Düsseldorf. . Oliver Ongaro von der Flüchtlingshilfe Stay! spricht im großen NRZ-Interview über „Dügida“, „Pegida“ und Co.

Seit Wochen demonstriert „Dügida“ am Hauptbahnhof. Und diese Woche kommt „Pegida NRW“ dazu. Oliver Ongaro, Mitorganisator von ,,Düsseldorf stellt sich quer’’ und Vorstandsvorsitzender der Stay!-Flüchtlingshilfe, spricht mit der NRZ über die für den Mittwochabend organisierte Anti-Pegida-Kundgebung.

Das Wort Flaschenwerfer hat man vermehrt im Zusammenhang mit den Anti-Dügida-Demonstrationen vernommen. Wie schätzen Sie die Gewaltbreitschaft in der linken Szene ein?

Ongaro: Am ersten Montag, als eine Anti-Pegida Demonstration organisiert wurde, kam es zweimal zu Situationen, in denen Flaschen auf Polizisten geworfen wurden. Jedoch muss man sagen, dass sich das Demonstrationsspektrum mit Leuten gemischt hat, die sowieso schon vor dem Bahnhof sind, etwa Leute, die angetrunken sind. Außerdem wurde desöfteren versucht, ein Absperrgitter der Polizei zu überwinden. Ich halte dies wiederum für legitim, da es als eine Form des kreativen Widerstandes angesehen werden sollte und es nicht als Angriff auf die Polizei selbst gemeint war.

Was erwarten Sie, wenn Mittwoch „Anti-Pegida“ und ,,Pegida’’ auf engem Raum aufeinanderprallen?

Ich befürworte, dass sich endlich eine größere Kooperation aus dem ,,Düsseldorfer Appell‘‘ und vielen Einzelpersonen mit uns zusammen gefunden hat. Wir hoffen, dass es viele Teilnehmer geben wird, um zu verhindern, dass es hier in Düsseldorf weiterhin regelmäßig zu Nazi- und Rassisten-Aufmärschen kommt. Es kann nicht sein, dass wir das kommentarlos passieren lassen.

Dügida, Pegida - Langsam reicht es!

Da verbietet die Polizei der islamfeindlichen „Dügida“, mit ihrem provokanten Demonstrationszug an einer Moschee vorbeizuziehen. Und was passierte? In letzter Minute entschied Montagabend das Verwaltungsgericht, dass es „Dügida“ doch tun darf.

Da beschließt Oberbürgermeister Thomas Geisel anlässlich einer „Dügida“-Demo, aus Protest im Düsseldorfer Rathaus das Licht auszuknipsen. Und was passierte? Das Verwaltungsgericht hatte ihm das verboten, erst das Oberverwaltungsgericht erlaubte das abendliche Lichtausknipsen in nächster Instanz.

Da wird der „Dügida“ von der Polizei ein kürzerer Demonstrationsweg vorgegeben als beantragt. Und was passierte? Das Verwaltungsgericht kassierte diese Anweisung wieder ein.

Da wird der „Dügida“ für ihre Demonstration das Gebiet hinter dem Hauptbahnhof zugewiesen. Und was passierte? Auch hier zog das Verwaltungsgericht die Anweisung zurück und genehmigte den Rechten ihre Demos vor dem Hauptbahnhof in der Innenstadt.

Langsam reicht es! Demonstrations- und Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut. Es kann aber nicht sein, dass ein paar rechte Wirrköpfe Montag für Montag (und jetzt auch noch mittwochs) die Düsseldorfer Innenstadt lahm legen, die Rheinbahn für Stunden stoppen, verantwortlich sind für lange Staus, Umsätze von Einzelhändlern praktisch auf Null sinken lassen und Polizeieinsätze erforderlich machen, deren Kosten inzwischen in den sechsstelligen Bereich gehen dürften.

Hier ist die Verhältnismäßigkeit nicht mehr gewahrt. Das müssten auch die Richter am Verwaltungsgericht Düsseldorf erkennen, vor dem es bereits vergangene Woche eine Demo wegen der kaum nachvollziehbaren Entscheidungen gab.

