ist eine Entscheidung der öffentlichen Hand, wie mit öffentlichen Mitteln umgegangen wird. Zunächst geht es ja auch nur um drei Flugzeuge. Die Lufthansa ist zusammen mit Air Berlin unser wichtigster Partner. Ich bin zuversichtlich, dass Eurowings eines Tages günstige Langstrecken-Flüge auch ab Düsseldorf anbieten wird, die unser bestehendes Langstreckenprogramm sinnvoll ergänzt.
In Ihren Planungen gehen Sie von Wachstum aus, obwohl alle wichtigen Fluggesellschaften in Europa inzwischen massiv unter Druck stehen. Wie passt das zusammen?
Mehr als 50 Prozent unserer Gewinne machen wir nicht mit dem Fluggeschäft, sondern mit dem so genannten Non-Aviation-Bereich, also etwa mit Parken, Restaurants und Shops im und am Flughafen. Außerdem ändert der Kostendruck der europäischen Fluggesellschaften nichts daran, dass die Luftfahrt insgesamt wächst, auch in Europa, wo staatlich subventionierte Anbieter aus den Golfstaaten massiv in den Markt drängen. Deswegen steigen auch in Düsseldorf die Passagierzahlen. Die Menschen möchten heute mobil sein.
Nach Angaben des Flughafenverbandes ist die Zahl der Flugbewegungen in Düsseldorf aber seit 2011 rückläufig.
Das ist auf einen Trend in der Luftfahrt zurückzuführen. Punkt-zu-Punkt-Verkehre zu vielen Zielen haben sich als zu teuer erwiesen. Deshalb konzentriert sich das Geschäft jetzt mehr auf die Drehkreuze und große Destinationen. Der Rückzug aus der Fläche hat dazu geführt, dass zwar weniger Flüge stattfanden, dafür aber größeres Fluggerät eingesetzt wird. Unter dem Strich werden mehr Passagiere befördert. Das zeigt unser fünfter Passagierrekord in Folge.
Wenn weniger Flugzeuge fliegen, warum wollen Sie sich dann in Düsseldorf unter massivem Protest der Anwohner auf noch mehr Starts und Landungen genehmigen lassen?
Weil der Trend sich jetzt umkehrt. Es werden europaweit wieder mehr Destinationen angeflogen, die Fluggesellschaften gehen ganz vorsichtig wieder in die Fläche. Wir werden 2015 wieder mehr Flugbewegungen in Düsseldorf haben als im Vorjahr. Außerdem gehen unsere Prognosen bei unserem Antrag für eine neue Betriebsgenehmigung ja über das Jahr 2030 hinaus.
Wieviel Prozent der rechtlich möglichen Startgenehmigungen werden in Düsseldorf derzeit genutzt?
Etwa 80 Prozent.
...auch das spricht nicht gerade für den Bedarf nach zusätzlichen Startgenehmigungen...
Doch. Eine Slot-Auslastung von etwa 80 Prozent ist ein international vollkommen üblicher Wert. Wir haben die freien Slots häufig nicht zu den Zeiten, zu denen wir sie brauchen. Wir brauchen vor allem mehr Bewegungsmöglichkeiten am frühen Morgen, in den Mittagsstunden und am Abend. Wir sind abhängig von Fliegern, die etwa morgens aus Chicago oder New York in Düsseldorf ankommen. Dann gehen auch die meisten Weiterflüge ab DUS los.
Können Sie ein Beispiel für einen Flug nennen, der ohne die erweiterte Betriebsgenehmigung in Düsseldorf nicht stattfinden kann?
Die Cathay Pacific, die ab September Düsseldorf mit Hongkong verbindet, hat lange auf die für sie passenden Slots gewartet. Solche Beispiele gibt es mehrfach.
Woher wissen Sie dann, dass Sie eine Kapazitätserweiterung brauchen?
Wir wissen, dass Düsseldorf zu den fünf Flughäfen mit der größten Übernachfrage nach Slots in Europa gehört. Viele Fluggesellschaften planen gar nicht erst mit uns, weil sie wissen, dass hier schon alles voll ist - und fragen gar nicht erst an. So kann Düsseldorf und NRW schnell von der Landkarte der internationalen Airlines verschwinden.
