Voerde. Etwa 200 Bürger kamen zum Infoabend der Initiative „Emmelsum-Biotop-Retten“ gegen den Logistikpark. Abstimmung in der Politik warf Fragen auf.
Im kleinen Ortsteil Spellen brodelt es. Über 200 Spellener, Emmelsumer und Friedrichsfelder strömten am Donnerstagabend ins Gasthaus Wessel, um sich über die Pläne zu einem neuen Logistikzentrum der Düsseldorfer Firma Greenfield und die Auswirkungen auf ihre Idylle zu informieren.
Die Initiative „Emmelsum-Biotop-Retten“ und die BIG Spellen wehren sich vehement gegen die Versiegelung und Bebauung von 180.000 Quadratmetern Gesamtfläche, zumal dafür ein einzigartiges Biotop mit einer Vielzahl an selten Pflanzen und Tieren verschwinden soll. Und sie kämpfen nicht allein. BUND, Extinction Rebellion, die in Dinslaken bereits das Logistikzentrum Barmingholten erfolgreich verhinderten, Grüne, Initiative Lippemündungsraum, Ortsbauernschaft Voerde, Hegering Voerde, Bürgerinteressengemeinschaft Rheindörfer Götterswickerhamm, Löhnen, Mehrum sowie der Nabu haben sich angeschlossen. Nun auch die Bürger – über 2100 Unterschriften konnte die Iniative „Emmelsum-Biotop-Retten“ bis Donnerstag sammeln.
Das ist der Hintergrund
Vor vielen Jahren hatte sich die Firma Hoogovens in Voerde (heutiger Nachfolger Trimet) angesiedelt. Das Aluminium-Werk wollte den Menschen etwas zurückgeben und ließ rund um ihr Werk ein naturbelassenes Gelände entstehen – als Ausgleich sozusagen. 1991 wurde das Unternehmen Hoogovens von den Vereinten Nationen für besondere Leistungen im Bereich Wild- und Naturschutz ausgezeichnet, die Urkunde wurde damals vom schwedischen König Carl Gustav überreicht.
Da sei es doch verwunderlich, dass heute, angesichts des Klimawandels, dies alles gekippt werden soll, so Mascha Gores (Grüne). Zumal Voerde den Klimanotstand ausgerufen hat und allen für den Klimaschutz tun wollte. Seit über 20 Jahren würde rund um den Emmelsumer Hafen gebaut, Natur zerstört, Gewerbeansiedlungen gebaut, so Johannes Pappas von der Biotop-Retten-Initiative, doch jetzt sei das Maß voll
Das ist geplant
75.000 Quadratmeter Logistikhallen, 750 Meter lang, 100 Meter breit, 12,50 Meter hoch, Parkraum für 420 Pkw, Raum für Lkw-Verkehr, in den Hallen sollen 2500 bis 3000 Container umgeschlagen werden, also zehn bis zwölf pro Tag, dafür sollen 500 bis 600 Arbeitsplätze geschaffen werden.
Für zehn 10 bis zwölf Container, fragt sich Günter Ladda (BIG Spellen), wie könne es sein, dass dafür so viele Arbeitsplätze entstehen würden? Und warum dann eine solch große Halle? Wie ist die Verkehrsführung gedacht? Fragen, auf die es bislang keine Antwort gegeben habe. Die Stadt profitiere von der Gewerbesteuer, habe es geheißen. Der Investor sitze jedoch in Düsseldorf, habe bislang noch keine Mieter für die Logistikhallen. Wer also profitiert wirklich von dem Logistikzentrum? „Für die Stadt hat die Ansiedlung keinen Mehrwert“, so Henning Kapp, stellvertretender Vorsitzender der Jagdgenossenschaft Voerde, „im Gegenteil, es ist ein Minderwert zu erwarten, denn der Steuerzahler zahlt die Zeche“ weil er für die Infrastruktur aufkommen müsse.
Auch Ingo Hülser (CDU) beantwortet die Frage nach dem Nutzen für Voerde mit einem „Nichts“. Das gesamte Gelände sei allerdings als Gewerbegebiet eingetragen, Hafen-affin sogar, das bedeute, dass keine „normalen“ Gewerbetreibenden sich dort im Raum Hafen Emmelsum ansiedeln oder ihren bestehenden Betrieb erweitern könnten.
Fragen zur Abstimmung
Hülser habe beim Planaufstellungsverfahren wie auch Jan Langenfurth (CDU) als Landwirt bzw. Jäger aus „Befangenheitsgründen“ nicht mitstimmen dürfen. Für ihn persönlich seien jedoch noch zu viele Fragen offen. Was er vom Abend mitnehme, sei die Bitte an die BIG Spellen und die Initiative Emmelsum-Biotop-Retten, dass diese doch in den Fraktionen Film und Argumente vortragen möchten: „Viele kennen das Gebiet gar nicht, wussten nicht von deren Wertigkeit und sollten dies aber in ihre Beratungen mit einfließen lassen.“ Bernd Benninghoff (FDP) und Greta Rühl (SPD) schlossen sich an. Sie hätten nicht gewusst, was auf sie zukommt. Worte, die Kopfschütteln bei den Anwesenden hervorriefen: „Wie kam es dann zu 27 Ja-Stimmen, zwei Nein-Stimmen und 12 Enthaltungen?“, wurde gefragt.
BIG und Initiative riefen dazu auf, am kommenden Dienstag um 17 Uhr auf dem Rathausplatz „Flagge“ zu zeigen, auch wenn der Punkt Logistikzentrum gar nicht auf der Tagesordnung stünde. Der Protest dürfe nicht nachlassen.
>>Hintergrund: das Biotop
Als wertvolles und schützenswertes Areal bezeichneten Kris Kuckhof (Hegering) und Günther Rinke (BUND) das Biotop. Steinkauz und Uhu hätten sich dort angesiedelt, ebenso Rebhuhn, Bussard, Kiebitz, seltene Falter, Insekten. Der Rotmilan, der selten in Deutschland anzutreffen sei, wurde dort gesichtet. Streuobstwiesen, Wildwiesen und Blühstreifen würden vom Hegering geschützt, der Wald biete mit seinem Totholz Rückzugsorte für Tiere. Darüber hinaus fungiere das Areal als Korridor für vom Rhein-Hochwasser bedrohte Tiere, die sich dorthin retten würden. Einige Arten stünden unter internationalem Schutz.
Außerdem sei der Wald bedeutsam für Voerde, das über wenig Wald verfüge. Gerade Mischwald spiele eine wichtige Rolle beim Klimaschutz. Alte Bäume nähmen viel CO2 auf, hätten zudem eine kühlende Funktion und dienen als Staubfänger. Der Waldboden wirke bei Starkregen wie ein Schwamm.