Warum muss ausgerechnet Düsseldorf diese Nazi-Aufmärsche ertragen?

Düsseldorf ist einfach ein politisch strategischer Standpunkt in NRW als Landeshauptstadt. Organisierte Neonazis und Pro NRW kommen aber eher von außen. Es gibt in dem politischen Spektrum von ,,Pegida’’ hier in Düsseldorf keinen direkten sozialen Ableger, der in dieser Hinsicht schon vorher so Politik gemacht hat. Pro NRW hat die ,,Dügida’’- und auch teilweise die ,,Pegida’’-Bewegung stark unterwandert. Wir sprechen bei den ,,Dügida’’-Protesten nicht mehr von Demonstrationen, sondern viel mehr von Neonazi-Provokationen. Die Demonstration vor einer Moschee hat nichts mehr mit einer Versammlung zu tun, sondern es geht um Einschüchterung.

Welche Menschen möchten Sie am Mittwoch für die Gegendemonstration gewinnen und motivieren?

Vor allem diejenigen, die noch nicht so protesterfahren sind. Ganz nach dem Motto: Einmal gehen wir jetzt noch zusammen auf die Straße. Es darf keinen Raum mehr für Neonazi-Aufmärsche in Düsseldorf geben!

Haben Sie eigentlich im Moment in Ihrem Umfeld viel Kontakt zu Ausländern? Und wenn ja, wie äußern diese sich zu ,,Pegida’’?

Sehr viele Menschen kommen mit Ängsten auf mich zu. Gerade am Hauptbahnhof haben viele Flüchtlinge die Sorge, sich nicht mehr gefahrenfrei bewegen zu können. Aus der türkischen Community, die seit 20 bis 30 Jahren in Deutschland lebt, kommt vor allem Empörung. Und es kommt zu Kritik an der Polizei. Wo man sich fragen muss, wie man diese Demonstrationen zulassen kann. Gerade auf Straßen, wo es viele türkische Geschäfte gibt wie auf der Graf-Adolf-Straße und jetzt sogar vor einer Moschee. Wir wollen diesen Spuk endlich beenden!

Was ist ihre persönliche Motivation, „Dügida“ und ,,Pegida’’ hier in Düsseldorf so entschlossen die Stirn zu bieten?

Wenn sich die Neonazi-Struktur hier in Düsseldorf verfestigen würde, wäre meine Arbeit bei Stay mit als erstes gefährdet. Unsere intensive Arbeit mit Flüchtlingen würde enorm eingeschränkt werden. Die Mitarbeiter und auch die Menschen, die zu uns kommen und Hilfe suchen, wären einfach nicht mehr sicher.

Was ist Ihre größte Sorge in der Debatte um ,,Dügida’’, ,,Pegida’’ und um den Einfluss dieser Bewegung auf die Mitte der Gesellschaft?

„Pegida’’ hat dazu beigetragen, dass ein Rassismus der Mitte ermöglicht wurde. Irrationale Ängste – geschürt von dem Krieg in Syrien und dem Terror des IS – verzerren das Bild der Realität, und es kommen Ängste auf, dass Flüchtlinge diese Themen vielleicht mitbringen könnten. Doch dies ist fachlich betrachtet einfach nicht richtig. Es kommt zu einer wahllosen Vermengung von eigenen Wahrnehmungen und Fakten. Die Bewegung von ,,Pegida’’ bundesweit ist meiner Ansicht nach jedoch gescheitert. Und in Düsseldorf sind sie erst recht nicht auf Dauer anschlussfähig. Fortuna Düsseldorf hat letztes Jahr mehr als 400 Freikarten für Flüchtlinge herausgegeben. Bei dem Spiel mit 70 000 Fans sind sie nicht aufgefallen, sondern haben sich bunt unters Publikum gemischt Vielleicht sollte man dieses Bild einfach mal auf unsere Stadt mit knapp 600 000 Einwohnern und mit 2250 Flüchtlingen übertragen.