Voerde. Die Stadt Voerde möchte alle nicht hoheitlichen Aufgaben der Flüchtlingsbetreuung an einen Wohlfahrtsverband mit viel Erfahrung übertragen.
Die Stadt möchte bei der Betreuung von Flüchtlingen alle Aufgaben, die nicht in ihre Hoheit fallen, auf einen Träger der freien Wohlfahrtspflege übertragen. Die Verwaltung begründet ihren Vorschlag, der zunächst im Sozialausschuss Thema ist, mit einem „erhöhten Betreuungs- und Beratungsbedarf“. Dieser sei aufgrund der rechtlichen Regelungen durch den sofortigen Erhalt der Aufenthaltsgenehmigung bei den Flüchtlingen aus der Ukraine und den afghanischen Ortskräften bereits mit der Aufnahme in Voerde gegeben.
Knapp 500 Zuflucht Suchende
Zurzeit sind dort nach Angaben der Verwaltung 497 geflüchtete Menschen (Stand: 1. November) zu betreuen. Bei der Zahl derer, die in Deutschland Schutz suchen, sei eine „deutliche Steigerung“ zu erwarten: bedingt durch den Krieg in der Ukraine und die „vermehrten Aufnahmezusagen des Bundes“ für afghanische Ortskräfte.
Was die Verpflichtung zur Aufnahme von Flüchtlingen betrifft, stellt sich die Situation für Voerde aktuell so dar: Die Stadt muss noch 16 Personen ohne und 223 mit Wohnsitzauflage aufnehmen. Die Erfüllungsquoten liegen demnach bei 96,92 und 53,50 Prozent. „Diese ankommenden Flüchtlinge müssen durch die Kommune versorgt, untergebracht und integriert werden“, erklärt die Verwaltung in der Beschlussvorlage für die Politik. Somit würden Ressourcen benötigt für die Unterbringung, Versorgung mit Leistungen, die soziale Betreuung und Integration, die Sanierung und Instandhaltung der Bestände und die bedarfsgerechte Schaffung inklusive Freisetzung von Unterbringungskapazitäten.
Betreuungsquote: 249 Personen pro Vollzeitstelle
Aufgrund der hohen Zahl an Zuweisungen bedürfe es einer Anpassung in der Personalausstattung. Noch im Mai 2021 seien 261 Flüchtlinge zu betreuen gewesen. Dies habe einer Betreuungsquote von 130 Personen pro Vollzeitstelle für eine sozialpädagogische Fachkraft entsprochen. Jetzt liege der Schlüssel bei 1:249. Auch die Zahl der Unterkünfte, die es einzurichten und zu betreuen gilt, ist gestiegen: Waren es 2021 neben den vorhandenen Gemeinschaftseinrichtungen 51 angemietete Wohnungen im städtischen Bestand, sind es heute 88.
Die Verwaltung weist darauf hin, dass die Besetzung freiwerdender Stellen und darüber hinausgehender Bedarfe zeitnah nicht zu bewerkstelligen sei. Gründe: die schwierige Personalakquise und hohe Personalfluktuation. Ab 2023 würden bei der Stadt aufgrund von Verrentung und Arbeitsplatzwechseln weitere Stellen vakant. Die Verwaltung sieht nicht nur die Notwendigkeit „kurzfristiger Anstrengungen in der Nachbesetzung, sondern auch der Aufstockung des Personals“, um der Erledigung der Aufgaben gerecht werden zu können. Damit die bedarfsgerechte Betreuung der Flüchtlinge gewährleistet werden kann, möchte sie einen Träger der freien Wohlfahrtspflege mit ins Boot holen. Dieser soll alle nicht hoheitlichen Aufgaben in diesem Feld übernehmen. Die Punkte „Unterbringung und soziale Betreuung“ würden zusammengeführt und lägen in seiner Hand.
Umfangreiches Tätigkeitsfeld
In der Praxis hieße dies: Die Stadt zeichnet weiter für Themen wie die Leistungsgewährung, Krankenhilfe, das Konfliktmanagement zwischen Bewohnern und Anwohnern, die Erstellung der Benutzerordnung und die Ahndung von Verstößen dagegen verantwortlich, ist Schnittstelle zu Ausländerbehörde und Bezirksregierung. Der damit beauftragte Wohlfahrtsverband hätte ein umfangreiches Aufgabenfeld: Dieser würde sich unter anderem um die Belegung und Bereitstellung von Plätzen in Übergangswohnheimen in Abstimmung mit der Stadt kümmern, leerstehende Zimmer und Wohnungen wieder bezugsfertig machen, für das Beschwerdemanagement Anwohner/Nachbarn von städtischen Unterkünften beziehungsweise angemieteten Wohnungen zuständig sein, bei Konflikten zwischen Bewohnern schlichten, bauliche Anlagen und Inventar kontrollieren und überwachen, die Sozialbetreuung und das Umzugsmanagement in Händen halten. Zudem bedarf es nach Einschätzung der Verwaltung einer Koordinierungsstelle, die Ansprechpartner in Einzelfragen und zur Klärung allgemeiner Angelegenheiten ist.
Das Vergabeverfahren soll sich, so empfiehlt sie, wegen dort bereits bestehender Vernetzungsstrukturen auf einen Wohlfahrtsverband im Kreis Wesel beschränken. Dieser soll über eine breite Erfahrung in der Flüchtlings-, Migrations- und Integrationsarbeit verfügen und personell flexibel sein, um stetig auf sich verändernde Bedarfslagen unmittelbar zeitnah reagieren zu können. Aus Sicht der Verwaltung ist eine Betreuungsquote von 130 Geflüchteten pro Vollzeitstelle (1:130) anzustreben. Zudem soll der Wohlfahrtsverband im Sozialraum und in den sozialen Leistungs- und Gesundheitssystemen vernetzt sein sowie Erfahrung in der Gestaltung von gesellschaftlichen und sprachlichen Bildungsangeboten für Flüchtlinge haben. (P.K.)
>>Info: Sozialausschuss berät
Die aktuelle Situation bei den Flüchtlingszugängen ist während der Sitzung des Sozialausschusses ebenfalls Thema. Das Fachgremium tagt am Dienstag, 15. November, im großen Sitzungssaal des Rathauses. Beginn ist um 17 Uhr.