Dinslaken. Simone Dierksmeier leidet selbst unter Tinnitus und hat sich zur Hörtherapeutin ausbilden lassen. Warum bewusstes Hören helfen kann.

Das Ohr abschneiden, wie es einst der berühmte Künstler Vincent van Gogh aus welchen Gründen auch immer tat, nutzt bei der Erkrankung Tinnitus gar nichts. Die Geräusche, das Pfeifen, Rauschen, Zischen oder Brummen, spiele sich nicht im Ohr ab, sondern im Gehirn und da nütze es rein gar nichts, sich das Ohr abzuschneiden, erklärt Hörtherapeutin Simone Dierksmeier. „Der dauerhafte Ton bei Tinnitus ist nicht beeinflussbar und kann die Lebensqualität eines Betroffenen sehr beeinflussen“, erläutert die Hörtherapeutin. Tinnitus könne durch Stress und bestimmte Medikamente entstehen, aber auch durch physische Einwirkungen, durch virale und bakterielle Infekte, aber auch durch einen Hörsturz.

Babys können mit diesem Symptom geboren werden

Der Leidensdruck sei bei einer ausgeprägten Form sehr hoch, so Simone Dierksmeier, die selbst unter Tinnitus leidet und bislang weder sich noch anderen helfen konnte. Obwohl sie seit Jahren ein Hörakustik-Geschäft unterhält. „Mir ist nie der Sinn gekommen, dass es Hilfe geben könne, denn Tinnitus hat nichts mit schlecht hören zu tun“, erklärt sie. Es gäbe Babys, die mit diesem Symptom geboren werden. Auch sei die Selbstmordrate bei Tinnitus hoch. Denn bei chronischem Tinnitus verändere sich der Klang nicht mehr, nur die Lautstärke variiere. Und dies könne für den Betroffenen die Hölle sein.

Erst durch eine Freundin, die an Misophonie, einer Form der verminderten Geräuschtoleranz, litt, wurde das Interesse von Simone Dierksmeier geweckt. Sie schrieb Kollegen an, fragte nach Möglichkeiten. „Ich kannte nur Verfahren, die es in der Hörakustik gibt, von der Hörtherapie hatte ich nie etwas gehört“, berichtet sie. Selbst in der Meisterschule, die sie besucht hatte, hatte man dort nichts über die Hörtherapie gehört. Gut, ist das auch eine andere Fachrichtung. Und sie selbst habe sich bei dem eigenen Tinnitus immer wieder nur gesagt: „Hör einfach nicht hin.“ So weit wie ein Kollege, der sich den Hörnerv durchtrennte, wäre sie nie gegangen. „Das Problem bei dem Kollegen – er konnte nun nichts mehr hören, nur den Tinnitus.“.

Das bewusste Hören wird geschult

Dabei gibt es Hilfe, zumindest Linderung. Das weiß Simone Dierksmeier heute und ließ sich zur Hörtherapeutin ausbilden. Hörtherapeuten sind speziell im Bereich kognitiver Hörverarbeitung und Hörstörungen ausgebildet. „Das hat nichts mit dem Beruf eines Hörakustikers zu tun“, darauf weist Dierksmeier explizit hin. Also nichts mit ihrem eigentlichen Beruf.

Was aber ist nun eine Hörtherapie? Bei einer Hörtherapie soll das bewusste Hören geschult werden, sodass Betroffene lernen, den Tinnitus einfach zu überhören. Das hört sich leichter an als es ist. Bis zu zwölf Wochen kann eine solche Therapie dauern, je nach Grad der Einschränkung durch Tinnitus. „Und“, macht Dierksmeier klar, „eine Heilung, eine vollständige Auflösung des Tinnitus kann damit nicht erreicht werden, wohl aber eine Linderung. Der Betroffene gewinnt aber dadurch seine Lebensqualität zurück.“ Ein tägliches Training sei vonnöten. Dabei trainieren die Betroffen daheim, einmal in der Woche allerdings sollten sie in der Hörpraxis vorstellig werden. Über spezielle Therapiegeräte, die zur Verfügung gestellt werden, sollte gezielt eine Stunde lang Sprache gehört werden.

Erlerntes wird im Schlaf besser abgespeichert

Dabei werde das Gehirn durch aktivierende, komplexe Hörimpulse in Lernbereitschaft versetzt. Musik kommt allerdings dabei nicht infrage, so Dierksmeier. Fernsehen mit hohem Sprachanteil wäre möglich, noch besser aber Hörbücher. Dies sollte abends geschehen, weil Erlerntes im Schlaf besser abgespeichert würde. Im Anschluss an das „Hören“ gibt es dann noch einmal für eine halbe Stunde reines Naturgeräusch zu hören – Vogelgezwitscher, Meeresrauschen oder ähnliches. Der Tinnitus soll mit diesem Geräusch verschmelzen, so Dierksmeier.

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Diese Therapie basiere auf dem Reiz-Prinzip: Über das limbische System werde mit diesem Audio-Impuls-Training, eine An- und Entspannung, die Reizverschmelzung von dem bedrohlichen Tinnitus-Geräusch mit einem Naturrauschen konditioniert. Dieses passiere über die Reizebene ohne bewusstes Begreifen in der Bewusstseinsebene, erklärt Simone Dierksmeier. Dabei verschmelze der Tinnitus mit den Naturgeräuschen und sei nicht mehr so stark wahrnehmbar. Bereits nach drei bis vier Wochen sollte der Patient eine Verbesserung merken, nun dürfe man allerdings nicht aufhören, denn das Gehirn müsse sich komplett auf die neue Situation einstellen. Das dauert. Nach zwölf Wochen sollte sich der Tinnitus spürbar verbessert haben, so die Therapeutin. Manche ihrer Kunden hätten sich nach der Therapie direkt anstrengen müssen, den Tinnitus noch zu hören.

Simone Dierksmeier informiert Interessierte zur Therapie unter hoertherapie-dierksmeier@t-online.de oder 0157/54756286. Die Krankenkassen übernehmen die Kosten leider nicht, aber auch hier könnte es Ausnahmen geben.