Hünxe. Hünxes Bürgermeister Dirk Buschmann zieht im NRZ-Interview eine Bilanz des Vorjahres und wagt einen Ausblick auf 2023.
Ein spannendes Jahr 2022 mit vielen Themen ist in der Gemeinde Hünxe zu Ende gegangen – und ein spannendes Jahr 2023 hat begonnen. Die NRZ stellte Bürgermeister Dirk Buschmann einige Fragen im Rück- und Ausblick.
Herr Buschmann, auch 2022 galt es für die Gemeinde Hünxe, Herausforderungen verschiedenster Art zu meistern. Welche war aus Ihrer Sicht die größte, am schwierigsten zu bewältigende – und warum?
Es gab aus meiner Sicht nicht ein großes, alles beherrschendes Thema. Vielmehr ist es die Vielzahl der Krisen, die wir gleichzeitig zu bewältigen haben. Das ist die größte Herausforderung. Energiepreise, Energiesparen, Wohnraum für Flüchtlinge, Investitionsstau, Personalmangel, Corona und eine Vielzahl neuer gesetzlicher Regelungen; all das beschäftigt uns akut. Viele dieser Themen waren im Jahr 2022 neu auf der Agenda und haben uns gehörig zu schaffen gemacht.
Wie fällt Ihr Fazit für das vergangene Jahr aus gemeindlicher Sicht aus?
Das vergangene Jahr hat uns allen viel abverlangt. Die zahlreichen, sich ablösenden und verstärkenden Krisen machen uns spürbar zu schaffen. Die Kolleg:innen in der Verwaltung fahren seit drei Jahren an der Belastungsgrenze; die Ausnahmesituation ist zum Dauerzustand geworden. Ich bin jedoch froh darüber und stolz darauf, ein starkes Mitarbeiterteam hinter mir zu wissen, auf das ich mich zu 100 Prozent verlassen kann. Auch das hohe Maß an Vertrauen, das die Vertreter der politischen Gremien der Arbeit der Verwaltung entgegenbringen, erfüllt mich mit tiefer Dankbarkeit. Das hohe Engagement der Gremienmitglieder, die Sachlichkeit und Offenheit in politischen Diskussionen zeigt mir, dass sich alle Beteiligten der Verantwortung für das Gemeinwesen und der Pflege der lokalen Infrastruktur stellen und diese mittragen. Dieser Zusammenhalt stimmt mich zuversichtlich, denn nur gemeinsam werden wir auch die Herausforderungen der Zukunft bewältigen können.
Eine enorme Baustelle innerhalb der Verwaltung ist die enge Personalsituation. Wie viele Stellen sind zurzeit insgesamt vakant und in welchen Fachbereichen ist es aktuell besonders eng? Ist (wie etwa in Dinslaken) auch das Bürgerbüro betroffen? Wie kann die Gemeinde gegensteuern?
Aktuell suchen wir Personal für alle Geschäftsbereiche. Besonders schwierig gestaltet sich die Personalbesetzung technischer Bereiche der Bauleitplanung, da in diesen Bereichen sowohl Kommunen untereinander als auch Betriebe der freien Wirtschaft im Wettbewerb um die Gunst der Bewerber stehen. Neu ist aber, dass die Schwierigkeiten aus dem technischen Bereich sich jetzt auch im Verwaltungsbereich zeigen und dort die Stellenbesetzung ebenfalls sehr schwierig wird. Im Bürgerbüro konnten zwar vakante Stellen bereits erfolgreich nachbesetzt werden, so dass die direkten Dienstleistungen gegenüber der Bürgerschaft in gewohnt guter Qualität erbracht werden können, aber auch dort müssen immer wieder Personalausfälle überbrückt werden. Forciert wurden die Personalengpässe in diesem Jahr durch eine außergewöhnliche hohe Ausfallquote wegen Krankheit, insbesondere im Herbst. Die Herausforderungen des Fachkräftemangels, des demografischen Wandels, der Digitalisierung und die steigende Wechselwilligkeit von Mitarbeitenden erschweren eine strategische Personalplanung. Wir bemühen uns, die Personalplanung in die Gesamtorganisationsstrategie, die Fachbereichsstrategien, die Organisationsentwicklung und die Auswirkungen der Digitalisierung von Prozessen in diese Planungen einzubeziehen. Die Bedarfsermittlung erfolgt dabei sowohl auf quantitativer als auch auf qualitativer Ebene. Das bedeutet, dass nicht lediglich ein mengenmäßiger Bedarf für die Zukunft ermittelt wird. Vielmehr werden auch die an die Aufgaben geknüpften Kompetenzen betrachtet.
Durch den Ukraine-Krieg suchen auch viele Menschen von dort in Deutschland Zuflucht. Wie sehen Sie die Gemeinde Hünxe für die Aufnahme dieser und anderer Flüchtlinge gewappnet? Wie lange reichen die vorhandenen Unterbringungskapazitäten?
