Voerde/Hünxe. Die Römer-Lippe-Route feiert in diesem Jahr ihr zehnjähriges Bestehen. Ein guter Grund, den Spuren der Römer mit dem Fahrrad zu folgen.

Ein Hauch von Antike weht über das Display des Smartphones. Nicht, weil das Gerät schon so alt ist, sondern weil hier gerade ein Weg über die Römer-Lippe-Route gefunden werden soll. Die feiert in diesem Jahr ihr zehnjähriges Bestehen, was Grund genug für eine Ausfahrt mit dem Rad ist. Das klingt nach Abenteuer und Historie. Entpuppt sich aber, Dank der zur Route gehörenden App, erstmal als Problem.

Denn zwar ist bei der Planung eine dicke Strecke entlang des Wesel-Datteln-Kanals eingezeichnet. Um zum Schloss Gartrop und der direkt daneben liegenden Wassermühle zu kommen – zwei der Sehenswürdigkeiten auf der Strecke – möchte die App aber gerne, dass man von Voerde zuerst in Richtung Wesel fährt, um dann erst ab Krudenburg nach Querung der Lippe die Route am Kanal entlang einzuschlagen. Und dann soll zur Rückfahrt die gleiche Route genutzt werden. Etwas zu eintönig. Lässt sich aber auch durchs hinzufügen strategisch gewählter Wegpunkte in Kanalnähe leider nicht groß korrigieren.

Wegequalität am Kanal: Von hübsch bis holprig

So geht es denn erstmal ohne App in Emmelsum los. Genauer gesagt: An der Emmelsumer Schleuse. Über den Kanal und dann auf der Wesel zugewandten Seite der Wasserstraße in Richtung Hünxe. Freunde von Wortwitzen, die der englischen Sprache mächtig sind, dürfen sich am Kanal in Friedrichsfeld über einen besonderen Schiffsnamen freuen. Hier liegt nämlich ein Binnenschiff namens „Relationship IV“ (zu Deutsch: Beziehung, Verhältnis oder Relation) an der Spundwand des Kanals vor Anker. Ein Namenskalauer, wie man ihn sonst nur von Friseursalons kennt. Und der – da der Name, passend zur Radroute, mit einer römischen Zahl endet – zur Frage führt, ob hier jemand zu Beginn einer neuen amourösen Beziehung erstmal ein neues Schiff kauft.

Unter der Autobahnbrücke der A3 donnert es bei Verkehr. Außerdem gibt es auf beiden Seiten des Kanals Graffiti-Kunstwerke zu bestaunen.
Unter der Autobahnbrücke der A3 donnert es bei Verkehr. Außerdem gibt es auf beiden Seiten des Kanals Graffiti-Kunstwerke zu bestaunen. © NRZ | Florian Langhoff

Auf dem Weg fällt auf: Die Qualität der Route am Kanal entlang ist wechselhaft. Während Radler parallel zur Neuen Hünxer Straße auf einem gut gepflegten Weg sanft dahingleiten, wird die Tour danach bisweilen zur kleinen Rüttelpartie. Denn der Asphalt, über den man am Kanal fährt, ist nicht überall in bestem Zustand und sorgt für einiges Ruckeln am Rad, wenn auch größere Schlaglöcher weitestgehend nicht zu finden sind. Positiv bei prallem Sonnenschein: Am Kanalufer sorgt immer wieder Grün an beiden Seiten des Weges für Schatten, so dass man nicht beständig dem Glutball am Himmel ausgesetzt ist.

Sehenswürdigkeiten am und hinter dem Kanal

Ein leises Donnern von oben erreicht Radfahrer an der Stelle, wo der Weg am Kanal entlang unter der Autobahn A3 hindurchführt. Vom eigentlichen Verkehr hört man nur sehr wenig, allerdings gibt es ein beständig rhythmisches Donnergeräusch, wenn Fahrzeuge oben auf der Fahrbahn über eine bestimmte Stelle der Brücke fahren. Unten kann man derweil nicht nur den Schiffen zuschauen, die über den Kanal dahingleiten, sondern auch die Werke diverser Graffiti-Künstler bewundern, die sich hier verewigt haben. Eine kleine Galerie der Straßenkunst.

