Hünxe. Tagsüber setzt Stefan Weber Hochzeitspaare und schöne Dinge in Szene. Nachts geht er seiner zweiten Leidenschaft nach: Er fotografiert Gewitter.

Wer mit Stefan Weber übers Wetter plaudern möchte, stößt schnell an Grenzen. Denn wenn es draußen donnert und blitzt und die Welt unterzugehen scheint – dann ist für Stefan Weber das Wetter so richtig gut. Wenn alle anderen die Rollos herablassen und sich in Decken mummeln, dann wartet der 51-Jährige in seiner Dachwohnung in Hünxe gespannt unterm schrägen Fenster. Stefan Weber ist Fotograf und macht bei schönem Wetter zauberhafte Bilder von glücklichen Hochzeitspaaren, schönen Landschaften, seiner süßen Hündin Luna und anderen Tieren. Seine zweite große Leidenschaft aber sind die Fotos, die er bei so richtig schönem Wetter schießt: von zuckenden Blitzen und drohenden Wolkentürmen, giftgelben Gewitterzellen und heranrasenden Stürmen - je apokalyptischer desto besser.

Wenn im Mai die Gewittersaison beginnt – dann verlagert der Fotograf sein Nachtlager vom Schlafzimmer ins Wohnzimmer mit dem Dachfenster. Stellt sein Stativ darunter. Und wartet. Wenn es irgendwo rumpelt, zeigt eine Blitz-Echtzeit-App die Stationen des Gewitters an. „Die beste App ist aber immer noch: Guck aus dem Fenster,“ findet Stefan Weber. Wenn der Raum plötzlich hell wird, sich draußen etwas tut – „dann springe ich sofort auf. Und wenn ich meine, dass es sich lohnt, fahre ich auch noch mal raus.“ Er hat so seine Lieblings-Spots. Feldränder mit Weitblick, etwa in Drevenack, Krudenburg oder Gahlen.

Früher hat er „teilweise nachts um drei auf dem Feld gestanden“ und darauf gewartet, dass sein Motiv heranzieht. Heute seien die Gewitterzellen schneller. „Da kommt nicht mehr erst eine schöne Front mit Blitzen, wo man noch Zeit hat – das geht alles in einen Mischmasch über.“ Grauer Himmer, Donner, Regengeprassel, Hagel „und dann blitzt es da oben irgendwo mal drin: Das kommt mit einem Wusch rüber – und ist dann wieder weg.“

Ein Gewitter türmt sich auf, die Rotoren der Windräder zerschneiden die Luft – Traumwetter für Stefan Weber.
Ein Gewitter türmt sich auf, die Rotoren der Windräder zerschneiden die Luft – Traumwetter für Stefan Weber. © PR | Stefan Weber

Der wohl einzige Hünxer, der sich mehr Gewitter wünscht

Fünf Jahre habe er gebraucht, um zu lernen, Unwetter schön zu fotografieren. „Fotografier’ mal einen Blitz am Tag! Das ist technisch so gut wie unmöglich“, seufzt Stefan Weber. Natürlich, auch dafür gebe es Handy-Apps, die sofort auslösen, wenn es blitzt. „Aber ich finde, es muss auch eine gewisse Qualität dahinter stecken – auch, wenn man es groß ausdrucken will,“ sagt Stefan Weber. Schließlich ist der Mann Fotograf. Er weist auf ein XXL-Gewitterbild an der Wand der Dachkammer. Zwei Blitze über Hünxe - fotografiert aus der Dachkammer. Ansonsten „werden wir in Hünxe vom Gewitter sehr stiefmütterlich behandelt. Es geht immer rechts oder links an uns vorbei.“

„Mich fasziniert einfach diese Naturgewalt“

Vermutlich ist er der einzige Hünxer, den das betrübt. „Mich fasziniert einfach diese Naturgewalt, wie sich die Gewitterzellen zeigen, die Stimmung, die in der Luft hängt, wenn kein Vögelchen mehr piept.“ Sein Lieblingsfilm – natürlich: Twister. Sein aktuelles Lieblingsmotiv: „Wolkenstimmungen“. Also: keine Schäfchwölkchen vor Babyblau – sondern: „Shelf-Clouds“, walzenförmige Wolken, meist unheilvolle Vorboten von Gewitterzellen „Wenn ich da auf dem Feld stehe und meine Jacke fängt an zu flattern, die Windräder fangen an, sich zu drehen und du hörst, wie die Rotorblätter die Luft zerschneiden – das ist hammergeil.“

Angst hat er nicht. Aber „einen Wahnsinns-Respekt“. Man müsse wissen, was man tut. „Es ist Natur. Die können wir Gott sei dank nicht beeinflussen. Und wenn die Natur wollte, macht sie einmal schnipp – und dann ist für uns das Thema durch.“ Gerade bei Gewittern „solltest du wissen, wann es Zeit ist, zu gehen.“ Er fotografiere immer „in die Fronten rein.“ Wenn die Front näher rückt, wenn es beginnt zu regnen – „dann ist es Zeit.“ Dann geht er ins Auto und lässt „das Gewitter über mich drüber bügeln. Ich gucke so etwas einfach total gerne.“

In Löhnen war es einmal knapp

Stefan Webers Leidenschaft ist das Fotografieren von Blitzen.
Stefan Webers Leidenschaft ist das Fotografieren von Blitzen. © nrz | aha

Nur in Löhnen war es einmal knapp: „Auf einmal wurde es richtig windig, die Luft war ganz dreckig, nicht schwarz sondern bräunlich, dann habe ich gemerkt, wie auch noch von hinten etwas kam und Äste knickten.“ Er habe „etwas gespürt, was sonst nicht da ist“. Also Kamera, Stativ und Hund ins Auto und ab nach Voerde. „An dem Abend war in Bocholt der Tornado“, weiß er heute: „Das war richtig, richtig heftig.“

Der Schrecken hielt nicht lange nach. „Tornados sind mein größter Traum“ – abgesehen von den Schäden, die sie hinterlassen. Einmal in die USA reisen und mit den Storm-Chasern auf Tornado-Jagd gehen - das wäre es: „Da bekomme ich echt Gänsehaut“, sagt der Fotograf mit dem ganz besonderen Wettergeschmack und schwärmt von giftgrünen Himmeln, Hagelkörnern so groß wie Tennisbälle, Rotationen und Blitzen. „Die Krönung ist der Tornado - aber mir würden schon die Superzellen reichen.“ Bis dahin muss das Dachfenster in Hünxe genügen.

>>Hintergrund

Stefan Weber war lange in der IT tätig – aber das „war nicht die Erfüllung“: Seit einigen Jahren arbeitet er als professioneller Fotograf, gibt auch Kurse. Eine Auswahl seiner Bilder ist auf https://stefan-weber-fotografie.business.site/ und auf Facebook unter „Gehaltene Momente“ zu finden.