Dinslaken. Der MGV Concordia lebt die Tradition, der MGV Dinslaken-Feldmark hat sich neu erfunden
Ein Chorkonzert zwischen Tradition und Moderne erlebte das Publikum am Sonntag in der Kathrin-Türks-Halle. Die AG musischer Vereinigungen in Dinslaken brachte in Kooperation mit dem städtischen Fachdienst Kultur den MGV Dinslaken-Feldmark 1907 und den MGV Concordia des Bergwerks Lohberg 1916 für ein Gemeinschaftskonzert zusammen.
Zwei Vereine mit einer jeweils über 100-jährigen Geschichte, zwei Chöre, die sich in ihrer Ausrichtung deutlich voneinander unterscheiden. Denn während die Concordia unter der Leitung von Juri Dadiani vor allem die Erinnerung an die jüngere Vergangenheit – die Bedeutung des Bergbaus für die Region – sowohl mit altem erzgebirgischen Liedgut als auch mit den Neukompositionen ihres Sängers Reinhold Kämmerer hochhält, hat sich der MGV Dinslaken Feldmark in den letzten Jahren ein komplett neues Image verpasst.
Als Rockchor neu erfunden
Da stehen sie nun auf der Bühne und singen in bester mehrstimmiger Männerchor-Manier „Das Konzert beginnt“… Aber womit? Die Antwort hat der MGV-Vorsitzende Werner Claaßen seinen Sängern in den Liedtext geschrieben: „Mit dieser Musik bringt ihr es aufs Titelblatt der NRZ“. Chorleiter Stefan Büscherfeld wechselt am Flügel die Tonart – und Werner Claaßen rockt „Barbara Ann“. Rau, voluminös und sprühend vor Energie – die anderen stimmen mehrstimmig ein.
„Wann wurde aus Sex, Drugs & Rock‘n’Roll Laktose-Intoleranz und Helene Fischer“, sollte Claaßen im Verlauf des Konzerts fragen. Nun, es muss ja nicht sein. Und wie es anders geht, dafür ist ja jetzt Feldmark da. Der MGV, der sich als Rockchor neu erfand und in der Akustik-Coverband ParacetAmoll eine kongeniale Ergänzung fand.
„Lieber Rum trinken als rumsitzen“
Tote Hosen, Ärzte, Westernhagens „Freiheit“. Und auch der „Wellerman“ darf nicht fehlen. „Lieber Rum trinken als rumsitzen“, meint Werner Claaßen, Benjamin Claaßen macht den Vorsänger beim Shanty-Hit und die über 20 Sänger segeln im schwindelerregenden Wellengang stimmstark fest durch die Tonarten. Wie wohl sich Stefan Büscherfeld mit seinem sowohl personell wie musikalisch verjüngten Chor fühlt, spürte man bei einer der ältesten Nummern des Abends.
Bei „Lady in Black“ konnte sich Büscherfeld auf die Gitarren und den Bass von ParacetAmoll als musikalische Stütze verlassen und sich selbst so frei am Rockpiano austoben, dass ein wenig „Locomotive Breath“ den Uriah-Heep-Klassiker auf Touren brachte. Das Publikum konnte sich auch nicht mehr halten – sein „Aah-aah-aah“ hallte noch Minuten nach dem Ende des Songs durch den Saal.
Ein Friedenslied von Reinhard Mey
Angeheizt hat die Stimmung das Trio ParacetAmoll: Sänger und Gitarrist Markus Rühl, der stimmlich Härteres drauf hat als Guns ‘n’ Roses, Gitarrist Dirk Salzmann und Bassist Nils Christmann. Immer wieder stimmt Feldmark in die Refrains mit ein – da wird „Aloha Heja he“ zum rockigen Highlight – und das Publikum klatscht den Offbeat von allein.
Der MGV Concordia hält es da mit „I have a dream“ von ABBA etwas ruhiger. Dieser Männerchor jedoch trumpft mit einem besonderen Mitglied auf: einer aktiven Sängerin. Am Sonntag trat Kerstin Siewek solo vors Publikum und sang das in diesen Zeiten besonders aktuelle Antikriegslied „Der Wind geht allzeit übers Land“ von Reinhard Mey. Eine weitere Besonderheit des MGV Concordia ist das kompositorische Können innerhalb des Chores. Der Essener Reinhold Kämmerer arbeitete 35 Jahre unter Tage. Als Rudi Cash schreibt und produziert er Lieder über die Liebe zum Bergbau, die Werte der Kumpel und die Sorge, dass dies alles vergessen werden könnte. Der MGV Concordia des Bergwerks Lohberg hält die Erinnerung wach.
Und so treten nach dem Mundharmonika-Solo von Manni Müller in „Bajazzo“ und Kerstin Sieweks „The Rose“ sowohl die Concordia als auch Feldmark gemeinsam auf die Bühne und singen, begleitet von Juri Dadiani und Gabriele Kortas-Zens am Klavier und Stefan Büscherfeld an der Trompete das Steigerlied, das seit der letzten Woche immaterielles Kulturerbe der Bundesrepublik Deutschland ist.