Dinslaken. Helge Schneider war im Rahmen der Sommerkultur im Burgtheater - und bestens aufgelegt. Eine tolle Show zwischen Jazz und Humor.
„Dieses Mikrophon ist ein Mikrophon“: Wer solche Sätze singt und darüber improvisiert, kann nicht einfach nur irgendein ein gestandener Jazzer sein. Es gibt nur einen, der das musikalische Spiel mit den Worten derart sinnfrei sinnig perfektioniert hat: Helge Schneider. Am Dienstag amüsierte er sein Publikum zum dritten Mal in Folge herrlich bei der Sommerkultur in Dinslaken. Und nicht nur das. Er selbst war bestens gelaunt, locker und so voller Spielfreude wie seit Beginn der Pandemie nicht mehr.
„Ein Mann und seine Gitarre“ heißt das aktuelle Programm und es stimmt sogar irgendwie. Die Schneider-Show ist auf das Wesentliche reduziert worden, die Band auf ein Trio geschrumpft. Und das tut Helge Schneider gut. Denn nun kann er sich völlig frei zwischen seinen beiden Polen – dem Jazz und dem Humor – austoben und findet dort auf jeder Seite ein kongeniales Gegenüber, dem er blind vertrauen kann.
Kongeniale Mitspieler
Sandro Giampietro legt den gesamten Abend die Konzertgitarre nicht aus der Hand, der Gitarrist und Komponist, konzentriert sich hier ganz auf Vintage Jazz, (Gypsy-)Swing, etwas Latin – und Western. Letzteres zelebriert Schneider mit Cowboyhüten für alle.
Auf der anderen Seite, also genau genommen im 90-Grad-Winkel davon, entweder ganz im Hintergrund oder vorne am Bühnenrand, agiert Sergej Gleithmann. Kusselkopf mit Wallebart, Flügelschlag als „Meisenmann“, ein Violinensolo, das so jämmerlich jeglichen Klang vermeidet, das Geigenspiel, das das Publikum zum Weinen bringt, eine ganz greifbare Bedeutung erhält.
Mit Giampietro und Gleithmann an seiner Seite kann sich Schneider entspannt zurücklehnen und das machen, was er wie kein anderer kann: Teetrinken. Merkwürdige Cord-Anzüge tragen. Vor allem aber: Jazz-Comedy zwischen musikalisch versiert und textlich abstrus.
Schneider gendert auch weibliche Begriffe
Also los: „Der Wurstfachverkäuferin“ von 2003 wurde inzwischen von der Gegenwart eingeholt, Schneider setzt einen drauf und gendert auch weibliche Begriffe: Seiner „ominösen Omin“ widmet er „Das alte Klavier“, Kindheitserinnerungen an Wanheimerort, über die der Mülheimer zu seinem Dinslakener Publikum als Menschen aus der Nachbarschaft spricht.
Ist „Das alte Klavier“ ein Instrumentaltitel mit nur einem eingeworfenen Satz, so zeigt Schneider mit der Anmoderation von Duke Ellingtons „Mood Indigo“, wie motivische Arbeit in der Musik auf das gesprochene Wort übertragen klingt: „1972, als ich 17 war, also mit 17 Jahren“ wiederholt und variiert er und das Publikum lacht über das, was in der musikalischen Satztechnik völlig normal ist. Deutlicher wird diese verfremdende Übertragung von Musik auf Sprache bei der Improvistaion über sein Vibraphon: Gold, Holt vergol-det“.
Kostproben seines musikalischen Tausendsassatums bietet Schneider genug. Spielt Schlagzeug und Trompete, Klavier und, na ja, Kontrabass so, wie er englisch spricht, also „something comical“. Dafür pfeift er aber ein Solo als gebe er nun zu Sergej Gleithmanns „Meisenmann“ noch musikalisch den „Amselmann“.
Duracell-Hase am Vibraphon
„Katzeklo“ ist in einem Schneider-Programm unvermeidlich („Das Lied singen sie sogar in Japan allerdings mit einer anderem Text und einer anderen Melodie“), am Dienstag variiert er auch seinen größten Hit und hängt gut gelaunt Neues dran. Zu Frank Sinatra bietet er komödiantisches Vollplayback, am Vibraphon wird der „Tempomann“ zum Duracell-Hasen und als holländischer Schlagersänger gleicht er völlig falsch krakeelte Töne mit „100.000 Rosen“ aus.
„Ich hab unheimlich viel Spaß gehabt mit euch in diesem Staubloch“, verabschiedet sich Helge Schneider nach einer langen Sommernacht im pulvertrockenen Burgtheater. Der Spaß war auch ganz auf Seiten des Publikums.
Dieses bat Schneider beim Verlassen der Veranstaltungsstätte aus Rücksicht auf die Nachbarn ganz leise zu sein: „Zieht bitte gleich beim ‘Rausgehen auf der Straße die Schuhe aus“.