Voerde. Florian Lützler kann mit seiner Stammzellenspende womöglich einem Schwerkranken in den USA helfen. Typisierungsaktion am 11. Februar in Voerde.
Das letzte Wochenende im Januar war für das Dreigestirn ein eher ruhiges: Das Trio, das der 1. Voerder Karnevalsverein (VKV) und die jecke Abteilung des MGV „Eintracht“ Spellen als gemeinsamen Repräsentanten für die ganze Stadt stellen, absolvierte genau einen Termin. Prinz Florian I. (Florian Lützler), Bauer Pippo I. (Petrick Markert) und Jungfrau Benny I. (Benny Sattler) besuchten am Samstag die Prunksitzung der KG „We sind wer dor“ in Eppinghoven. Dass sie am Wochenende nicht noch anderweitig in närrischer Mission unterwegs waren, hatten sie vorher selbst so entschieden. Der Grund war ein sehr ernster: Der Prinz des Voerder Dreigestirns hatte am frühen Montagmorgen einen wichtigen medizinischen Termin, auf den er entsprechend vorbereitet sein wollte. Florian Lützler wurde in einem Kölner Entnahmezentrum erwartet, um dort Stammzellen für einen schwerkranken Menschen zu spenden.
Zweimal täglich selbst gespritzt
Alkohol und Sporttreiben – der 27-Jährige spielt Handball – waren daher viele Tage vorher für ihn tabu. Im Vorfeld musste er sich morgens und abends selbst spritzen – insgesamt neunmal, das letzte Mal zwei Stunden vor dem Termin in Köln. Das Ziel dahinter ist, dass vermehrt Stammzellen produziert werden, die dann aus dem Knochenmark in den Blutkreislauf gelangen. Dadurch sei es möglich, sie später über den Weg der Blutabnahme durch Herauslösen zu gewinnen. Der andere Weg der Stammzellenspende führt darüber, Knochenmark unter Vollnarkose aus dem Beckenkamm zu entnehmen. Bei Florian Lützler gelang die Entnahme direkt aus der Blutbahn. Dreieinhalb Stunden dauerte das Verfahren.
Seit etwa vier Jahren steht der Spellener in der Stammzellspender-Datei der Stefan-Morsch-Stiftung. Die war bei einem Blutspendetermin in Spellen vertreten, den er an diesem Tag wahrnahm. Als es um die Frage ging, ob er nicht ein Röhrchen mehr von seinem „Lebenssaft“ abgeben wolle, ließ Florian Lützler sich nicht lange bitten. Seit seinem 18. Lebensjahr spendet er Blut, sein Vater hatte ihn damals mitgenommen. Seine Motivation, nun alle drei, vier Monate da zu sein: „Es gibt einfach zu wenig Blutkonserven.“ Hier oder bei den Stammzellen mit einer Spende zu helfen, ist für ihn „eine Selbstverständlichkeit“. Und schließlich könne auch jemand aus seinem Umfeld oder er selbst betroffen sein und Hilfe brauchen.
Vor knapp zwei Monaten erreichte Florian Lützler der Anruf mit der Frage, ob er zu einer Stammzellenspende noch bereit sei. Er erfuhr, dass er einer von drei weltweit registrierten Menschen sei, die in dem Fall in Frage kämen. Der 27-Jährige musste nicht lange nachdenken, er sagte zu. Mit dem wenige Tage später bei ihm auf dem Postweg angekommenen Blutentnahme-Set ging es zum Hausarzt. Ein Kurier holte am Tag darauf die Röhrchen ab. Mitte Dezember dann erfuhr Florian Lützler, dass er der geeignete Spender ist.
Spender und Empfänger dürfen sich in zwei Jahren das erste Mal treffen
Es folgten einen Monat später zahlreiche Voruntersuchungen. „Ich wurde einmal komplett auf den Kopf gestellt“, erinnert sich der Spellener: EKG, großes Blutbild, alle Organe wurden untersucht. Der Arzt machte ihm klar, wenn er jetzt unterschreibt, gibt es für ihn kein Zurück mehr. Denn an seiner Entscheidung hängt der Patient, der die Stammzellen dringend benötigt. Er muss informiert und auf die bei ihm anstehende Transplantation vorbereitet werden, indem er sofort in Isolation geht und eine „extrem starke Chemotherapie bekommt, die seine Stammzellen zerstört, damit er meine annehmen kann“, erklärt Florian Lützler. Bei dem Empfänger handelt es sich um einen 60-jährigen Mann aus den USA. Die Transplantation finde am heutigen Mittwoch statt.
Frühestens 14 Tage danach dürfte Florian Lützler einen Brief an die Stefan-Morsch-Stiftung senden, die das Schreiben dann an die Klinik weiterleitet, in dem der Patient versorgt wird. Dieser erhält es dann wiederum vom Krankenhaus. Der 27-Jährige möchte auf jeden Fall mit dem schwerkranken Mann in Kontakt treten – wann, das weiß er noch nicht. Sein erster Gedanke war, dass er vielleicht jemandem helfen kann. Jetzt ist es das Gefühl der Hoffnung, dass es am Ende so sein wird. Eine finale Aussage darüber, ob eine Heilung erfolgt ist, sei frühestens in zwei Jahren möglich, sagt er. Dann erst dürfen sich Stammzellenspender und -empfänger auch das erste Mal treffen, „wenn beide Seiten das möchten“.
Mit Facebook-Beitrag mehr als 11.000 Menschen erreicht
Der 1. Voerder Karnevalsverein hat ein Foto, auf dem Florian Lützler bei der Blutabnahme am Montag in einem Entnahmezentrum zu sehen ist, auf Facebook veröffentlicht. Ziel sei nicht, Werbung für den VKV zu machen, sagt dessen Vorsitzender Martin Scholz, sondern für die Stammzellenspende. Die Karnevalisten hoffen auf einen Nachahme-Effekt. Bis Dienstagmittag erreichte der Beitrag im sozialen Netzwerk mehr als 11.000 Menschen, berichtet Florian Lützler, für den der Karneval nicht zuletzt auch eine soziale Verpflichtung hat – was sich etwa darin ausdrückt, dass auch Kindergärten, Grundschulen und Seniorenheime besucht werden. Und: Am Rande des VKV-Maskenballs, der am Samstag, 11. Februar, in der Aula des Gymnasiums stattfindet, besteht für alle Interessierten im Foyerbereich die Möglichkeit, ab 18 bis etwa 21 Uhr an einer Stammzellenspenden-Typisierungsaktion teilzunehmen. Dafür werden Speichelproben genommen.
>>Info: Hintergrund
Die Stefan-Morsch-Stiftung ist nach eigenen Angaben Deutschlands erste Stammzellspenderdatei. Namensgeber ist Stefan Morsch, Sohn der beiden Gründer Hiltrud und Emil Morsch, bei dem als erstem Europäer eine Stammzelltransplantation mit einem nicht verwandten Spender durchgeführt wurde. Nach einem halben Jahr starb er an einer Lungenentzündung. Seine Idee, in Deutschland eine Datenbank für Stammzellspender aufzubauen, um anderen Leukämiepatienten eine Chance auf Heilung zu ermöglichen, sei mit der Gründung der Stefan-Morsch-Stiftung 1986 Realität geworden. Heute sucht und vermittelt sie Stammzellspender für Transplantationskliniken im In- und Ausland und koordiniert Stammzellentnahmen „in enger Absprache mit der transplantierenden Klinik“.