Voerde. Einen kuriosen Nistplatz hat sich ein Storchenpaar in Voerde ausgesucht. Es nistet auf dem Vogelstand des BSV Mehrum. Das sind die Auswirkungen.

Der Begriff „Vogelstand“ hat beim Bürgerschützenverein Mehrum derzeit eine ganz neue Bedeutung. Wo sonst der Holzadler hängt, auf den Anwärter auf den Titel des Schützenkönigs anlegen, haben jetzt zwei Störche mit dem Bau eines Nests begonnen. „Es hat zwar schon öfter mal eine Storch oben auf dem Vogelstand gesessen, aber als sie jetzt mit dem Nestbau angefangen haben, waren wir sehr überrascht“, sagt Bastian Hüwels, der Präsident des Schützenvereins.

Auf der Fassade der Schützenhalle des BSV Mehrum sind fliegende Vögel als Dekoration angebracht. Nun fliegt der Storch ebenfalls über die Schützenhalle.  
Auf der Fassade der Schützenhalle des BSV Mehrum sind fliegende Vögel als Dekoration angebracht. Nun fliegt der Storch ebenfalls über die Schützenhalle.   © NRZ | Florian Langhoff

Denn das Gerüst hat oben zum Schutz einen spitz zulaufenden Abschluss. Nicht unbedingt der bequemste Ort, um ein Nest zu bauen. „Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass das wirklich lange hält“, sagt Bastian Hüwels. Denn so wirklich windgeschützt ist der Nistplatz neben der Schützenhalle nicht – und ob der Vogelstand genug Halt bietet, ist natürlich auch nur zu vermuten.

Einen anderen Nistplatz für die Störche in der Nähe finden

Beim BSV Mehrum hat man sich mit den gefiederten Untermietern auf dem Vogelstand allerdings schon abgefunden. Für dieses Jahr auch kein großes Problem, da kein Schützenfest in Mehrum ansteht und der Vogelstand daher auch nicht benötigt wird. Das wäre im kommenden Jahr wieder der Fall. Trotzdem denkt bei den Schützen niemand daran, dem Begriff „Vogelschießen“ eine wortwörtliche Bedeutung zu verleihen. „Wir wollen die Störche auch nicht groß vertreiben, aber irgendwann würden sie doch stören“, sagt Bastian Hüwels.

Eventuell, so meint er, könnte man in der Nähe einen alternativen Nistplatz für die besonderen Besucher schaffen. Schließlich gibt es in der direkten Umgebung schon diverse Storchennester – weit mehr als ein Dutzend. Sogar geführte Radtouren gibt es regelmäßig zu den Nistplätzen der Störche in den Voerder Rheindörfern. „Es gab schon öfter die Idee, auch in Mehrum ein Storchennest aufzustellen“, berichtet Bastian Hüwels. Hier könnte mit der Gilde Mehrum ein weiterer engagierter Verein im Dorf eventuell mit ins Boot geholt werden, um den Störchen einen neuen Wohnort zu schaffen. Aber erstmal, das ist klar, können die Störche bleiben – so lange ihr Nest auf dem Vogelstand hält.

Das sagt der Storch-Experte zu dem Kuriosum

Für Hans Glader, den Vorsitzenden der Stiftung Störche NRW, ist es nicht der erste Fall dieser Art. „Wir hatten einen ähnlichen Fall schon in Bislich“, erzählt der Storchenexperte. Hier entschlossen sich die Vögel dazu, in unmittelbarer Nähe des Schützenfest-Platzes ein Nest zu bauen. „An Menschen, die unten am Nest langlaufen, stören sich die Störche überhaupt nicht“, sagt Hans Glader. Ob der reguläre Schießbetrieb in der Schützenhalle die Vögel stört, vermag er nicht zu sagen. Zumindest bisher scheint das aber nicht der Fall zu sein, da die Störche unaufgeregt von dem, was so am Boden passiert, weiterhin mit dem Nestbau beschäftigt sind.

Für das Material zum Nestbau reicht ein kurzer Flug über die Straße: Der Storch sucht sich auf einem Misthaufen am Hof Glücksgriff Baumaterial für sein Nest. 
Für das Material zum Nestbau reicht ein kurzer Flug über die Straße: Der Storch sucht sich auf einem Misthaufen am Hof Glücksgriff Baumaterial für sein Nest.  © NRZ | Florian Langhoff

Um dafür Material zu beschaffen, nehmen die Störche übrigens nicht unbedingt weite Wege auf sich. Bisweilen geht es auf dem Luftweg einfach nur auf die andere Seite der Straße Wennenhof. Denn dort liegt der Hof Glücksgriff – und ein großer Misthaufen, von dem sich die Störche öfter Mal bedienen, wenn es um Material für ihr Nest geht. So können Beobachter auch gleich mehrfach Augenzeugen der Materialbeschaffung werden, wenn sie etwas Glück mitbringen.

Umzug des Storchennestes wäre durchaus möglich

Ein Umzug des Storchennestes an eine neue Stelle könnte übrigens auch gut funktionieren. „Natürlich nicht jetzt in der Brutzeit!“, erklärt Hans Glader direkt. Allerdings wäre es durchaus möglich, dass Nest im Winter vom Vogelstand auf eine künstliche Nisthilfe in der Nähe zu setzen. Also etwa so, wie es den Schützen derzeit gedanklich vorschwebt. „Das könnte dann auch von den Störchen wieder angenommen werden“, sagt Hans Glader. Natürlich müsste für die Umsetzung so eines Planes auch der Kreis Wesel als Untere Landschaftsschutzbehörde mit ins Boot genommen werden, erklärt der Experte.

Jedenfalls steht einer friedlichen Koexistenz von Störchen und Schützen in Mehrum also zumindest in der Theorie nichts entgegen. Und vielleicht kann man in Zukunft im Rheindorf – neben dem Schützenfest – dann auch jeweils den neuen Storchennachwuchs feiern.

>>>Die Brutzeit der Störche

Die Brutzeit der Störche dauert von Anfang April bis Anfang August.

Etwa drei bis fünf Eier legen die Störche. Beide Partner brüten dann rund 30 Tage lang die Eier aus.

Die Küken bleiben etwa zwei Monate im Nest, bevor sie sich auf den ersten eigenen Flug begeben.

Für gewöhnlich bleiben Störche ihrem Nistplatz treu. Das Nest in Mehrum könnte also dauerhaft besetzt bleiben.