Voerde. . Ute Sprock, Géraldine Lakermann und Sabine Sander haben vor einem Jahr die Stockumer Wollwerkstatt eröffnet. Sie geben Kurse, färben und weben.

Leise und kaum hörbar surrt das Spinnrad. Scheinbar von selbst gleitet die Wolle durch die Hand von Géraldine Lakermann, während die Füße langsam das Rad antreiben. Der fertige Faden sieht perfekt und gleichmäßig aus. Na, das ist doch wohl kinderleicht. Doch beim Selbstversuch zeigt sich das Gegenteil: Viel zu schnell dreht sich das Rad, viel zu langsam kommen die Finger nach - und der Faden droht zu reißen. „Sie müssen die Wolle ganz sanft halten. So, als hätten Sie ein Vögelchen in der Hand“, erklärt Ute Sprock. Die 47-Jährige Voerderin hat wie ihre Mitstreiterinnen Géraldine Lakermann und Sabine Sander viel Gefühl für die Verarbeitung von Wolle. Vor einem Jahr haben die Frauen in einer ehemaligen Schreinerei die Stockumer Wollwerkstatt eröffnet. Die läuft inzwischen wie am Schnürchen: Für die Spinnkurse und -treffen können sie sich vor Anfragen kaum retten.

Schafe, Lämmer und Alpakas

Die Liebe zur Wolle und ihrer Verarbeitung begleitete die drei Frauen schon viele Jahre, bevor sie sich durch ihr Hobby kennenlernten. Die ersten Spinntreffen fanden in den Wohnzimmern statt, doch das wurde auf Dauer zu eng. Als Sabine Sanders Ehemann seine Schreinerei verlegte, richteten sie sich dort ein. In der Werkstatt laufen die Fäden der kreativen Frauen zusammen. Vor einem Kaminofen stehen die Spinnräder. Überall lagert Wolle: farbige Kammzüge, ungefärbte Wollvliese, fertige Knäuel. Auch auf dem großen Webstuhl wird das flauschige Material verarbeitet.

Neben Spinnkursen für Einsteiger bieten die Frauen auch für „ausgebildete“ Handwerkerinnen gemütliche Spinnabende. Die Handarbeit, erklärt Ute Sprock, hat eine beruhigende Wirkung. „Man könnte sagen, das ist Meditation“. Mit ihrem Angebot haben sie offenbar den Nerv der Zeit getroffen. „Die Menschen haben das Bedürfnis, wieder etwas mit den Händen zu tun“. Die Arbeit mit der Wolle hilft beim Stressabbau, wissen die Frauen aus Voerde und Wesel, die in Heimen für psychisch kranke Menschen arbeiten und Familien haben.

Jede der drei hat ihre Spezialität: Ute Sprock, die wenige Meter von der Wollwerkstatt entfernt mit ihrer Familie eine Nebenerwerbs-Landwirtschaft betreibt, sorgt für den wolligen Nachschub: 33 Mutterschafe, einige Lämmer und neun Alpakas produzieren den Rohstoff. Die Fasern werden zum Teil selbst gewaschen, gezupft und an der Kardiermaschine zu Wollvliesen verarbeitet. Besonders weiche Unterwolle liefert die „Spaelsau“, die trotz ihres Namens ein richtiges Schaf ist - hierzulande eine echte Rarität. Auch die gehörnten Jacobs- sowie die Gotlandschafe gehören zu den Faserlieferanten.

Géraldine Lakermann (38) hat sich aufs Färben mit Säurefarben spezialisiert. Sie mischt Wolle mit dem Haar verschiedener Schafrassen und verfeinert sie mit Fasern wie Milchseide, Sojaseide oder Baumwolle. Sabine Sander (47) ist die Fachfrau für das Färben mit Naturfarben. Im Internet ist sie auf die Technik gestoßen. Stoffe wie Stockrosenblüten, Dahlienblüten, Brennnessel oder der Farbstoff der Cochenille-Läuse für ein leuchtendes Rosa kommen zum Einsatz. Die Wolle verkaufen die Frauen auch im Internet. Gewinnorientiert, betonen sie, arbeiten sie aber nicht. Es reiche, wenn die Werkstatt-Miete gesichert ist. Im Vordergrund steht der Spaß.

Beim Spinnen wird eigene und zugekaufte Wolle genutzt. Etwa drei Stunden dauert es, bis Anfänger den ersten brauchbaren Faden produzieren können. Unter den 30- bis 60-jährigen Teilnehmerinnen beim Treffen ist ein „Quotenmann“: Ute Sprocks Mann Ludger. 14 bis 15 Personen lassen sich von dem Takt der Spinnräder in den Bann ziehen. Wer den Faden einmal aufgenommen hat, kommt gerne wieder.