Voerde. Die Stadt plant den Standort in Spellen doppelt so groß wie zur Zeit der Jugoslawien-Kriege. Warum eine Bürgerin das mit Sorge sieht.

Mit Sorge schaut Änne Rühl auf die Planungen der Stadt, auf einer Fläche an der Scheltheide / Rheinstraße im Außenbereich von Spellen eine Unterkunft für bis zu 152 Flüchtlinge einzurichten. „Ich habe wirklich Bedenken, so viele Menschen dort unterzubringen“, erklärt die Bürgerin. Vor einer Woche äußerte sie dies auch im Sozialausschuss. Die Spellenerin war viele Jahre in der Flüchtlingsbetreuung als Mitglied des Asylkreises tätig und arbeitet heute in der Kleiderkammer in Friedrichsfeld mit. Sie erinnert an die Zeit, als der Bereich Scheltheide schon einmal Standort für eine Flüchtingsunterkunft war.

Während der Jugoslawien-Kriege in den 1990ern hätten in den „doppelstöckigen“ Wohncontainern um die 70 Menschen gelebt – und zwar „in den Hochzeiten“, sagt Änne Rühl und liefert damit eine Zahl, zu der im Rathaus auch nach Sichtung alter Akten keine Angaben mehr vorlägen, wie Sozialdezernent Jörg Rütten im Gespräch mit der NRZ erklärt hatte. Basierend auf den Angaben von Änne Rühl ergibt sich, dass die aktuellen Planungen der Stadt für den dann reaktivierten Standort Scheltheide mehr als doppelt so hoch sind wie im Fall der Nutzung zur Zeit der Jugoslawien-Kriege vor drei Jahrzehnten. Änne Rühl, die Flüchtlinge dort betreut hat, glaubt, dass an der Stelle höchstens 100 Personen untergebracht werden können. Sie mahnt, dass, „je nachdem, wer kommt“, die Menschen „doch höchst traumatisiert sind“. Und: Je größer eine Unterkunft ist, desto größer kann das Konfliktpotenzial sein. Viele bekämen auch einen „Lagerkoller“. Nach ihrer Ansicht müsste jemand mehrere Stunden am Tag vor Ort sein und dort nach dem Rechten schauen.

Bürgerin: Das ist kein Angriff gegen die Stadt

Ihre Bedenken will die Spellenerin nicht als Angriff gegen die Stadt verstanden wissen. Die Kommune sei verpflichtet, die Flüchtlinge aufzunehmen. Der Bund müsse hier handeln. Auch spricht nach Ansicht von Änne Rühl nichts gegen den Standort Scheltheide / Rheinstraße an sich. Die Kanalisation liege bereits, es bestehe eine Anbindung zu beiden Seiten. Die geplante Größe mit 152 Plätzen aber ist aus ihrer Sicht nicht händelbar. Außerdem macht der Spellenerin Angst, dass gegenüber Flüchtlingen zurzeit „keine tolle Stimmung“ im Land herrsche.

„152 Plätze sind eine Menge, unbestritten, aber zu bewältigen“, erwidert Voerdes Sozialdezernent Jörg Rütten zu den Bedenken der Bürgerin. Die Qualität der Wohnmodule habe sich im Vergleich zu denen vor 30 Jahren weiterentwickelt. Darüber hinaus verweist Rütten darauf, dass sich der Caritasverband künftig grundsätzlich um die Flüchtlingsbetreuung und damit auch um die geplante Unterkunft auf dem städtischen Grundstück im Bereich Scheltheide / Rheinstraße kümmern wird. Vor einem Jahr hatte die Stadt der Politik das Ansinnen vorgestellt, in dem Bereich alle Aufgaben, die nicht in ihre Hoheit fallen, auf einen Träger der freien Wohlfahrtspflege zu übertragen. Die Zielsetzung dahinter: Die Punkte „Unterbringung und soziale Betreuung“ werden zusammengeführt und liegen dann in einer Hand. „Die Caritas hat den Zuschlag bekommen. Der Vertrag wurde zum 1. Oktober geschlossen“, erklärt Rütten.

Die weiteren Beratungen

Als nächstes wird das Thema der Flüchtlingsunterbringung im Bau- und Betriebsausschuss beraten, der am Donnerstag, 23. November, ab 17 Uhr im kleinen Sitzungssaal (Raum 137) des Rathauses tagt. Bevor im Stadtrat am 5. Dezember die Entscheidung über die Planungen der Stadt ansteht, steht das Thema vorher noch im Haupt- und Finanzausschuss zur Beratung an. Die Sitzung findet am Dienstag, 28. November, statt.

Die vor einem Jahr benannten Aufgaben, die der Träger der freien Wohlfahrtspflege übernehmen soll, sind vielfältig: Er kümmert sich unter anderem um die Belegung und Bereitstellung von Plätzen in Übergangswohnheimen in Abstimmung mit der Stadt, macht leerstehende Zimmer und Wohnungen wieder bezugsfertig, ist für das Beschwerdemanagement Anwohner/Nachbarn von städtischen Unterkünften beziehungsweise angemieteten Wohnungen zuständig, schlichtet bei Konflikten zwischen Bewohnern, überwacht und kontrolliert bauliche Anlagen und Inventar und hält die Sozialbetreuung und das Umzugsmanagement in Händen.

Die Stadt plant, am Standort Schletheide zwei Wohngebäude in Modulbauweise für die etwa 150 Menschen zu errichten. Aktuell werde die Aufstellung auf der tiefer als das Straßenniveau liegenden Grundstücksteilfläche an der Rheinstraße geprüft, erläutert die Verwaltung in einer Vorlage für die Politik. Hintergrund: Dort seien größere Gebäude als auf der Grundstücksteilfläche direkt an der Scheltheide möglich. In diesem Jahr, so heißt es, sollen noch die Baugrunduntersuchungen ausgeschrieben werden.