Dinslaken. Seit einer Woche bleibt bereits seine Küche kalt für Menüs, Büffets und sonstige Spezialitäten. Nur einen „strammen Max“ auf Wunsch und natürlich die obligatorischen Frikadellen zum Bier bietet Hennes Holtbrügge in seiner Kneipe noch an. Letztmalig am Donnerstagabend.

Dann ist endgültig Schluss und Hennes steht zum letzten Mal hinter seinem Tresen. Mit der Schließung der altehrwürdigen Gaststätte „Haus Holtbrügge“ am Altmarkt verliert Dinslaken zum Jahreswechsel ein großes Stück Kneipenkultur. Wie berichtet, eröffnet dort Ende Januar das Ristorante „Al Trullo“ neu.

Es war eine schöne Zeit, die Arbeit und der fast tägliche Umgang mit den Menschen haben mir viel Spaß gemacht“, blickt der 61-Jährige zurück und zerdrückt eine Träne. „Gerade wurde die Saalbestuhlung abgeholt. Einige Tische kann ich nicht mehr verkaufen. Die stehen schon hier, seit ich lebe."

Seit August, als er sich mit seiner Familie nach langen Gesprächen für die Schließung und Verpachtung entschieden hatte, nimmt Hennes bereits Abschied von den vielen Vereinen, Verbänden und Organisationen sowie von seinen sonstigen Stammgästen, denen das „Haus Holtbrügge“ fast wie ein Zuhause war. Jede letzte Versammlung, jeder letzte Stammtisch bei ihm war mit bewegenden Abschieds- und Dankesworten sowie einem Geschenk verbunden. Noch am Tag vor Heiligabend, besser gesagt, in der Nacht musste Hennes bis 5.15 Uhr durchhalten, bis auch der letzte Gast sich verabschiedete. Am Donnerstag ab 18 Uhr („meine letzte Schicht“) dürfte es nicht anders sein.

Seit 1974 steht Hennes Holtbrügge hinter seinem Tresen, „als fest Angestellter“, wie er betont. Natürlich half er auch schon als Jugendlicher in dem Familienbetrieb aus. Dass er nicht nur gut zapfen und servieren, sondern auch vorzüglich kochen kann, haben seine Gäste immer geschätzt. Ob zu Taufen, Kommunion oder Konfirmation, Trauungen, runden Geburtstagen oder auch Beerdigungen: Unzählige Gesellschaften kamen stets gern ins „Haus Holtbrügge".

Einige Pärchen haben sich hier gefunden“, erinnert sich der Wirt, der übrigens erst seit 1996 König-Pilsener im Ausschank hat. Vorher gab es nur Kronen-Pils. Natürlich gab es auch Diebels-Alt, Export und (für Insider) Hövels Bitter vom Fass, zu besonderen Anlässen auch Gastbiere wie Weihnachtsbräu und Mai-Bock. In Flaschen wurden Weizenbier in allen Variationen und Alkoholfreies angeboten.

Als Freund von guter Oldie-Musik lief bei Hennes abends fast immer Beat-Musik der 60-er und 70-er Jahre - natürlich vom Band, doch es gab berühmte Ausnahmen. Seit Mitte der 80er Jahre traten die „Holtbridges“ regelmäßig bei ihm auf (die Bandmitglieder hatten schon früher bei Hennes ihr Stammlokal). Immer zum „Tanz in den Mai“, ab und zu auch bei Geburtstagen und zu anderen besonderen Anlässen. Berühmt ist ihre Hommage „Zapf an, Hennes“ (Hang on Sloopy). Natürlich gehörten auch „One 4 The Road“ und „Pont Neuf“ mit ihrer Musik zu den Stammgästen, die immer wieder für Begeisterung sorgten.

Gern erinnert Hennes Holtbrügge an die feucht-fröhlichen Begegnungen mit der englischen Partner-Gastwirtschaft „Engineers Arms“ aus Henloe (Grafschaft Bedfordshire), 35 Meilen nordöstlich von London. Seit Jahren findet über Ostern ein gegenseitiger Austauschbesuch statt.

Natürlich gab es auch unliebsame Erinnerungen. „Ich habe schon Leute vor die Tür setzen müssen, nach Pöbeleien oder Schlägereien. Wenn einer die Zeche nicht zahlen wollte, habe ich die Polizei gerufen“, erzählt der Gastwirt.

Morgen ist Ruhetag, wie immer mittwochs. Donnerstag geht es noch einmal rund, danach hat Hennes Holtbrügge ganz viel Ruhe. „Ein Leben lang habe ich hier gestanden und gearbeitet. Ich möchte erst einmal Abstand gewinnen und nach der Umbauzeit hier mit meiner Frau Bruni das machen, was bisher nicht möglich war“. Ostern geht es wieder nach Henloe, im Oktober ist eine Flugpilgerreise nach Rom angesagt.

"Ich möchte jetzt viel lesen, öfter zum MSV gehen und auch mit dem Dart-Spielen anfangen“. Eine Scheibe auf dem Speicher hat Hennes schon aufgehängt . . .