Voerde. Die Kabarettistin von Thekentratsch stellte in Friedrichsfeld ihren Roman „Campen mit Paul“ vor. Darum war der Abend auch eine Liebeserklärung.

Die Erwartungshaltung und die Spannung waren da: Das Ev. Gemeindehaus an der Wilhelmstraße in Friedrichsfeld war voll und man sah so einige Dinslakener Gesichter. Aber einer guckte besonders intensiv auf den noch leeren Platz am Lesetisch. Wenigstens sah es so aus. Und es war auch ganz bestimmt so. Paul hatte sozusagen den Logenplatz im Rucksack und dieser stand gut sichtbar auf einem Stuhl mit auf dem Podest. Er war ja auch ganz wichtig, sozusagen die Nummer Zwei dieser zweiten Lesung der Ev. Kirchengemeinde in diesem Jahr in Kooperation mit der Buchhändlerin Mila Becker. Paul guckte (ganz sicher). Und er sagte nichts.

Den ganzen langen Abend lang. Paul ist nämlich ein Teddybär, ein ganz besonderer (wie jeder Teddy), aber zudem ein weit gereister und auch schon ziemlich berühmter. Er gehört Heike Becker, die ihn zu einem der wichtigsten Protagonisten ihres ersten Romans „Campen mit Paul“ machte. Heike Becker, die mit Thekentratsch auf 20 Jahre Kabarettbühnenerfahrung zurückblickt, aber am Donnerstagabend in Friedrichsfeld zum allerersten Mal bei einer Lesung war.

Die Kirche bebte vor Lachen

Heike und Paul: ein ungleiches Gespann. Denn im Gegensatz zum schweigsamen Teddy redete Heike Becker, wie man es von ihr kennt: viel. Und was sie - abgelesen oder frei erzählt - brachte, war, wie man es von ihr erwartet, urkomisch. Derart bebte die Kirche vor Lachen, dass sich Heike Becker immer wieder genötigt sah, auf den kleinen Knopf zu drücken, der ein großes „RUHE“-Display auf der Orgelempore rot aufleuchten ließ. Man kann es sich leicht vorstellen, immer dann wurde das Lachen im Raum noch lauter.

Der Lesetisch weckte wohl Erinnerungen an ihre Schulzeit. Zudem hat ihr Mila Becker gesagt, dass in einer Lesung auch Fragen gestellt würden. Also Gnade denen, die Heike Becker aus dem Auditorium herauspickte und abfragte. „Wie heißt das griechische Gebirge, von dem ich gerade gesprochen habe?“ Pilion wäre die Antwort gewesen, dorthin fuhr die Heike Becker aus dem Roman ganz allein mit Paul, um endlich mal zu entspannen. Die Heike Becker, die in Friedrichsfeld ihre erste Lesung hält, schreibt sich Bemerkungen ins Notizheft. Und muss wieder auf den Knopf fürs „RUHE“-Schild drücken, weil alles lacht.

Thekentratsch: Abschied im Fantastival

Frau Sierp, alias Kerstin Lammert saß im Publikum, als Heike Becker am Donnerstag ihre erste Lesung hielt. Während sich die erstgenannte von der Bühne zurückzieht, wird sich Becker ganz aufs Schreiben verlegen - und hoffentlich mit weiteren Auftritten wie dem am Donnerstag der Gattung Autorenlesung eine ganz neue, komödiantische Prägung geben.

Doch im Fantastival verabschieden sich die Becker und Frau Sierp als Duo Thekentratsch von ihrem Publikum in Dinslaken mit einer großen Dankeschön-Show. Tickets für „Das dicke Ende kommt“ am Mittwoch, 17. Juli, 20 Uhr im Burgtheater Dinslaken gibt es ab 32 Euro an vielen Vorverkaufsstellen und über www.fantastival.de.

Ja, auch wenn die Hälfte vom Thekentratsch-Duo sich künftig ganz aufs Schreiben konzentrieren wird - die andere, Frau Sierp alias Kerstin Lammert saß im Publikum -, Heike Beckers Lesungen werden komödiantische Spitzenleistungen bleiben. Das gilt für die Inhalte der Kapitel, die sie vorträgt, aber noch mehr für das, was sie scheinbar völlig frei und spontan an Pointen heraushaut. Beckers schlichte Kleidung hätte sie etwas enttäuscht, meinte Pfarrerin Susanne Jantsch noch bei der Begrüßung. Als Heike Becker prompt enthüllte, dass sandfarbend doch die Tarnkleidung für den Strand sei, wusste man, dieser Abend wird bunt.

Die Dinslakenerin spricht von ihrer inneren Unruhe, von Sprunghaftigkeit und häufigen Umzügen. Charaktereigenschaften, die sie eigentlich zur prädestinierten Camperin machten, auch wenn sie diese Art des Ständig-auf-Achse-Seins erst während der Pandemiezeit für sich entdeckte. Und ebenso redet sie über eines ihrer Lieblingsthemen: Essen. Gut, dass auch das Publikum in der Pause gegen eine Spende mit Fingerfood-Leckereien inkl. Sushi verwöhnt wird.

Messerscharfe Beobachterin und Vollblutkomödiantin

Heike Becker redet, wie ihr der Schnabel gewachsen ist und so schreibt sie auch. Jedoch, hört man beides wie jetzt in der Lesung nebeneinander, fällt auf, wie gut, wie scheinbar mühelos und zugleich ausgefeilt dieser Plauderton geschrieben ist. Als Autorin ist sie eine so messerscharfe Beobachterin und pointierte und selbstironische Erzählerin, wie sie auf der Bühne Vollblutkomödiantin ist.

Ein Kabarettabend dauert in der Regel locker zweieinhalb Stunden, die erste Lesung von Heike Becker wurde sogar noch länger. Aber sie brauchte bei all den zündenden Gags eben auch noch Momente, in denen sie sich Zeit nahm. Zeit für Griechenland, für ihre tiefe Liebe zum Meer, zur Landschaft, zu den Menschen. Heike Becker ließ Urlaubsbilder entstehen: bunt, leuchtend, plastisch und lebendig. Und ganz sicher: Paul guckte hin und sah diese Bilder auch.