Dinslaken. Jacqui Naylor war zum vierten Mal zu Gast bei der Jazz Initiative. Vorab präsentierte Maika Küster ihre neue Band.

Es war ein wunderbarer Jazzabend, aber auch ein kleines Familientreffen. Im zweiten Konzert der Jazz Initiative Dinslaken im Rahmen der diesjährigen Sommerkultur im Burgtheater standen mit Jacqui Naylor und ihrem Quartett sowie Maika Küster mit ihrer neuen Band zwei Sängerinnen auf der Bühne, die nicht nur ihre herausragenden, charakterstarken Stimmen verbindet, sondern auch eine Beziehung zu Dinslaken. Maika Küster ist in der Stadt aufgewachsen, die in San Francisco lebende Jacqui Naylor hat hier so enge Freunde gefunden, dass sie diese als „Familie“ bezeichnet. Der Einladung der Jazz Initiative folgte sie bereits zum vierten Mal.

Lied für die eigene Hochzeit geschrieben

Familie und Freunde auch auf der Bühne. Jacqui Naylor und ihr Pianist Art Khu sind nicht nur als Songwriter-Team ein perfektes Paar, die beiden sind seit ein paar Jahren verheiratet. „Early and often - it’s time to celebrate“ schrieben sie sich selbst für ihre Hochzeit, nun kommt dem Lied in der Zeit nach Corona eine besondere Bedeutung zu. Die zwei Jahre ohne Touren nutzten die beiden nicht nur für Jacquis 11. Album, „The long Game“, sie streamten Konzerte „Home to Home“ aus ihrer Wohnung in San Francisco.

Eine Erfahrung, aus der Jacqui Naylor, wie sie sagt, nun auch auf der Bühne schöpft: „Wenn du den Bildschirm zwischen dir und deinem Publikum hast, musst du einen besonders starken Kontakt zu jedem einzelnen aufbauen. Das versuche ich nun auch verstärkt auf die Konzerte vor großen Publikum zu übertragen.“ Dass ihr und Art Khu dieses im Stream gelungen ist, zeigt, dass die monatliche „Home to Home“-Reihe parallel zu den Touren fortgesetzt wird.

Schwebende Harmonien und spannende Rhythmen

Live. Das bedeutet die spürbare Reaktion des Publikums. Vor allem aber auch die Interaktion der Musiker untereinander. Der Hamburger Bassist Phil Steen begleitet Naylor und Khu seit Jahren bei ihren Konzerten in Deutschland, hält den swingenden Groove, auf dem die Sängerin mit dem dunklen Timbre die Melodien frei fließen lassen kann. Stand in früheren Konzerten noch das „Acoustic Smashing“, Naylors verrückte Idee, die Melodie eines bekannten Hits über die Begleitung eines anderen zu singen, im Vordergrund, so beschränkte sich diese Technik, mit der sie bekannt wurde, am Samstag im Burgtheater auf die Kombination von „I feel good“ mit „I shot the Sheriff“. Die meisten Lieder des Abends waren Originalkompositionen von ihr und ihrem Mann. Und „Space Oddity“ und „Losing my Religion“ fanden ihre Eigenständigkeit voller schwebender Harmonien und spannenden Rhythmen und Gegenrhythmen durch das raffinierte Neuarrangement von Art Khu.

Nur einmal schwiegen die Trommeln

Die Rhythmen des Abends: ein eigenes Erlebnis für sich. Ele Howell (24), wuchs in Kalifornien auf. Schlagzeug begann er mit zwei Jahren, nahm später Klavier- und Kompositionsunterricht bei Art Khu, spielt derzeit bei Ravi Coltrane und Christian Scott. Howell kennt das Spiel seines ehemaligen Lehrers genau. Und das ermöglichte ihn im Burgtheater, sich nicht nur mit seinen Soli am Samstag den inoffiziellen Titel „Schlagzeuger der Sommerkultur 2022“ zu erspielen, er begleitete die Klaviersoli von Khu in der Weise, dass er sie punktgenau illustrierte und intensivierte. Nur einmal schwiegen auch seine Trommeln. Kurz vor Schluss, als Art Khu selbst seine Frau mit einem Intro überraschte. Eine klassische Rhapsodie auf dem Konzertflügel getragen von der Atmosphäre einer Sommernacht im illuminierten Burgtheater.

Ele Howell überzeugte beim Konzert mit Jacqui Naylor am Schlagzeug.
Ele Howell überzeugte beim Konzert mit Jacqui Naylor am Schlagzeug. © FUNKE Foto Services | Foto: Lars Fröhlich

Noch hell war es, als Maika Küster ihre neue Band in Dinslaken vorstellte. Die Sängerin und Songwriterin hat dem „weisen Panda“ adé gesagt. Ihre neue Formation arrangiert die leicht melancholischen und positiv eigenwilligen Lieder mit teils surrealen Texten experimentell mit synthetischen Sounds und auch einmal mit einer bogengestrichenen E-Gitarre. Maikas mit heller, leicht hauchender Stimme gesungene, fragil wirkende Lieder liegen - so ist das nun einmal im Musikgeschäft - derzeit voll im Trend.

Die Einflüsse des frühen Fusion und des Psychedelic verleihen Retro-Charme, schwerelose, jazzige Passagen wechseln sich ab mit dynamischen Steigerungen, die auch immer wieder in Zerstörung und Zusammenbruch enden. Auch hier reicht die musikalische Prägung weit zurück. Auf der großen Bühne der „Sommerkultur“ erinnerte sich Maika Küster an ihren ersten Besuch im Burgtheater als Kind: Sie sah die „Dreigroschenoper von Brecht/Weill“ (eine Aufführung der Burghofbühne im Fantastival 2002). Nicht nur eine musikalische Inspiration, sondern auch eine politische. Am Samstag widmete sie einen ihrer neuen Titel Rosa Luxemburg.