Hünxe. Nach 38 Jahren als Förster im Forstbetriebsbezirk Dinslaken geht Michael Herbrecht in den Ruhestand. Welche skurrilen Einsätze er erlebt hat.
Als Michael Herbrecht seinen Dienst im Forsthaus in Hünxe antrat, war sein Nachfolger Thomas Baumann quasi gerade erst geboren: Fast 38 Jahre ist es her, dass Michael Herbrecht im November 1985 seinen Dienst im Revier angetreten hat. „Die sind vergangen, als wären es zwei Jahre gewesen“, sagt Herbrecht. In seinem Beruf habe man permanent Termindruck, man käme nicht zum Durchatmen. „Das hat auch Nachteile, aber man merkt auch nicht, wie schnell die Zeit verfliegt“, sagt er.
Die Zeit verflog für Michael Herbrecht manchmal etwas zu schnell. Seit Einführung der digitalen Stundenerfassung im Jahre 2001 hat der Förster 2646,5 Überstunden angesammelt. Genug Überstunden für 66 40-Stunden-Wochen oder gut ein Jahr und drei Monate Arbeit. „Überstunden gibt es allerdings nur, wenn sie von einem Vorgesetzten angeordnet werden. Wenn man nachts zu einem Wildunfall gerufen wird, ist selten jemand zum Anordnen da“, sagt der Förster. Und zum Abfeiern hätte er ohnehin keine Zeit gehabt.
Michael Herbrecht spielte oft den Retter in der Not
Apropos Wildunfälle: Eigentlich, so betont der scheidende Förster, wäre er dafür gar nicht zuständig. „Wenn man einen Wildunfall hat, sollte man immer die Polizei anrufen. Die haben dann entsprechende Kontakte“, erzählt er. Trotzdem kümmerte er sich immer, wenn ihn Menschen anriefen – oder die Polizei nachts vor seiner Tür stand. Daraus ergaben sich auch einige Male ziemlich kuriose Situationen.
Herbrecht erinnert sich noch genau daran, wie er einmal einen Anruf aus der Dinslakener Kathrin-Türks-Halle erhielt. Es befände sich ein Raubtier im Gebäude, ob man die stattfindende Veranstaltung jetzt absagen müsste. Aus der Distanz konnte Herbrecht kein Urteil fällen und machte sich auf den Weg. In der Stadthalle fand er dann das Raubtier: „Es war ein handzahmes Frettchen“, erinnert sich Herbrecht und lacht.
Ebenso kurios ein Einsatz in Oberhausen. Einen ganzen Straßenzug hatten diverse Einsatzkräfte dicht gemacht. Es sei ein gefährliches Wildschwein gesichtet worden. Das hätte sich in einer Garage verkrochen, sagte man Michael Herbrecht, als er am Ort des Geschehens eintraf. Man schickte ihn in die Garage. „Da war hinter den Fahrrädern ein kleiner Frischling. Der war weder gefährlich noch führte er Böses im Schilde.“ Und es muss ein Bild für die Götter gewesen sein, als der Förster das Tier in seinen Armen zu seinem Auto trug – vorbei an einem Spalier aus Einsatzkräften, die ziemlicht verdutzt schauten.
Pause im Job für einen Einsatz bei der Bundeswehr
Nun ist es allerdings nicht ganz richtig, dass Herbrecht 38 Jahre nur als Förster in Hünxe arbeitete. Zwei Jahre pausierte er von seinem Beruf im Forsthaus – und übernahm kommissarisch die Leitung des Kreisverbindungskommandos, des Bindeglieds zwischen dem Kreis Wesel und der Bundeswehr im Rahmen der Zivil-Militärischen Zusammenarbeit, dessen Hilfe in Corona-Zeiten gefragt war. „Statt vielleicht im Alter etwas zurückzustecken, habe ich noch mal Vollgas gegeben“, kommentiert Herbrecht diesen Sondereinsatz. „Jetzt muss ich schauen, wie ich von da in den Pensionärstrab komme.“
Gute Ratschläge gab es dazu schon. „Mir wurde auf einem Seminar geraten, mir neue Hobbys zu suchen“, berichtet Herbrecht. Daran mangelt es dem Förster allerdings wirklich nicht. „Die Jugendfeuerwehr ist mir eine Herzensangelegenheit“, sagt Herbrecht. Und für seinen Job bei der Jugendfeuerwehr Hünxe gäbe es kein Alterslimit. Ebenso wenig für sein Engagement als Bootsführer bei der DLRG. Und auch als Hobbypilot darf er auch noch im Rentenalter in die Luft gehen – im Flugzeug versteht sich. „Außerdem hoffe ich, dass ich mal die Muse finde, wieder mehr Bücher zu lesen.“ Oder vielleicht selbst den ein oder anderen Text zu verfassen – über seine kuriosen Erlebnisse im Forsthaus. Die würden wahrscheinlich auch reichen, um Bücher zu füllen.
Ein Wunsch für seinen Nachfolger Thomas Baumann
Fehlen wird ihm vieles, sagt Herbrecht selbst. Vor allem die Begegnungen mit Menschen im Wald. „Einen Jogger im Hiesfelder Wald kenne ich so lange, wie ich hier bin“, erzählt der Revierförster. Und auch einige Kunden begleiteten Herbrecht vom Amtseintritt bis zur Pensionierung. Ansonsten sagt er, müsse er jetzt lernen, dass es auch eine Zeit nach dem Dienst gibt.
Für seinen Nachfolger wünscht er sich, dass die Reviergröße irgendwann wieder kleiner wird. Das Einzugsgebiet erstreckt sich vom Norden bis zum Süden an der weitesten Stelle über 61 Kilometer. „Man muss allen Wäldern gerecht werden können“, sagt Herbrecht. Bei dieser Reviergröße wäre das eher utopisch. „Thomas Baumann wünsche ich den Spaß, den ich stets an der Arbeit hatte“, sagt der scheidende Förster weiter.
Michael Herbrecht hat jetzt allerdings erstmal eine konkrete Aufgabe vor sich – das Forsthaus räumen. Denn hier soll bald sein Nachfolger einziehen. „So lange Zeit lassen, wie mein Vorgänger Hermann Bodemann will ich mir nicht“, erklärt Herbrecht. „Es hat drei Jahre gedauert, bis ich nach meinem Dienstantritt hier einziehen durfte.“ Das dürfte sein Nachfolger Thomas Baumann gerne hören, der in Zukunft mit seiner Frau und seinem Sohn hier wohnen wird.