Dinslaken/Voerde/Hünxe. Jörg Sprengnetter ist diesmal nicht dabei, wenn die Weihnachtstrecker am Samstag durch Dinslaken, Voerde, Hünxe fahren. Das ist der Grund.

Jörg Sprengnetter fährt diesmal nicht mit. Wenn am heutigen Samstag die Bauern unter dem Motto „Ein Funken Hoffnung – ohne Bauern geht es nicht“ mit ihren weihnachtlich geschmückten Treckern durch Dinslaken, Voerde und Hünxe tuckern – dann hat der Agrar-Lohnunternehmer aus Voerde zwar die Organisation unterstützt. Aber er ist nicht mit dem Trecker dabei. Und zwar nicht, weil er nicht hinter dem Anliegen der Tour steht. Im Gegenteil.

Als die Bauern vor zwei Jahren erstmals ihre Landmaschinen mit Lichterketten, Weihnachtsmännern und Tannenbäumen geschmückt haben und durch die Region gefahren sind, herrschte Corona. Die leuchtenden und blinkenden Trecker sollten ein bisschen Freude und Hoffnung zu den Menschen bringen. Natürlich aber wollten und wollen die Bauern auch auf ihre eigene Situation aufmerksam machen.

„Die Leute haben das Geld nicht mehr, um diese regionalen Produkte zu bezahlen“

Mit Beginn der Coronapandemie, als Grundnahrungsmittel wie Mehl knapp wurden, haben sich die Hofläden zwar über steigende Absätze gefreut, erinnert sich Sprengnetter. Das aber habe sich heute schon wieder erledigt: Die Nachfrage nach regionalen Produkten habe während des Ukrainekriegs abgenommen. Allerdings nicht wegen mangelnden Interesses – sondern „aufgrund der gestiegenen Lebenshaltungskosten“, vermutet Sprengnetter: „Die Leute haben das Geld nicht mehr, um diese regionalen Produkte zu bezahlen.“ Sprengnetter ist selbst Familienvater. Die gestiegenen Lebenshaltungskosten bedeuten auch für seine Familie eine Mehrbelastung von 300 Euro im Monat. Die Aufforderung, die Menschen am Zugrand mögen doch bitte regional kaufen, greife daher zu kurz. „Wenn das Geld nicht da ist, wie sollen sie das dann machen?“ fragt er.

Jörg Sprengnetter (re.) bei einer Aktion der Landwirte in Voerde-Friedrichsfeld.
Jörg Sprengnetter (re.) bei einer Aktion der Landwirte in Voerde-Friedrichsfeld. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Auch für die Landwirte steigen die Kosten

Das Problem sei, „dass auch für Landwirte die Produktionskosten steigen,“ so Sprengnetter. Für den Liter Diesel habe er im vergangenen Jahr 60 Prozent weniger gezahlt. Bei 15 bis 20 Liter, die ein Schlepper in der Stunde verbrauche, „ist das eine Steigerung, die sich in der Produktion niederschlägt.“ Teurer Strom, teures Gas machen sich ebenfalls bemerkbar – „Schweineställe müssen beheizt, Futteranlagen betrieben werden“. Auch eine Melkanlage beim Milchbauern „läuft nicht mit Luft“. Die Betriebe in Deutschland seien hoch technisiert, so Sprengnetter, „aber dafür braucht man eben Energie.“ Die Photovoltaik-Anlagen, die viele Höfe längst auf den Dächern hätten, genügen da nicht.

Hinzu kämen steigende Lohnkosten, die etwa die Gemüsebetriebe belasten. Es sei nicht etwa so, dass den Erntehelfern „niemand den Mindestlohn gönnt. Das Problem ist nur, dass das auf den Endverbraucher umgeschlagen wird“. Und der kaufe dann statt der teuren, vor Ort produzierten Erdbeeren die aus dem Ausland importierte Billigware beim Discounter.

Vor allem die Existenz kleinerer Höfe sei gefährdet, so Sprengnetter. Die großen Betriebe können Ausfälle eher kompensieren: über die EU-Prämie etwa, die sich nach der Fläche richtet.

Die Politik sei gefordert

Andere Länder, wie etwa die Schweiz, würden Abgaben auf importiertes Gemüse erheben, um die eigene, teurere Saisonware zu schützen. Die deutsche Politik aber „verteufelt die gute konventionelle Landwirtschaft und belegt sie mit immer mehr Auflagen“ wie etwa der, weniger zu düngen, so Sprengnetter. „Wenn aber eine Pflanze aufgrund der gesetzlichen Vorgaben 20 Prozent weniger Dünger zur Verfügung hat, als sie eigentlich bräuchte, dann hat man auch weniger Ertrag. Dann muss der Pflanzenschutz maschinell betrieben werden, aber das kostet wieder mehr Diesel.“ Und es „kann nicht jeder auf Bio umstellen“. Dafür müsse einfach ein „gewisses Grundkapital da sein“.

„Das, wofür wir vor Jahren angefangen haben, auf die Straße zu gehen, hat sich noch mehr verschärft,“ sagt der Voerder. Die Frage, ob die Weihnachtstrecker in diesem Jahr wieder rollen sollten, sei deswegen unter Landwirten durchaus kontrovers diskutiert worden. Viele Zuschauer am Rand der Züge hätten die „Erwartungshaltung, belustigt zu werden – und dann ist es wieder vergessen“. Sprengnetter ist aber nicht nach lustig. Die Versorgungssicherheit in Deutschland sei nicht mehr gewährleistet, die Bauern in Dinslaken, Voerde, Hünxe warnen vor einem „leisen Sterben der Bauernhöfe“. Der Politik, so Sprengnetter, sei „nicht bewusst, was da auf uns zurollt“. Aber nun sei sie am Zug. Und nicht er.

Das sind die Strecken am Samstag

Am Samstag, 17. Dezember, 17 Uhr, starten zwei Treckertouren, die später in Voerde vereint werden.

Tour 1 - Hiesfeld-Voerde: Start am Kreisverkehr Dickerstraße, dann Kirch-, Taubenstraße, An den Höfen, Kurt-Schumacher-, Hügel-, Sterkrader Straße, Jahnplatz (ca. 17.20 Uhr), Siegfried-, Küpper-, Hoch-, Krengel-, Karl-Heinz-Klingen-, Hans-Böckler-Straße, Neutor (ca. 18.30 Uhr), Bahn-, Wilhelm-Lantermann-, Bismarck-, Voerder-, Dinslakener-, Frankfurter-, Ahrstraße, Dammstraße.

Tour 2 - Hünxe-Voerde: Start an der Dorstener Straße, dann Alte Dinslakener Straße, Bensumskamp, Minnekenstege, Wilhelmstraße, Lanter, Dinslakener -, Hauptstraße Bruckhausen (ca. 17.45 Uhr), Wald-, Voerder-, Bruckhausener Weg, Hindenburg-, Bahnhofstraße Voerde (ca. 18.45 Uhr), Stein-, Dinslakener-, Friedrichsfelder Straße, Teichacker, Im Osterfeld, Bahnhof-, Frankfurter Straße, Breiter Deich, Oberer Hilding, Dammstraße, Storchennest.

Gegen19.30 Uhr fahren beide Touren vom Storchennest über den Deich, Lehmweg, Mehrumer-, Rhein-, Frankfurter-, Post-, Bülow-, Spellener-, Hugo Mueller-, Alte Hünxer-, Hans-Richter-Straße zum Welmer Weg. Auf dem Acker ist ein gemütlicher Ausklang.

Die Bauern bitten dringend, Abstand zu den Landmaschinen zu halten!