Ausblick auf die Schleuse Hünxe. Mit etwas Glück kann man hier beobachten, wie ein Schiff die Anlage durchquert.
Ausblick auf die Schleuse Hünxe. Mit etwas Glück kann man hier beobachten, wie ein Schiff die Anlage durchquert. © NRZ | Florian Langhoff

Ein technisches Bauwerk der besonderen Art wartet kurz bevor man den Kanallauf verlässt in Hünxe: die Schleuse. Rund 20.000 Wasserfahrzeuge – vom Motorboot bis zum Binnenschiff – fahren jährlich auf ihrem Weg über den Wesel-Datteln-Kanal durch die beiden Schleusenanlagen. Gerade ist das Tor der großen Schleuse offen und kein Schiff in Sicht, das hereinfahren möchte. Damit entfällt die Gelegenheit, einem Schiff bei der Passage zuzusehen.

Das Schloss Gartrop ist auch für Vorbeifahrende durchaus eine Attraktion. Übernachten kann man hier auch. 
Das Schloss Gartrop ist auch für Vorbeifahrende durchaus eine Attraktion. Übernachten kann man hier auch.  © NRZ | Florian Langhoff

Dafür gibt es in Gartrop – gut 4,5 Kilometer weiter den Radrouten folgend – gleich zwei Sehenswürdigkeiten auf einmal. Zum einen das Schloss Gartrop: Majestätisch erhebt sich das barocke Wasserschloss vor den Augen der Radrouten-Nutzer. Apropos Radrouten: Ortsunkundige sollten bei Abzweigungen öfter mal einen Blick auf nahe Strommasten oder ins Grün rechts und links der Wege werfen – denn Dank austreibenden Grünwuchses sind einige Routenhinweise vom Grün zumindest leicht verdeckt. Dafür öffnet sich – so man denn die Route gefunden hat – der Blick auf Schloss Gartrop. Das barocke Herrenhaus erhebt sich majestätisch vor den Augen der Radler und entführt, kurzfristig, in die Vergangenheit. An der Zufahrt zum Schloss können Besucher die Wassermühle besichtigen. Diese ist allerdings nur jeden dritten Sonntag im Monat von 11 bis 17 Uhr geöffnet. Auf Anfrage beim Hünxer Heimatverein gibt es aber auch Führungen an anderen Tagen. Wer möchte, kann von hier aus auch noch eine kleine lokale Radtour zu besonderen Orten im Hünxer Ortsteil starten.

Hier bekommt man an der Route etwas zu essen

Von Gartrop aus geht es zurück – erst an den Kanal und dann in Richtung Lippe. In Krudenburg kommt man dem Fluss ganz nahe. Außerdem sieht man hier, warum es Römer-Lippe-Route heißt: Eine Infotafel informiert die Besucher des Ortes, dass die Lippe schon zu Römerzeiten für den Transport von Waren genutzt wurde. Ein Schild mit römischen Ziffern weißt auf den Kilometerstand hin – CCLXVII steht hier geschrieben – oder 267. Der bezieht sich allerdings auf die Kilometer an der Römer-Lippe-Route, deren Hauptstrecke auf 295 Kilometer von Detmold nach Xanten führt. Die Lippe selbst fließt nämlich nur 220 Kilometer von ihrer Quelle bei Bad Lippspringe bis zur Mündung in Wesel.

