Dinslaken. Bis zum 2. Januar wird die Kathrin-Türks-Halle zum Varieté-Theater. Die Artisten zeigen ihr Können zur Live-Musik von Farfarello.
Ferdinand liegt im altmodischen Federbett und schnarcht. Die Bettlektüre, die er noch in den Händen hält, erinnert auffallend an die Programmhefte, die das Publikum in der Kathrin-Türks-Halle (KTH) in den Händen hält. Und tatsächlich: Bald tanzen die Showgirls ums Bett, ziehen Ferdinand den Träumer heraus und verwandeln ihn per Zaubertrick in Ferdinand den Clown. Von nun an erlebt er seinen Wintertraum im „Wintermezzo“: neun Varieté-Shows an sieben Tagen voller Artistik und Livemusik, produziert und inszeniert von Raoul Schoregge („Chinesischer Nationalcircus“) und veranstaltet von der Din-Event, die den Saal der KTH dafür mit Tischen und Stühlen in ein Varieté-Theater verwandelte.
Ein Feuer wird auf den Saiten entfacht
Als Ferdinand seinen Traum vom Clown-Sein verwirklicht, war der Abend bereits im vollem Gange. Was an der Liveband lag. Farfarello. Gegründet 1980, aber wenn Mani Neumann an der Seite von Ulli Brand (Gitarre) und Urs Fuchs (Bass) auf die Bühne stürmt und den Bogen auf den Violinsaiten tanzen lässt, hat man das wohl berechtigte Gefühl, als hätte es dieser Mann nicht abwarten können, endlich auf einer Bühne zu stehen. 120 Auftritte musste Farfarello im Jubiläumsjahr 2020 Lockdown-bedingt absagen („wir haben ein Album gemacht und einen Film gedreht, waren also beschäftigt, aber...“, so Neumann nach der Show).
In diesem Jahr ging es nun langsam wieder los, Farfarello tourte mit dem britischen Singer-Songwriter Julian Dawson. Und jetzt zum Jahresabschluss: das „Wintermezzo“ und der „Teufelsgeiger“ in dem einen seiner zwei Elemente, der Bühnenluft. Das andere ist zweifellos das Feuer, das er auf den Saiten entfacht.
Der Mann der 100 Gesichter
Farfarello bestimmen das Tempo und die Atmosphäre der Show: temperamentvoll, grenzenlos weltumspannend. Die Showgirls von La Bouche machen das Varieté zum Cabaret. Qing Qing (im „Chinesischen Nationalcircus“ die Chefchoreografin), präsentiert sich als die Herrin der 1000 Spielkarten, Tänzer Li Dongsheng im prachtvollen traditionellen chinesischem Kostüm als der Mann der 100 Gesichter.
Aus der Schweiz stammt Aude Cattin, die nicht nur mit Händen und Füßen Hüte jongliert, sondern auch mit Owen Winship“ (USA) auf dem Einrad Tango tanzt. Um Ringe und Reifen dreht sich vieles in der Show, es geht halt rund im „Wintermezzo“. Und dort ist Rachel Salzmann mittendrin. Die US-Amerikanerin ist Cyrradartistin, tanzt sie in ihrem sich drehenden Reifen, so scheint man die moderne Variante des vitruvianischen Menschen in einer 3D-Animation live auf der Bühne zu erleben.
Arisa dagegen ist zwar ein Mensch aus Fleisch und Blut. Aber wo sie ihre Knochen versteckt hat, bleibt ihr Geheimnis. Dabei belässt sie es nicht dabei, den Fächer beim Tanz elegant mit dem Fuß vor dem Gesicht zu halten. Mit dem Wechsel der Musik tauscht sie den Kimono gegen einfache, bequeme weiße Kleidung und vereinigt Kontorsion - die Kunst des Sich-Verbiegens - mit einem starken, expressiven Ausdruckstanz zur Live-Musik von Farfarello. Ein Highlight der Show ebenso wie ihr Pas-de-deux mit Norbi, dem englischen Jongleur und auch privaten Partner, da die Artistik hier weniger als Selbstzweck vorgeführt wird, sondern ganz selbstverständlich dem Ausdruck von Gefühlen dient.
Und zwischen all dieser athletischen Kunst und den musikalischen Motiven aus aller Welt, die Mani Neumann und Ulli Brand in ihren ganz eigenen Farfarello-Stil verweben, versucht sich Ferdinand in den unterschiedlichsten Varieté-Disziplinen. Tollpatschig, wie es sich für einen Clown gehört, aber letztendlich immer erfolgreich. Dann steht er Kopf, wenn er sein Instrument spielt und lässt sogar mit Spiegel und Glöckchen Menschen aus dem Publikum im Scheinwerferlicht Anteil am großen musikalischen Auftritt haben.
Bunt gemischt war das Premierenpublikum, jedes Alter war vertreten. Und es hatte spürbar Lust, sich gut unterhalten zu lassen und jeder Aufforderung, zu reagieren und mitzumachen zu folgen. Dass der Schlussapplaus dann ausnahmslos rhythmisch war, lag wiederum an Farfarello: das Trio gab mit Temperament und Virtuosität den Takt fürs „Wintermezzo“ vor: von der ersten bis zur letzten Sekunde.
Die weiteren Vorstellungen bis zum 2. Januar
Das „Wintermezzo“ wird bis einschließlich 2. Januar in der Kathrin-Türks-Halle fortgesetzt. Am Freitag, 30. Dezember und Samstag, 31. Dezember (Silvester) gibt es jeweils eine Show um 15.30 Uhr und um 19.30 Uhr. Am Neujahrstag, 1. Januar, öffnet sich der Vorhang um 18 Uhr und am Montag, 2. Januar, gibt es eine letzte Familienshow nachmittags um 15.30 Uhr. Tickets sind ab 28, 50 Euro über reservix.de erhältlich.