Dinslaken. Es war keine Überraschung, dass beim Sunnyside-Akustik-Konzert im Burgtheater Dinslaken am Ende viele nicht saßen, sondern vor der Bühne tanzten.

Bosse mit Band im Burgtheater. Lang ist’s her, sagt einer, der mit Freunden und kühlen Getränken auf einer Picknickdecke auf der Wiese vor dem Ententeich sitzt und auf die dahinterliegenden Mauern der Open-Air-Konzertstätte blickt. 2014 trat Axel „Aki“ Bosse zuletzt in Dinslaken auf, stellte damals im Rahmen des Fantastivals sein Album „Kraniche“ vor. Nun ist er auf Sunnyside-Akustik-Tour bei der Sommerkultur. Sonnig ist es an diesem Donnerstagabend zwar nicht, aber doch so sommerlich-warm, dass einige zum Zuhören „umsonst und draußen“ gekommen sind.

Im Burgtheater selbst sind dann aber doch noch ein paar Menschen mehr zu finden – obwohl nicht jede Reihe voll besetzt ist. Erst recht nicht, als Bosse die Bühne betritt. Denn da stehen so einige Zuschauerinnen und Zuschauer sogleich auf und jubeln. Eigentlich, so der Eindruck, würden sie gerne stehen bleiben und mit Aki tanzen. Doch der langsame Opener „Frankfurt Oder“ taugt eher zum Mitsingen im Sitzen. „Ich bin froh, dass du da bist“, schallt es durchs Rund im Burgtheater, immer und immer wieder.

Briefe, die zu Liedern wurden

Aki hat Lust zu erzählen. Von den Entstehungsgeschichten der Songs; von Briefen, die zu Liedern wurden (unter anderem „So oder so“ und „Vater“). Davon, wie froh er ist, wieder auf Tour und wieder in Dinslaken zu sein. Davon, dass heute Abend „alle Songs fast noch so sind, wie ich sie zuhause geschrieben habe“. Er sucht immer den Kontakt zum Publikum, das mittlerweile wieder weitestgehend sitzt. Reagiert auf Zurufe und schafft es so, dass der für seine Konzerte doch recht große Abstand zwischen Bühne und Publikum („Was hab‘ ich hier für einen Platz!“) gar nicht mehr so groß erscheint und tanzt – Akustikkonzert hin oder her – wie eben ein Bosse so tanzt. „Waldorfschule hat sich gelohnt“, sagt er. Beim zweiten Song „Alles ist jetzt“ werden die ersten Taschentücher umhergereicht. Nach dem dritten Song „Dein Hurra“ sagt Aki: „Boah, das ist jetzt schon ein schöner Abend!“ Und: „Wenn das so weitergeht, dann wird diese Akustik-Sache hier ja doch genauso anstrengend, wie die anderen Konzerte.“

Das Rund im Burgtheater war beim Bosse-Konzert gut gefüllt. Später standen viele auch unweit der Treppen vor der Bühne – dort lässt es sich nun mal besser tanzen.
Das Rund im Burgtheater war beim Bosse-Konzert gut gefüllt. Später standen viele auch unweit der Treppen vor der Bühne – dort lässt es sich nun mal besser tanzen. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Ein Bosse-Konzert ohne Tanz ist eben kein Bosse-Konzert. Und so stehen viele Leute auf, als die ersten Töne von „So oder so“ erklingen, das auf einem Brief basiert, den Bosse seiner Patentochter schrieb, als sie das erste Mal Liebeskummer hatte. „Ne, Moment!“, sagt Aki. Die Musik stoppt, das Publik hält irritiert inne. „Ich sag euch, wann ihr aufstehen könnt. Nicht, dass die Nachbarn hier nachher schimpfen, weil zu viel getanzt wird.“ Auf sein „Jetzt!“ erheben sich dann aber fast alle. In den Reihen wird getanzt und gesungen und gerade die aus der vordersten nutzen die Freifläche, die das Burgtheater ihnen bietet. Sie haben verstanden: Als „So oder so“ endet, wird erst laut applaudiert und sich dann artig wieder hingesetzt.

Das passt aber, denn nun wird es wieder ruhiger. Die Band – Martin Wenk (Trompete), Thorben Sander (Gitarre), Niklas Hardt (Cello) und Stefan Leon Lenkeit (Keyboard) – verlässt, mit Ausnahme von Viviane Essig (Gesang und als Bowie heute auch Vorband), kurzzeitig die Bühne. Bosse schnappt sich die Gitarre, die er, anders als das Klavier, „eigentlich gar nicht so richtig“ spielen kann, schließt die Augen und spielt und singt „Augen zu, Musik an“. Und im Anschluss auch noch das Lied „Vater“, bei dem wieder viele Taschentücher gezückt und Menschen liebevoll umarmt werden.

„Sperrstundenbedingt“ gibt es keine Zugabe

Nach der Band-Rückkehr erklingt „3 Millionen“. Der Song, mit dem Bosse 2009 der Durchbruch gelang, lässt das Publikum im Burgtheater sofort wieder aufstehen, tanzen und mitsingen. „Ja, ihr dürft“, sagt Aki wie zur Bestätigung. Und bittet es nachher auch nicht mehr darum, sich wieder zu setzen. Wahrscheinlich wäre die Aufforderung mittlerweile sowieso ignoriert worden. Und so ist es keine Überraschung, dass kurze Zeit später viele Reihen im Rund nicht mehr besetzt sind, weil die Leute vor die Bühne „aber bitte nicht auf die Stufen, wegen der möglichen Verletzungsgefahr“ wollen. „Ja, dann kommt“, sagt Aki und genießt die neue Nähe sichtlich. Sie tanzen „als wär‘s der letzte Tanz“ und wollen länger singen, als die Band spielt. „Du musst auf die Sänger achten“, tadelt Aki seinen Keyboarder im Spaß. „Hast du das etwa immer noch nicht gelernt?“ Mit dem Song „Kraniche“ endet das Konzert, im Rund des Burgtheaters und davor leuchten Handy-Taschenlampen auf. „Ich werde die Veranstalter gleich direkt fragen, ob wir bald wiederkommen dürfen. Es war echt toll bei euch, Dinslaken“, sagt Aki.

Viel Jubel und Applaus und trotz mehrfacher Rufe leider keine Zugabe – „sperrstundenbedingt“, wie Bosse sagt. Mehrere Zugaben hätten viele Besucherinnen und Besucher wohl gerne gehört. Es haben noch viele Songs gefehlt, sagen einige von ihnen, als sie nach Ende des knapp zweistündigen Konzerts zufrieden aus dem Burgtheater gehen. Vielleicht ja dann beim nächsten Mal...