Mit Melvin Schulz genannt Menningmann als Bluesbär par excellence: Vintage Blues ‘n’ Roll frisch komponiert auf den Tisch.
Dinslaken Die Wandlung ginge in dem Moment vonstatten, in dem er das Jackett anziehe, meint Melvin Schulz genannt Menningmann. Dies war am Samstag im ausverkauften Saal des Ledigenheims Lohberg auf der einen schwarz, auf der anderen Seite mit Goldfäden bestickt. Magie? Show? Fest steht: Wer den Dinslakener Melvin Schulz hier in der Stadt als „Stolperknaben“ - verabscheuender Sidekick von Roland Donner bei „Das Maaß ist voll“ - oder als Interpret seiner Indierock-Balladen zur eigenen Begleitung am Keyboard und der Gitarre kennt, hat zwar auch die rauchige Stimme des ausgebildeten Sängers durchaus im Ohr.
Aber der Melvin Schulz genannt Menningmann, der der Sänger und Frontman der Bluesanovas ist, ist ein anderer. Ein Entertainer, der auf die Bühne kommt und - „Ladies and Gentlemen“ - den rhythmisch-musikalisch sprechenden Conférencier gibt, als sei er die Reinkarnation von John Belushi. Ein Rock ’n’ Roll-Performer, mit gekipptem Mikroständer und Hüftschwung. Einer, dem der Schmerz des Blues ins Gesicht geschrieben steht, weil man diese Songs von verlassener Liebe und sich leerenden Gläsern nicht einfach nur singen, sondern in diesen Momenten auch durchleben muss.
Auf den Leib geschneidert
Bei den Bluesanovas hat Melvin Schulz genannt Menningmann nach Musikstudium und Musicalerfahrung - das handwerkliche Rüstzeug für die Professionalität der Show - die Rolle gefunden, die ihm auf den Leib geschneidert ist wie das schwarz-goldene Jackett: Er ist der Bluesbär zwischen „Bass, besser, der Beste“ Moritz O’Swald, dem „Tequila Sunrise unter den Gitarristen“ Filipe Henrique, den „süßen Typen, den jede Band braucht, die etwas auf sich hält“ Philipp Dreier (Drums) und Nico Dreier, den Melvin im Vergleich zu den anderen Bandmitgliedern sehr schlicht und sachlich vorstellt: German Blues Award 2021, bester Pianist.
The Bluesanovas elektrisieren. Was da knistert ist der Funkenflug zwischen den einzelnen Musikerpersönlichkeiten, die alle purer Rock ’n’ Roll sind. Es ist das Vintage-Flair, der Sound von Hammond-Orgel und Leslie-Lautsprecher, dessen beiden Schallhörner während des Konzerts in wechselnder Geschwindigkeit rotieren wie ein alter Deckenventilator. Der Hall, der den E-Gitarrensound so gleißend macht, dass er sich im Toaster-dicken 50er-Jahre-Mikrofon spiegeln kann. Alles Vintage, aber alles neu. Ein einziger Titel der gesamten zweieinhalbstündigen Show ist gecovert. Ansonsten haben „The Bluesanovas“ den Blues und den Rock ‘n’ Roll komplett für sich neu erfunden.
Vor Eric Clapton auf der Bühne
Die Jazz Initiative hatte die Münsteraner Band bereits beim modifizierten Jazz-Hopping im Rahmen der ersten Sommerkultur 2020 im Burgtheater eingeladen. Zuvor gaben The Bluesanovas als Halbfinalisten der International Blues Challenge in Memphis, Tennessee, ihr Dinslaken-Debüt bei „Das Maaß ist voll“ im Autokino. Inzwischen supporteten sie Eric Clapton bei seiner letzten Europatour im Sommer 2022 und es spricht für das gesunde Selbstvertrauen des Altmeisters, eine derartig starke Combo vor sich auftreten zu lassen.
The Bluesanovas bringen einen zurück in die Zeit, als der Blues und der Rock ’n’ Roll neu waren, frisch, unverbraucht, großspurig, spielfreudig, spontan und explosiv. Keine Retro-Patina, keine Polka-Dots-Mode, einfach nur Musik, die ins Blut geht. „Ladies und Gentlemen“, der Blues hat sich bestens konserviert in Jack Daniels und Herzschmerz und The Bluesanovas servieren ihn gerührt, geschüttelt und wenns sein muss auch geschunkelt. Tatsächlich lässt sich das Publikum beim Stück im Stil einer Elvis-Ballade drauf ein und hakt sich unter, als sei es auf einer Karnevalssitzung gelandet und nicht bei einem Abokonzert der Jazz Initiative Dinslaken.
Raue Bluestimme und weinende Gitarre
Dabei bieten The Bluesanovas musikalisch viel fürs anspruchsvolle Jazz Publikum. Filipe Henrique spielt eine exzellente Bluesgitarre. Sie jammert, sie weint, sie peitscht, tanzt und geht schließlich im Akkord-Tremolo über alle Saiten durch. Wenn das Plektrum nicht reicht, nimmt Filipe Henrique alle Finger der rechten Hand, um seine Fender aufschreien zu lassen.
Und dann übernimmt Nico Dreier. Hammond plus Leslie-Verstärker. Das ist alles vom sanft schwurbelnden Teppich für Melvin Schulz raue Bluesstimme und der weinenden Gitarre über vibrierende Soli bis zum Sound um des Sounds willen, wenn Dreier mit flachen Händen die Tasten clusterweise traktiert. Aber genauso häufig, wie er den Vintage-Sound bedient, dreht er sich im 45-Grad-Winkel zum Stagepiano und haut in die Tasten, als wolle er sie aus dem Kasten springen lassen. Wenn er seine Soli spielt, hat Bassmann Moritz O’Swald Pause. Dreier ist seine eigene Rock ’n’ Roll-Maschine und das Publikum tobt.
Die Band kommt wieder nach Dinslaken
Der einzige Coversong des Abends stammt von „jungen, aufstrebenden“ Willie Nelson, von den Bluesanovas instrumental begonnen in der Version von BB King. Melvin Schulz genannt Menningmann, der bislang zu jeder Erwähnung von Alkoholika in den Texten nur die Mineralwasserflasche erhoben hat, verlässt die Bühne und holt sich hinten im Saal ein Bier. Und fängt dann dort an, stimmgewaltig zu singen.
All seine Blues- und Soul-Modulationen, die er als studierter Sänger perfekt beherrscht. Und er singt weiter, während er zurück zur Bühne geht. Und erst da greift er auch wieder zum Mikrofon, dass er wegen des Soundeffekts nutzt und keineswegs, um sich von der Lautstärke her gegen die elektrisch verstärkten Instrumente seiner Bandkollegen durchzusetzen.
Nach zweieinhalb Stunden ist Schluss. Ein Trost für alle, die den Abend verpasst haben oder noch nicht genug bekommen haben: The Bluesanovas bestätigten am Samstag ihren Auftritt bei den Din-Tagen 2023.