Dinslaken. Dinslaken feiert in diesem Jahr 750-Jähriges. Die Stadterhebungsurkunde aus dem Jahr 1273 ist verschwunden - es gibt aber einen Ersatz.

Man schreibt den 2. August 1273. In der Kirche zu Kalkar wird Dinslakener Geschichte geschrieben, als Dietrich V., Graf von Kleve vor neun Zeugen, die Siedlung Dinslaken zur Stadt erhebt. In der „Geschichte der Stadt Dinslaken 1273 bis 1973“ von Rudolf Stampfuß und Anneliese Triller soll es sich bei Dietrich um den VII gehandelt haben. Was allerdings an verschiedenen Kuriositäten lag – gemeint ist ein und derselbe Mann, den auch Dr. Manuel Hagemann in seinem Aufsatz „750 Jahre Stadt Dinslaken“ im Jahrbuch des Kreises Wesel beschreibt. Seit dem Erscheinen der Stadtgeschichte sind 50 Jahre vergangen, die Forschung hat sich inzwischen weiterentwickelt und neue Erkenntnisse gebracht.

Da sage jemand, Geschichte sei verstaubt – nein, eigentlich ist sie eine Disziplin, die sich dank moderner Wissenschaft immer wieder neu erfindet. Fakt ist, dass Dinslaken schon längere Zeit vor der Stadtgründung eine Siedlung mit zahlreichen Häusern und einer Burg aufwies. Davon geht auch Hagemann aus. Dafür spreche neben manchen Punkten des Privilegs, die das Vorhandensein einer gewissen Einwohnerschaft voraussetzen, auch der Grundriss der späteren Stadt, so Hagemann. Gleichzeitig könne man die Meinung, dass es in Dinslaken ein Adelsgeschlecht gegeben habe, das auf Antonius von Dinslaken zurückging, ausschließen.

Der Herrscher über Dinslaken

Da stellt sich die Frage: Wer war nun der eigentliche Herrscher über Dinslaken? Für Dr. Manuel Hagemann kommen nur drei Akteure in Frage – die römisch-deutschen Kaiser und Könige, die Erzbischöfe von Köln oder die Grafen von Kleve. Belegt seien urkundlich bis 1263 noch Burggrafen, die regelmäßig in Dinslaken lebten, bis sie 1266 ins benachbarte Holten zogen. Für das Jahr 1267 ist Dietrich V., Graf von Kleve, als rechtmäßiger Herr über Dinslaken erwähnt. Also sei anzunehmen, so Hagemann, dass die Klever Grafen die Dinslakener Burgherren verdrängt haben.

Hagemann bezieht sich dabei auf die politischen Verhältnisse jener Zeit: Seit 1257 hatte das Land zwei miteinander konkurrierende Könige, wobei allerdings weder Alfons von Kastillien noch Richard von Cornwall wirklichen Einfluss hatten. Sollte Dinslaken also Reichsgut gewesen sein, wie einige Thesen andeuten, so was das Königtum kaum in der Lage, seinen Anspruch durchzusetzen.

Dann war da noch der Kölner Erzbischof Engelbert von Valkenburg, ein gewichtiger politischer Akteur, der jedoch mit den Kämpfen in Köln reichlich zu tun hatte. Seine guten Verbündeten – die Klever Grafen. Doch was heißt schon Verbündete, wenn es um Macht und Einflussnahme geht. Graf Dietrich IV., er starb 1260, hatte sein Reich zwischen seinen Söhnen Dietrich V. und Dietrich Luf aufgeteilt. Anders als vom Vater erhofft, führten die Söhne Streit miteinander. Einen der Streitpunkte, das sei aber noch nicht hinreichend geklärt, vermutet Hagemann im Erwerb von Dinslaken durch den Grafen Dietrich.