Wieviel Zusatzgewinn versprechen Sie sich von der beantragten Kapazitätserweiterung?
Zusätzliche Verkehre sind natürlich mit zusätzlichen Erlösen verbunden, denen aber auch Investitionen in die Infrastruktur sowie operative Kosten gegenüberstehen. Im ersten voraussichtlichen vollen Betriebsjahr 2018/19, in dem die Betriebsgenehmigung ihre volle Wirkung entfalten würde, reden wir über Zahlen im einstelligen Millionenbereich.
Wo sehen Sie selbst Wachstumspotzenziale?
Bei den Interkontinentalverbindungen, die mit jetzt 120 Flügen pro Woche zu 26 Zielen ohnehin unser Plus in NRW sind. Ich kann mir aber gut 35 bis 40 Ziele vorstellen. Shanghai in China steht oben auf der Liste, wir haben auch weiße Flecken in Südostasien. In Indien und auch in Lateinamerika gibt es interessante Wachstumsregionen. Daran arbeiten wir.
Im Jahr 2014 fanden in Düsseldorf 10 000 Flugbewegungen nach 22 Uhr statt und 1200 nach 23 Uhr. Kann man da überhaupt von einem Nachtflugverbot sprechen?
Es gibt ja kein absolutes Nachtflugverbot in Düsseldorf, sondern nur ein Regel-Nachtflugverbot. Nach 22 Uhr darf in der Regel kein Flugzeug mehr starten. Die Ausnahmen sind streng geregelt. Nur knapp 100 Flüge benötigten im vergangenen Jahr eine Ausnahmegenehmigung.
Wenn bei einem Flugzeug vor 22 Uhr die Bremsklötze vor dem Fahrwerk entfernt werden und die Maschine sich in Richtung Start bewegt, darf sie auch nach 22 Uhr starten?
Ja. Diese so genannte „off-block-Regelung“ ist erlaubt. Im Übrigen ist es nicht böser Wille der Airlines, wenn sie fallweise um fünf oder zehn Minuten nach 22 Uhr starten. Vielfach liegen die Gründe hier im Wetter oder in Streiks begründet. . Die Anwohner sind auch Bürger, und die Mehrheit der 18 Millionen Bürger in NRW möchte fliegen.
Vielleicht nicht unbedingt in Düsseldorf. In Weeze und Köln gibt es ja genug freie Kapazitäten...
Das sollte der Markt entscheiden. Ich halte nichts davon, den Bürgern vorzuschreiben, wo sie zu fliegen haben. Außerdem lassen sich Verkehre nicht lenken.
Ihr Kollege Thomas Schnalke leitete den Flughafen nach dem Tod von Christoph Blume sehr lange allein. Ist es ein Problem, dass er auch gerne Ihren Posten gehabt hätte?
Ich spüre das nicht als Problem. Wir arbeiten sehr gut und kollegial zusammen.
Unter Ihren Vorgängern war Schnalke kaum in der Öffentlichkeit zu sehen. Wird sich das ändern?
Ja, das wird es. Ich sehe unsere Geschäftsführung hier als Team. Unsere Zusammenarbeit ist ausgesprochen gut. Ich habe großen Respekt vor der Leistung, die er in den vergangenen Monaten gebracht hat.
Noch immer gibt es große Probleme mit der Gepäckanlage. Wie wollen Sie das lösen?
Wir haben in den vergangenen Monaten die neue Gepäckanlage gebaut, und das während des laufenden Betriebs. Das ist wie eine OP am offenen Herzen. Für die Verzögerungen am Gepäckband kann ich mich nur entschuldigen. Doch im Mai geht die neue Anlage vollständig in Betrieb. Im Juni machen wir nochmal einen Testlauf unter Volllast. Dann sind wir für den Ansturm der Sommerferien gerüstet.
Es gibt auch Ärger mit der Gepäckabfertigung durch Avia-Partner...
Wir gehen davon aus, dass bis Herbst die Lizenz für einen dritten Abfertiger am Düsseldorfer Flughafen erteilt ist. Neben Avia-Partner und unserer eigenen Tochterfirma, die nur noch zehn Prozent Marktanteil hat, wäre dann eine weitere Firma hier tätig. Das ist gut für Airlines und Passagiere.