Voerde. Kurz nach dem Kriegsausbruch ist Maryna Stratiienko aus ihrer Heimat geflohen. Sie hofft auf ein Kriegsende im Sommer und möchte zurückkehren.

Ein Jahr ist es her, dass der russische Präsident Wladimir Putin einen Angriffskrieg auf die benachbarte Ukraine startete, der bis heute anhält. Der Krieg hat bereits viele Tausend Menschen das Leben gekostet und Putin hat erst bei einer Kundgebung am vergangenen Mittwoch im Moskauer Luzhniki-Stadion den Eindruck erweckt, dass er keine Absicht hat, seine Truppen zurückzuziehen. Eine der vielen Menschen aus der Ukraine, die vor dem Krieg geflohen sind, ist Maryna Stratiienko, die zunächst bei Pia Awater und Kevin Rüß in Spellen untergekommen ist und mittlerweile eine eigene Wohnung in Friedrichsfeld hat.

Es sei kompliziert gewesen, nach Deutschland zu kommen, sie habe insgesamt fünf Tage gebraucht, erzählt die Ukrainerin in gebrochenem Englisch. Stratiienko ist zunächst mit einer Freundin und deren Sohn gereist, die Verwandte in Löhnen haben.

Awater und Rüß hatten sich beim Rathaus gemeldet, um ukrainischen Geflüchteten Hilfe anzubieten, „dann kam es aber doch durch private Kontakte zustande. Sie war zunächst nicht so glücklich, dass sie in Voerde gelandet ist, weil sie aus einer Großstadt kommt“, sagt Pia Awater. Die aus Odessa kommende Stratiienko musste sich zunächst an die ländliche Gegend gewöhnen.

Kriegsausbruch war ein Schock

Die aus Odessa kommende Stratiienko musste sich zunächst an die ländliche Gegend gewöhnen. Zu Beginn des Krieges habe sie gehofft, dass dieser schnell vorbei sei, doch immer mehr Menschen hätten die Ukraine verlassen. „Es war ein Schock. Wir haben gedacht: ,Das ist nicht möglich’. Vielleicht gab es ein Missverständnis, aber als klar war, dass Krieg herrscht, haben wir geschaut, wie wir wegkommen.“

Auf die Frage, ob ihr das Leben in Deutschland gefällt, sagt die 38-jährige: „Ja und nein“. Nein, weil sie die Sprache nicht spreche und es schwer sei, mit den Leuten zu kommunizieren. Ja, weil sie sehr gut aufgenommen worden und bei den „richtigen“ Leuten untergekommen sei. Außerdem seien die Menschen, die ihr begegnen, sehr freundlich zu ihr.

Vorurteile über Deutschland

Ursprünglich habe sie gar nicht nach Deutschland gewollt, weil sie viele Vorurteile hatte, zum Beispiel, dass alles sehr streng sei und die Leute nicht lachen würden, aber mittlerweile möge sie es, in Deutschland zu leben. „Sie musste durch eine harte Schule gehen. Wir sind hier auf dem Dorf. Sie wurde von vornherein überall mit hingeschleppt, zu jedem Schützenfest und auch zum Karneval, da hat sie sich unfassbar gut gemacht und wurde auch sehr gut aufgenommen“, sagt Pia Awater.

„Für uns war das dann auch eine Entlastung, weil unsere Freunde jetzt auch ihre Freunde sind.“ In der Ukraine habe sie ein gutes Leben gehabt. „Ich hatte alles: Familie, Freunde, Arbeit, eine Wohnung, keine Probleme. Es war ein leichtes Leben“, erklärt Stratiienko.

Ihre Arbeit habe sie glücklicherweise behalten können. Sie ist in der Planungsabteilung eines Unternehmens tätig, dass Streaming-Boxen herstellt, und kann im Home Office arbeiten. „Ich bin stolz, dass mein Unternehmen weitergemacht hat. Es ist schwierig, weil die Leute oft in die Bunker und stoppen müssen. Dann ist es nicht leicht, die Arbeit wieder aufzunehmen, aber ich hoffe, dass die Firma überlebt.“

Viel Kontakt zur Familie

Kontakt zu ihrer Familie hat die Geflüchtete mehrfach täglich. Sie hoffe, dass der Krieg im Sommer beendet sei und sie dann in ihre Heimat zurückkehren könne. „Vielleicht läuft es aber auch anders.“ Im besten Fall würden Awater und Rüß im Sommer zusammen mit ihr in die Ukraine reisen. Sie frage ihre Familie öfter, ob sie nach Deutschland kommen könnten, was aktuell aber nicht möglich sei. Wenn sie ihre Familie nach Deutschland holen könnte, würde sie vielleicht auch hier bleiben. Stratiienko hat gerade angefangen, einen Deutschkurs zu belegen. „Wenn ich gut deutsch sprechen kann, wird es einfacher, hier zu leben.“

Für Awater und Rüß war der erste Kontakt „aufregend, weil wir sie ja gar nicht kannten, aber es war irgendwie Schicksal, weil es von Anfang an total gepasst hat. Es war total entspannt, aber sie haben es uns auch einfach gemacht“, betont Awater. Rüß ergänzt: „Es war einfach, in den Rhythmus zu kommen und dass man sich auch wirklich gut versteht. Es hätte nicht besser für uns laufen können.“

Mitgereiste Freundin ist schon wieder in der Ukraine

Stratiienkos Freundin Katya ist allerdings im Juli wieder zurückgereist. „Ihr Mann musste da bleiben. Sie hatte Heimweh, weil sie auch den Kleinen noch hatte. Zu dem Zeitpunkt konnte man einschätzen, dass die Ukraine das mit den Bombenangriffen im Griff hat und sie ist dann über Moldawien zurück und mit dem Bus nach Odessa“, erklärt Awater.

Zu Beginn des Krieges habe Stratiienko beim Militär angefragt, ob sie helfen könne und bevor sie nach Deutschland kam gemeinsam mit anderen Frauen Tarnnetze geknüpft, doch als die Soldaten sagten, sie müsse ihre Heimat verlassen und sich von ihrer Familie verabschieden, wenn sie in den Krieg ziehen wolle, habe sie aus Angst abgelehnt.

Einige Freunde von ihr seien in den Krieg gezogen, doch von ihrem engsten Kreis sei glücklicherweise keiner gestorben, einige mussten jedoch ins Krankenhaus. Sie kenne aber einige Leute, die dem Krieg zum Opfer gefallen seien.

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