An der Dudel Bude in Krudenburg empfängt Matthias Müller, hier mit Isabell Becker, die Radler mit Kaffee, Kuchen und Currywurst. 
An der Dudel Bude in Krudenburg empfängt Matthias Müller, hier mit Isabell Becker, die Radler mit Kaffee, Kuchen und Currywurst.  © NRZ | Florian Langhoff

Und hier befindet sich auch die erste Möglichkeit zur Essensversorgung direkt an der Route: die Dudel Bude. Matthias Müller und sein Team begrüßen hier die Gäste mit Kaffee, Kuchen, Currywurst und Kaltgetränken – allerdings nur samstags, sonntags und an Feiertagen zwischen 12 und 18 Uhr. „Unter der Woche lohnt es sich nicht“, sagt der Chef. „Dafür kommen am Wochenende sehr viele Besucher vorbei.“ Denn neben der Römer-Lippe-Route führt auch die Drei-Flüsse-Route hier vorbei. Zudem kann man hier sein E-Bike aufladen und ein stilles Örtchen aufsuchen. Wer einen kleinen Umweg von der Radroute in Kauf nimmt, findet auch im Hünxer Ortskern am Café Taluu neben Kaffee und Kuchen einige besondere Leckereien von Snacks bis hin zur kompletten Mahlzeit.

Über die Autobahn und an einen seltsamen Ort

Weiter geht es aus Krudenburg ein wenig bergan. Erst den Krudenburger Weg entlang, dann über den Schwarzensteiner Weg über die Autobahn A3 hinweg. Was man vorher von unten gehört hat, kann man hier jetzt von oben sehen: den Verkehr auf der Schnellstraße. Für viele – zumindest aus dieser Perspektive – sicherlich kein alltäglicher Anblick. Weiter geht es zurück auf den Krudenburger Weg. Wer hier einen kleinen Umweg radelt, kann sich den ehemaligen Rittersitz Haus Schwarzenstein anschauen.

Römische Lettern dienen als Kilometer-Markierungen auf der Route. 
Römische Lettern dienen als Kilometer-Markierungen auf der Route.  © NRZ | Florian Langhoff

Weiter geht es an einen Ort, der auf der Karten-App als „Obrighover Gemeinheit“ eingezeichnet ist. Hier handelt es sich nicht um ein besonders fieses Stück Landschaft, sondern um eine Fläche, die früher von Landwirten gemeinschaftlich genutzt wurde. Daher der Name. Und vorbei an Wiesen, kleinen Wäldern und Feldern zurück in Richtung Zivilisation.

Drei mögliche Wege über die Lippe

Eine Möglichkeit für eine kleine Abkürzung mit besonderem Flusserlebnis gibt es hier auch. Wer in Richtung der Lippe fährt, landet hier an der Lippefähre mit dem Namen Quertreiber. Die lässt sich mit Muskelkraft von einem Ufer des Flusses ans andere bewegen, so dass Radfahrer, die von der Weseler Seite übergesetzt haben nach einer kurzen Fahrt durch eine Wiesenlandschaft wieder an der Neuen Hünxer Straße und damit fast am Wesel-Datteln-Kanal landen.

Wer den anderen Weg wählt, fährt einen kleinen Bogen am Stadtrand von Wesel entlang und dann kommt die letzte Sehenswürdigkeit der Rundreise: der Blick über den Lippe-Mündungsraum. Theoretisch könnte man nun, wenn man etwas Zeit mitbringt, noch eine kleine Zusatzrunde drehen: An der B8 entlang die Lippe an der Büdericher Insel queren, und einen kurzen Blick auf den Punkt werfen, an dem der Fluss in den Rhein mündet. Dann durch die Auenlandschaft des Lippe-Mündungsraumes, mit Blick auf die Rheinmündung des Wesel-Datteln-Kanals und den Emmelsumer Schiffermast wieder zum Ausgangspunkt der Reise zurückkehren.

Wer sich lieber stärken möchte, kann auch an der B8 die Lippe queren und direkt neben der Brücke über die Lippe am Lippeschlößchen einkehren und den Blick über den Lippe-Mündungsraum und Rhein noch etwas genießen. Bevor es dann auch hier zum Ausgangspunkt der Reise zurückgeht.