Dinslaken. Der neue Personentunnel wurde an den bestehenden im Bahnhof Dinslaken herangeschoben. Dafür wurden die Gleise herausgerissen. So geht es weiter.

„Bauarbeiten auf den Linien RE 49, RE 5 und RE 19“ – die Warnung, die in Dauerschleife über die Anzeigetafel am Bahnsteig des Bahnhofs Dinslaken flimmert, kann niemand lesen. Der Zugang ist gesperrt. Denn hier fährt nicht nur nichts. Hier ist auch nichts. Die Gleise sind herausgerissen. Ein Loch klafft dort, wo viele Jahre der Personentunnel endete. In Sichtweite: der neue Personentunnel, der seit Monaten in einer XXL-Baugrube neben den Gleisen gebaut wird. Und der nun an den alten Tunnel herangeschoben werden soll.

Ausbau vor 30 Jahren vereinbart

Vor 30 Jahren, im Jahr 1992, haben Deutschland und die Niederlande den Ausbau der Betuwe vereinbart. Der Bahnhof Dinslaken bekommt dafür ein viertes Gleis für den Güter- und Personenverkehr – und einen zweiten Bahnsteig, zu dem der neue Tunnel führen soll. Bis zum Bombenangriff im März 1945 gab es hier ebenfalls zwei Bahnsteige. Im Rahmen der Bauarbeiten grub die Bahn eine Reihe Relikte aus der Vergangenheit aus: Reste des alten Personentunnels, Gepäcktunnel und einen Ein-Mann-Bunker, vermutlich für den Fahrdienstleiter.

Seit Monaten können die Fahrgäste am Bahnsteig die Arbeiten beobachten. Jetzt aber versperren blickdichte Bauzäune zu ihrem Schutz die Sicht. Nur eine Gruppe Bahnmitarbeiter wartet an dem Loch, wo sonst der Zug nach Wesel einfährt. Viele sind jünger als die Betuwe-Pläne alt sind. Um 14 Uhr sollte es losgehen – einen Tag eher als erwartet. Eine Stunde später bewegt sich noch nichts. In der Baugrube ist Brotzeit.

Der 800 Tonnen schwere, 24 Meter lange Tunnel steht auf Schienen. Eine Hydraulikpresse soll über Zylinder das ganze Bauwerk anheben – und dann auf den mit einer Teflonschicht geschmierten Schienen in Position schieben. Für einen Kran ist der Tunnel zu schwer. „Eine solche Last bekommt man so gut wie nicht mehr eingehoben“, sagt Jan Niklas Swart, Abschnittsmanager bei der DB Netz AG. Unten in der Baugrube werden noch winzige Unebenheiten mit millimeterflachen Stahlplatten unter den Schienen ausgeglichen. „Rohbautoleranzen gibt es hier nicht“, sagt Swart, alles muss millimetergenau passen.

Am Freitag, 9. September, sollen hier wieder Züge fahren. „Kaum vorzustellen, wenn man das jetzt sieht, aber oberste Priorität bei den Planungen ist die pünktliche Wiederaufnahme des Bahnbetriebs“, meint Swart. Damit die Strecke schnell wieder freigegeben werden kann, wird sieben Tage die Woche rund um die Uhr gearbeitet. Fast alle Betonarbeiten für den Tunneleinschub wurden im Vorfeld erledigt – damit niemand warten muss, bis der Beton aushärtet. Nur der Spalt zwischen den beiden Tunnelstücken wird frisch gefüllt. Im Moment misst er allerdings noch etwa 30 Meter. Im Tunnel steht noch eine Cola, hängt noch eine Warnweste. Vor zwei Stunden sollte es losgehen. Nun werden noch einmal alle Zylinder überprüft. Ein Arbeiter wirft ein Werkzeug in die Grube, ein anderer holt einen ganzen Werkzeugkasten.

Neuer Bahnsteig schon erkennbar

Sobald der Tunnel an Ort und Stelle und der Beton ausgehärtet ist, wird die Grube verfüllt und die Schienen wieder verlegt. „Da sieht man schon die neuen Bahnsteigkanten,“ sagt Swart und weist auf eine Gruppe Betonstützen. Irgendein Graffitisprayer hat sich auch hier schon verewigt. Später soll auch zum zweiten Bahnsteig eine Treppe führen – und ein Aufzug. Nur die Ausstattung wird moderner – hell, gläsernes Dach.

In der Baugrube wird nun die Hydraulikpresse angeworfen. Es knirscht. Sehr langsam hebt sich der Tunnel vom Betonsockel. Zigmal werden die fünf Zentimeter nachgemessen. „Are you ready?“ brüllt einer von hinten. Der Tunnel bewegt sich. Etwa zehn Zentimeter pro Minute. Mit der Colaflasche und mit drei Stunden Verspätung. Die meisten Zuschauer haben zu diesem Zeitpunkt schon aufgegeben. Nur ein kleines Trüppchen Bahn-Mitarbeiter wartet noch. Was sind schon drei Stunden – nach einer Planungszeit von 30 Jahren?

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Die Bahnstrecke zwischen Emmerich und Oberhausen ist noch bis 9. September gesperrt.

Die Bahn überträgt das Geschehen auf der Baustelle am Bahnhof über zwei Web-Kameras. Einzusehen über emmerich-oberhausen.de/bauabschnitte/bauabschnitt-2.

Mehr Fotos von der XXL-Baustelle am Bahnhof finden Sie hier.