Dortmund. Eine Serie von Messerattacken hat die Menschen in der Nordstadt in Angst versetzt. Der Tatverdächtige war erst im November verurteilt worden.

Ist die Serie von Messerattacken in der Dortmunder Nordstadt nun vorbei? Davon sind Polizei und Staatsanwaltschaft überzeugt. Die Ermittler haben einen 23-jährigen Dortmunder festgenommen, der für gleich mehrere blutige Taten verantwortlich gewesen sein könnte.

Der Mann wird unter anderem verdächtigt, zwei Obdachlose niedergestochen zu haben - am 29. November einen 43-Jährigen im Dietrich-Keuning-Park und am 30. November einen 41-Jährigen auf dem Mehmet-Kubasik-Platz. Von dem einen Opfer hatte er Bargeld und Handy gefordert, von dem anderen dessen Geld. Als die ablehnten, stach der Täter zu. Die beiden Opfer wurden bei den Übergriffen zunächst lebensgefährlich verletzt worden. Dass ein Zusammenhang zwischen den beiden zeitlich und räumlich eng beieinander liegenden Taten bestehen könnte, hatten die Ermittler schnell vermutet.

Die brutale Masche hatte offenbar Methode. Gefasst wurde der 23-Jährige nach Angaben von Polizei und Staatsanwaltschaft am frühen Donnerstagmorgen gegen 0.45 Uhr an der Ecke Goethe- und Uhlandstraße. Wieder soll er versucht haben, einen Mann auf der Straße „abzuziehen“. Das Opfer sei dann allerdings davon gelaufen und habe Bekannte in der Nähe alarmiert, sagt Oberstaatsanwaltschaft Carsten Dombert. Die hätten den Mann aufgrund der Personenbeschreibung der Polizei nach den Angriffen auf die Obdachlosen erkannt, verfolgt und dabei die Beamten alarmiert. Der Tatverdächtige konnte kurz darauf festgenommen werden.

Opfer bemerkt in Shisah-Bar: „Schläge“ sind Stiche

Auf das Konto des Mannes soll eine weitere noch nicht abschließend geklärte Tat gehen, die bislang nicht öffentlich bekannt geworden ist. Am 5. Dezember soll der Verdächtige versucht haben, einen 18-Jährigen erneut an der Goethestraße zu überfallen. Er habe wieder Geld verlangt. Weil das Opfer Kopfhörer getragen habe, habe er die Forderung zunächst nicht verstanden, so Dombert. Dann habe der 18-Jährige zwei vermeintliche „Schläge“ an der Brust verspürt. Dass es sich tatsächlich um Stiche gehandelt habe, habe das Opfer erst später in einer nahen Shisha-Bar bemerkt.

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der 23-Jährige bei den Taten aus Habgier und/oder Heimtücke gehandelt hat. Daher laufen die Ermittlungen auch wegen des Verdachts des versuchten Mordes. Der Mann sitzt seit Donnerstag in Untersuchungshaft. Konkrete Angaben zu den Tatvorwürfen habe er nicht gemacht, sagt Dombert. Er habe nicht der Obdachlosen-Szene angehört, sondern früher einen festen Wohnsitz gehabt.

Neun Tage nach Urteil folgt die nächste Tat

Was den Fall auch brisant macht: Der 23-Jährige ist erst am 16. November am Landgericht verurteilt worden, wegen der Attacke auf einen Mann auf der Seilerstraße in Dortmund am 22. März dieses Jahres. Zwei Tage danach war er festgenommen worden. Bis zum Ende des Prozesses, eines sogenannten Sicherungsverfahrens, in dem keine Haft sondern die Psychiatrie droht, habe er dann in einer Klinik gesessen. In der Verhandlung habe ein Gutachter aber gesagt, dass von dem Mann keine Gefahr mehr ausgehe, wenn er regelmäßig die Medikamente gegen seine Psychose nehme, erklärt Dombert. Die würden in der Regel über spezielle Depot-Spritzen verabreicht, die für mehrere Tage vorhielten.

Die Kammer am Landgericht setzt die Vollstreckung des sogenannten Vollstreckungshaftbefehls daraufhin zur Bewährung aus. Der Mann kommt auf freien Fuß. Vier Tage sei der 23-Jährige noch freiwillig in der Psychiatrie geblieben, sagt Dombert. Neun Tage später folgt die erste Tat im Keuning-Park. Wenn der Mann es war, kann das Gutachten nicht mehr ganz so schlüssig sein.