Hünxe/Kreis Wesel. Nutrias werden am Niederrhein zum Problem. Untere Naturschutzbehörde erteilt Sondergenehmigung zur Bejagung. Auch Bereich Tenderingssee betroffen.

„Meiner Einschätzung nach, kriegen wir dieses Problem nie wieder in den Griff“, sagt Peter Malzbender, Vorstandsvorsitzender des NABU im Kreis Wesel, und meint damit die stetig steigende Nutria-Population am Niederrhein. Es sei zurzeit nicht möglich, die Situation unter Kontrolle zu bekommen, meint er, zu schnell, gar exponentiell, soll sich die Population der Tiere entwickeln.

Nutrias sind hierzulande keine einheimische Tierart. Durch ihre frühe Geschlechtsreife, mehreren Würfen pro Jahr und dem Mangel an Fressfeinden vermehren sich die Sumpfbiber rasant. Sie sind reine Pflanzenfresser und leben am Niederrhein vermehrt an den Seen und Flüssen. Dort fressen sie große Teile des Röhrichtbestandes und werden dadurch zum Problem für die einheimische Tier- und Pflanzenwelt. Sie verzehren die Pflanzen bis auf die Wurzeln, sodass diese nicht mehr nachwachsen und berauben damit einheimische Vögel und Insekten ihrer Brutplätze. Die Untere Naturschutzbehörde erteilt nun Sondergenehmigungen für die Bejagung der Art, um den Bestand eindämmen zu können.

Problem für Tier- und Pflanzenwelt

„Die Frage nach der Populationsgröße ist schwierig zu beantworten“, sagt Alfred Nimphius, Obmann für Öffentlichkeitsarbeit der Kreisjägerschaft Wesel (KJS Wesel) gegenüber der NRZ-Redaktion, und erklärt weiter, dass die Tiere nachtaktiv seien und sich bis zur Dämmerung gut versteckt halten würden. Die Tiere würden aber nicht nur ein Problem für die heimische Tier- und Pflanzenwelt darstellen, sondern auch landwirtschaftlich gesehen, enorme Schäden anrichten, so Nimphius. „Ich habe selbst Maisfelder gesehen, auf denen Nutrias gelebt und gefressen haben. Da bleibt nichts mehr übrig und es sieht so aus, als würden Wildschweine dort hausen“, sagt der Obmann der KJS Wesel. Im Kreis Wesel seien dann im Jagdjahr 21/22 etwas über 2000 Nutrias erlegt worden, heißt es weiter.

Wildlebende Nutrias im Kurpark Hamm.
Wildlebende Nutrias im Kurpark Hamm. © WP | Hartmut Breyer

Peter Malzbender weist auch auf die Hochwasserschutz-Probleme hin, für die die Wohngewohnheiten der Nutrias immer häufiger sorgen würden: „Bei einer Größe von ungefähr 65 Zentimetern graben sie große Erdhöhlen auf der Höhe des Wasserspiegels und unterhöhlen dabei Uferböschungen.“ Bei Hochwasser würden die Uferböschungen dann unterspült und abgetragen werden, sagt er und dasselbe würde auch Deiche und Dämme betreffen.

Er erklärt: „Nutrias bauen ihre Gänge und Höhlen durch sie hindurch und bei Hochwasser können diese dann im schlimmsten Fall versagen und einbrechen.“ Auch er schätzt die Zahl der Tiere am Niederrhein auf mehrere Tausend. Sie vertragen keine Kälte, dadurch wäre die Nutria-Population früher, durch die im Winter länger anhaltenden Minusgrade, verhältnismäßig konstant geblieben, vermutet er. Malzbender erzählt weiter: „Im Winter ist es hier längst nicht mehr lang genug kalt. Wir sprechen hier von ungefähr minus zehn Grad. So eine längere Kälteperiode würden viele Nutrias nicht überleben, zumal auch viele Pflanzen eingehen würden und ihnen die Nahrung knapp werden würde.“ Durch die milden Winter würde es aber das ganze Jahr über genug Nahrung geben und die Population stetig wachsen.

Außenbereich Tenderingssee

Tobias Rösel, Jäger im Hegering-Hünxe, jagt im Außenbereich um den Tenderingssee. Er sieht am häufigsten Nutrias im „Bereich Schwarzer Weg, am Bach zwischen Lohberg und Hünxer Gebiet“, sagt er. Auch er habe von massiven Schäden auf Maisfeldern in der Umgebung gehört und erzählt: „Wenn den Tieren die Nahrung in der Wildnis zu knapp wird, weil sie alles abgefressen haben oder die Pflanzen bei kälteren Temperaturen eingegangen sind, weichen sie einfach auf Privatgrundstücke aus und fressen dort alles ab.“

Rösel erklärt, dass Nutrias nur mit Lebendfallen gefangen werden dürfen. Ein Grund hierfür sei zum Beispiel, dass so nicht fälschlicherweise andere Tiere verletzt oder getötet werden würden. Deshalb brauche man für die Jagd auf die Tiere nicht nur eine Sondergenehmigung der Unteren Naturschutzbehörde, sondern auch eine Schulung für die Jagd mit Lebendfallen, sagt er. Durch diese Voraussetzungen hätten bisher nicht viele Jäger die Befugnis zur Jagd auf Nutrias, meint Rösel: „Das erschwert die Eindämmung der Population natürlich.“

Er selbst bejagt die Art und verwertet sogar manchmal das Fleisch der Tiere. „Ich habe es selbst schon probiert und gegessen. Es ist Wild und es ist bio, regionaler geht es kaum und damit geht man mit dem Fortschritt und der Entwicklung der Zeit“, sagt der Jäger. In den Niederlanden wäre die Problematik mit der Nutria-Population noch deutlich größer als hierzulande, meint Rösel beispielhaft und erzählt weiter, dass es dort viele hauptamtliche Nutria-Jäger gäbe und Gerichte mit dem Fleisch der Tiere dort längst häufiger zu finden seien als hier.

Hintergrund

Nutrias, auch Sumpfbiber genannt, sind eine ursprünglich aus Südamerika stammende Art. Hierzulande wurden sie ab 1926 in Pelzfarmen gezüchtet, sind dann aus diesen ausgebüxt oder sind von Tierschützern befreit worden. Natürliche Fressfeinde, wie in ihrem Herkunftsland, haben die Tiere hier nicht. Sie werden bis zu 65 Zentimeter groß, dazu kommt ihr Schwanz mit einer Länge von 30 bis 45 Zentimetern. Die Tiere können ein Gewicht von acht bis zehn Kilogramm erreichen. Nutrias sind reine Pflanzenfresser und leben teils an Land und teils im Wasser. Sie sind im Alter von fünf Monaten geschlechtsreif, können drei bis fünf Würfe pro Jahr mit bis zu acht Jungen auf die Welt bringen. Wegen ihrer rasanten Verbreitung und dem Mangel an natürlichen Fressfeinden stellen die Nager eine Bedrohung für die heimische Pflanzen- und Tierwelt dar. Sie stehen auf der Liste invasiver und gebietsfremder Arten der europäischen Union, ihre Population soll eingedämmt werden.