Die Kapazitätsgrenze zur Unterbringung Schutzsuchender ist bereits erreicht. Die Unterbringung der Schutzsuchenden erfolgt aktuell sowohl in den vorhandenen kommunalen Übergangsunterkünften, als auch in angemieteten Wohnungen am freien Wohnungsmarkt. Die Errichtung weiterer Unterkünfte von bis zu 100 Schutzsuchenden an mehreren Standorten ist derzeit in Planung. Da die Zuweisungsquoten in Abhängigkeit zur Gesamtzahl der dem Land NRW zugewiesenen Schutzsuchenden variieren, lässt sich nicht sagen, wann die vorhandenen Kapazitäten erschöpft sind. Auch die Belegung von Sporthallen kann zukünftig leider nicht ausgeschlossen werden.
Kann der zusätzliche Bedarf an Kita- und Schulplätzen für Flüchtlingskinder aus der Ukraine gedeckt werden? Wie wird deren Integration in den Einrichtungen gewährleistet?
Die Unterbringung von Geflüchteten in Schulen und Kitas ist eine Jugendamtsaufgabe. Die Jugendamtsaufgaben der Gemeinde Hünxe werden durch den Kreis Wesel wahrgenommen. Gleichwohl sind wir mit dem Jugendhilfeträger in engem Austausch. Die zusätzlichen Bedarfe im Bereich Schule werden beispielsweise im Rahmen der interkommunalen Zusammenarbeit mit Schulen aus Dinslaken sichergestellt. Die Kapazitäten der Kitas sind bereits zum jetzigen Zeitpunkt ausgeschöpft.
Auch das Jahr 2022 war von der Pandemie geprägt, hinzu kamen der Ukraine-Krieg und jetzt die Energiekrise. Was hat Sie als Bilanz besonders beeindruckt? Gab es Lichtblicke oder nur Schatten?
Die Vielzahl der Krisen hat uns – wie bereits gesagt – viel abverlangt. Die Bereitschaft aller Beteiligten, mit anzupacken, hat mich dabei tief beeindruckt. Diese Erfahrung, dass wir die enormen Herausforderungen des letzten Jahres gemeinsam gemeistert haben, ist ein klarer Lichtblick und stimmt mich zuversichtlich, dass wir auch kommenden Herausforderungen standhalten können.
Welche Punkte stehen im neuen Jahr ganz oben auf der kommunalen Agenda? Welche Projekte möchten Sie realisiert sehen, welche mittel- oder langfristig?
Der Krisenmodus wird auch im neuen Jahr die kommunale Agenda bestimmen. Insoweit kann ich nicht absehen, inwieweit und welche Projekte in der nahen oder ferneren Zukunft realisiert werden können. Ich gehe jedoch davon aus, dass das Projekt um die Neugestaltung des Freizeitareals am Sportplatz in Bruckhausen fertiggestellt werden kann. Die ersten Schritte der Neugestaltung am Marktplatz Hünxe stehen ebenso auf dem Plan, wie die Planungen für die Ortskerne in Drevenack und Bruckhausen. Ebenso werden die Planungen für die Erweiterung des Schul- und Sportzentrums Hünxe konkretisiert. Darüber hinaus werden wir uns mit dem Ausbau und der Modernisierung des Wirtschaftsstandortes Hünxe beschäftigen.
Was treibt Sie angesichts der andauernden Krisen mit Blick auf 2023 am meisten um? Woraus ziehen Sie persönlich Zuversicht?
Sorgen mache ich mir vor allem um das Personal. Die Bewältigung der Dauerkrise belastet viele Kolleginnen und Kollegen und hinterlässt Spuren, viele gehen auf dem Zahnfleisch. Zuversichtlich stimmt mich jedoch, dass wir im Kollektiv immer wieder Lösungen finden konnten. Es haben sich Formate der Zusammenarbeit wie Videokonferenzen oder die Nutzung unseres Dokumentenmanagementsystems etabliert und zur Effizienzsteigerung beigetragen. Die Flexibilität und Leistungsbereitschaft des gesamten Teams – der Gemeindeverwaltung wie auch der Politik – stimmt mich zuversichtlich, dass wir auch zukünftige Krisen gemeinsam meistern werden.
Was ist - zum einen als Bürgermeister der Gemeinde Hünxe, zum anderen als Privatmensch - Ihr größter Wunsch für das neue Jahr?
Auch 2022 war wieder geprägt von Krisen und Herausforderungen. Das sollte uns vor Augen führen, dass ein Weihnachtsfest und ein Jahreswechsel in Frieden im Kreise von Familie und Freunden keine Selbstverständlichkeit sind. Wir sollten dankbar sein für unsere demokratische Grundordnung, den Frieden, den Wohlstand und das Recht, unsere Meinung frei äußern zu können. Für das neue Jahr wünsche ich mir, dass viele Menschen in der Gemeinde Hünxe und in ganz Deutschland diese Einsicht teilen. Darüber hinaus wünsche ich natürlich allen Gesundheit und Zufriedenheit.
Die Fragen stellte Peter Neier