Dinslaken. Der Grundwasseranstieg sorgt weiter für nasse Keller. Dinslaken fordert beim Land Hilfen für Betroffene an - und blitzt ab. Das ist der Grund.
Die Starkregenfälle um die Jahreswende sind nun mehr als vier Monate her – aber viele Bürger in Eppinghoven und Hiesfeld haben nach wie vor nasse Keller. Um den Betroffenen helfen zu können, hat Dinslakens Bürgermeisterin Michaela Eislöffel beim Land Fördermittel nach der Richtlinie für regional begrenzte Naturkatastrophen beantragt. Und hat damit möglicherweise eine Grundsatzdiskussion angestoßen: Dinslaken ist die einzige Kommune, die diese Hilfen wegen Problemen mit aufsteigendem Grundwasser beantragt hat. Denn bei Naturkatastrophen geht es meist um Hochwasser. Werden die von steigenden Grundwasserpegeln Betroffenen allein gelassen?
Der gestiegene Grundwasserspiegel seit Jahresende hat für nasse Keller in etwa 300 Häusern gesorgt – vor allem in Eppinghoven und Hiesfeld. „Die Pumpen in Eppinghoven laufen noch immer“, weiß die Bürgermeisterin. Die Schäden würden teilweise auf bis zu 50.000 Euro beziffert. Und die Versicherungen zahlen nicht bei Schäden durch aufsteigendes Grundwasser. Auch in anderen Kommunen gibt es ähnliche Probleme: in Neukirchen-Vluyn etwa oder Duisburg.
Das sagt die Richtlinie des Landes
„Wer sich nach einer regional begrenzten Naturkatastrophe in einer akuten Notlage befindet, zum Beispiel durch schwere Schäden an Gebäuden, bekommt künftig eine erste finanzielle Hilfestellung vom Land“, so bewirbt das Innenministerium die neue Richtlinie. Haushalten mit einer Person stehen 2000 Euro Soforthilfe zu. Für jede weitere gemeldete Person gibt es 1000 Euro zusätzlich. Die Betroffenen „können einen entsprechenden Antrag bei ihrer zuständigen Gemeinde stellen“, so das Innenministerium.
Bedingungen laut Richtlinie: Es müsse ein Schaden in Höhe von mindestens 5000 Euro entstanden sein. Michaela Eislöffel geht davon aus, dass das in vielen Dinslakener Haushalten der Fall war. Weitere Bedingung: Die Versicherung kommt nicht oder nicht zeitnah für den kompletten Schaden auf. Und das Kabinett muss das Naturereignis „förmlich als eine Naturkatastrophe anerkannt“ haben.
Das muss laut Eislöffel noch geklärt werden
Aber was genau ist eine Naturkatastrophe? Das lässt die Richtlinie des Landes offen – und genau das muss aus Sicht der Bürgermeisterin „geklärt werden“. In Dinslaken lag der Grundwasserspiegel Ende 2023 rund einen Meter über den langjährigen Höchstständen. Die genaue Ursache soll ein Gutachten aufarbeiten. „Offensichtlich ist jedoch das Zusammentreffen von Hochwasser im Rhein und in der Emscher mit außergewöhnlich viel Niederschlag in der zweiten Jahreshälfte 2023 verantwortlich“, so die Stadt Dinslaken. 2023 sei in Dinslaken das nasseste Jahr seit 80 Jahren gewesen, die Jahresniederschlagsmenge lag bei 1360 Millimetern – 500 Millimeter über dem Mittelwert.
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Dass es sich dabei um eine Folge des Klimawandels handele, ist für Michaela Eislöffel unstrittig. Auch das NRW-Umweltministerium nennt die sich verändernden Grundwasserpegel im Kontext mit den Folgen des Klimawandels. Das Hochwasserportal des Landes erfasst aber nur Hochwasserpegel und Niederschlagsmengen. Die Warn-App Nina benachrichtigt ebenfalls bei drohendem Hochwasser. Steigendes Grundwasser wird nicht erfasst.