Dass die Stadt für den Klever eine Bedeutung hatte, sei daraus zu ersehen, dass sich Dietrich seit 1270 oft in der Burg zu Dinslaken aufhielt. Als sich die Anzeichen für eine neue Königswahl verdichteten, wollte Dietrich seine Rechte in Dinslaken verstärkt absichern. Das geschah am 2. August 1273 mit der Stadterhebung.

Übrigens war Dinslaken nicht der einzige Ort, der zur Stadt erhoben wurde, Wesel hatte bereits 1241 die Stadtrechte erhalten, 1250 folgte Grieth, Büderich, Orsoy schlossen sich an. Das Original der Dinslakener Stadterhebungsurkunde ist nicht erhalten. Die Dinslakener gingen wohl früher recht schluderig mit ihren Urkunden und Schätzen um.

Bestätigung im Jahr 1343

Beinahe wäre also das wichtigste Dokument der Dinslakener Geschichte für die Zukunft nicht mehr erhalten gewesen, wenn nicht Dietrich VII. von Kleve das Stadtprivileg am 3. August 1343 bestätigte und dabei wörtlich wiederholte. 1434 ließ die Stadt Dinslaken durch zwei Notare erneut eine Abschrift des Stadtprivilegs anfertigen, diese und eine weitere Abschrift im Stadtbuch sind bis heute im Stadtarchiv Dinslaken aufbewahrt.

Was aber war nun so wichtig an dieser Stadterhebung? Zum einen, schreibt Hagemann, dienten Städte mit ihrer Stadtbefestigung ähnlich wie Burgen der militärischen Festigung des Territoriums, also der Grafschaft Kleve. Durch das Stadtprivileg wurde ein neues rechtliches Verhältnis zwischen Stadtherrn und Bürgern geschaffen, von denen sich beide Seiten Vorteile erhofften. Die zahlreichen Vergünstigungen der Bürger sollten neue Stadtbürger anlocken, Handwerk und Wirtschaft sollten sich entwickeln außerdem konnten die Bürger auf Schutz bei kriegerischen Auseinandersetzungen hoffen. Zudem galt das Prinzip „Stadtluft macht frei“, das heißt, alle Menschen, die nun in der Stadt wohnten, ob freie oder unfreie, sollten von nun an frei sein, keiner persönlichen Abhängigkeit mehr unterliegen.

Auf der anderen Seite hatten die Stadtbürger auch Verpflichtungen gegenüber dem Klever Landesherrn: So mussten sie etwa sechs Wochen lang auf eigene Kosten dem Landesherrn Heeresfolge leisten, auch zur Landesverteidigung waren sie gezwungen. Des Weiteren wurde das bürgerliche Erbrecht eingeführt, Strafen bei Gewalttaten, den Schutz vor ungerechtfertigten Plünderungen, Zollfreiheit zu Wasser, Lande und auf dem Markt, Fischereirechte im Bruch, lediglich das Jagdrecht gehörte weiterhin dem Grafen, die Befreiung vom Zehnten und Steuern.

Neun Zeugen unterschrieben die Urkunde: Berthold, Herr von Ooy, Theodericus de Monumento (Mörmter bei Xanten), Theodericus de Vonderen (Vondern bei Oberhausen), Luzo de Honepol (Hönnepel bei Kalkar) und Albertus de Are (Traar bei Krefeld) sowie Everwinus de Goyterswich (Götterswickerhamm) und Hinricus de Hongese (Hünxe). Auch Dietrichs Bruder Dietrich Luf unterschrieb. Und nicht zu vergessen Theodericus, der Kleriker, der wohl die Urkunde verfasste.

Wohl ziemlich bald nach der Stadtgründung schaffte sich Dinslaken ein repräsentatives Stadtsiegel an. Das Siegel mit einem Durchmesser von sieben Zentimetern zeigt ein Stadttor mit einem hohen Turm, rechts und links eine sich anschließende Stadtmauer und jeweils einen weiteren Turm. Die umschrift lautet: „SIGILLVM BVRGENSIV(M) OPIDI IN DINCELAKE“ – Siegel der Bürger der Stadt Dinslaken.“