Dinslaken errichtet Messstationen
Das will die Stadt Dinslaken ändern. Gemeinsam mit Bürgern und Experten von Emschergenossenschaft/Lippeverband befasst sich die Arbeitsgruppe Grundwasser mit der Frage, wie der Grundwasserspiegel gesenkt und die Bürger bei steigendem Pegel gewarnt werden können. Dafür werden sieben Messstationen im Stadtgebiet – unter anderem auch in Eppinghoven und Hiesfeld – installiert, deren Daten die Bürger stündlich abrufen und sich auf eventuelle Problemsituationen einrichten können. Die Kosten liegen bei 50.000 Euro.
Michaela Eislöffel zitiert das jüngste Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte: Danach ist Klimaschutz ein Menschenrecht. Die vom steigenden Grundwasser in Folge des Klimawandels betroffenen Bürger würden sich Hilfe suchend an die Kommune wenden. Land und Bund ließen Bürger und Kommunen mit dem Problem allein. „Ich bin der Meinung, wir können die Kosten dafür nicht alleine tragen und die Menschen auch nicht im Regen stehen lassen“, betont Bürgermeisterin Michaela Eislöffel.
Das sagt das Ministerium
Die Stadt wartet bislang auf eine Reaktion des Landes, so Michaela Eislöffel. Auf NRZ-Anfrage erklärt das Innenministerium: Zweck der Soforthilfe sei „die erste Milderung von Schäden an Eigentum, Hausrat, Betriebsstätten, Betriebsmitteln und weiteren Sachschäden“. Die Gemeinde könne „in einem einfachen unbürokratischem Verfahren“ kurzfristig Soforthilfen in Form eines Handgeldes auszahlen. Unter die Schäden im Sinne dieser Richtlinie fallen laut Innenministerium „Schäden durch Naturkatastrophen wie Hochwasser, Starkregen, Hagel, Sturm, Erdbeben, Erdrutsch, Wald- und Vegetationsbrand und dergleichen sowie Schäden, die damit in einem kausalen Zusammenhang stehen.“
Für die erforderliche Anerkennung eines Ereignisses als Naturkatastrophe durch das Kabinett müssten aber sämtliche der folgenden Voraussetzungen erfüllt sein: Vor Eintritt des Ereignisses muss eine amtliche Unwetterwarnung des Deutschen Wetterdienstes erfolgt sein. Es müssen „erhebliche Schäden an einer Vielzahl von Gebäuden in einer Gebietskörperschaft oder Teilgebietskörperschaft eingetreten“ sein. Und es muss „in Relation zur betroffenen Bevölkerung ein überdurchschnittliches hohes Einsatzgeschehen zur Bewältigung der Lage stattgefunden“ haben. „Nach unseren Kenntnissen ist davon auszugehen, dass diese Voraussetzungen in Summe in Dinslaken nicht vorgelegen haben, so dass die Anwendung der Richtlinie Naturkatastrophen hier nicht in Betracht kommt. Daher plant das Ministerium des Innern keine konkreten Maßnahmen für das Ereignis in Dinslaken“, so das Ministerium. Das „Schadensereignis“ sei „nicht als Naturkatastrophe im Sinne der Richtlinie anerkannt“.
In den betreffenden Gebieten der Stadt Dinslaken komme es „häufig zu Problemen mit hohen Grundwasserständen“, so das Innenministerium: „Daher dürfte vor allem Bedarf an kurz- aber vor allem auch langfristigen Maßnahmen gegen diese hohen Grundwasserstände im Gebiet bestehen.“ Hochwasserschutz sei „allerdings keine Aufgabe des Ministeriums des Innern NRW“.
Auch der WDR hat in dieser Woche in Dinslaken einen Beitrag zum Thema gedreht, der am Sonntag, 5. Mai, 19.30 Uhr (Westpol) ausgestrahlt wird.