Dinslaken. Vor einem Jahr hat der Dinslakener Stadtrat die digitale Übertragung der Sitzungen beschlossen. Zu sehen war bislang: nichts. Das sind Gründe.

Wenn die Coronapandemie überhaupt eine positive Nebenwirkung hat, dann ist es der Digitalisierungsschub. Das Abstandsgebot erfordert andere Formen der Präsenz – in Schulen und auch in der Politik. Im November 2020 beantragten daher FDP und Linke, dass die Sitzungen des Stadtrates live übertragen werden. Die Inzidenz lag damals bei 170. Bis der Stadtrat den Beschluss im Sommer tatsächlich fassen konnte, verging etwa ein halbes Jahr – und die Inzidenz sank auf 3. Nun, knapp ein Jahr nach dem Beschluss – die Inzidenz im Kreis Wesel liegt aktuell über 400 – werden die Ratssitzungen immer noch nicht übertragen. Grund: Der Stadt Dinslaken fehlt nach eigenem Bekunden das Personal dafür.

Das ist der Hintergrund

Die Stadt, das hat der Stadtrat im vergangenen Jahr beschlossen, soll die DinEvent mit der Übertragung der Sitzungen beauftragen. Die städtische Tochter kann das nach eigenem Bekunden preiswerter leisten als externe Anbieter. Dort sollte die Übertragung pro Sitzung zwischen 5300 und 7900 Euro pro Sitzung – je nach Anzahl der Kameras – kosten. Das Angebot der DinEvent für dieselbe Leistung lag im Februar vergangenen Jahres bei 4700 Euro pro Sitzung. Hinzu kämen bei Bedarf die Kosten für einen Gebärdendolmetscher – und „noch nicht differenziert darstellbare Personalkosten für eine städtische Regieassistenz“, wie es damals hieß.

Das schreibt die Stadt

Genau diese Personalkosten verhindern die Übertragung nun offenbar. Denn der genaue Beschlusstext lautete, dass DinEvent mit der Übertragung beauftragt wird, „sobald die dafür erforderlichen technischen, personellen, rechtlichen und räumlichen Voraussetzungen“ vorliegen. Und die, so beschied die Stadt die FDP nun auf deren Anfrage, liegen eben nicht vor. Bislang habe die Stadt das Thema „ohne ergänzende Personalressourcen“ gestemmt, dafür seien Aufgaben im Bereich der Steuerungsunterstützung und Organisation zurückgestellt worden: „Das ist nicht mehr länger möglich. Eine nachhaltige Bearbeitung der Thematik wird nur mit der Schaffung ergänzender Ressourcen möglich sein“, schreibt die Stadt an die FDP.

Die Aufgabe soll vom neu zu schaffenden „Büro des Rates und der Bürgermeisterin“ mit bearbeitet werden, der Rat genehmigte dafür 2,5 Stellen zusätzlich. Doch auch, wenn diese Stellen besetzt sind, wird es wohl noch ein Weilchen dauern, bis Dinslakener Ratssitzungen daheim verfolgt werden können: Die Stadt verweist dabei auf das mittlerweile verabschiedete „Gesetz zur Einführung digitaler Sitzungen für kommunale Gremien“. Dafür seien nur zertifizierte technische Anwendungen zugelassen – „etwaige bereits eingeführte Lösungen“ dürfen dafür wohl nicht verwendet werden, das sei den Kommunen in einem Schnellbrief mitgeteilt worden, so die Stadt. Wann mit der Übertragung von Sitzungen begonnen werde, könne daher „nicht benannt werden“.

„Eine Frechheit“ - findet die FDP

Dass die Umsetzung des Beschlusses so lange dauert, sei „eine Frechheit“, findet FDP-Ratsherr Dennis Jegelka. Die Podiumsdiskussion des städtischen Kinder- und Jugendparlaments sei schließlich jüngst ebenfalls übertragen worden. Die FDP will nun von der Stadt wissen, was in den vergangenen Monaten unternommen wurde, ob die DinEvent überhaupt mit der Übertragung der Sitzungen beauftragt wurde und warum diese als eigenständige Gesellschaft nicht „selbstständig die Voraussetzung für das abgegebene Angebot“ schaffe.

Der Schnellbrief zum Gesetz befasse sich zudem „im Wesentlichen mit den Abstimmungen, nicht mit dem Livestream der Sitzungen“, so die FDP – die sich wundert, warum das Thema nicht im Digitalisierungsausschuss am morgigen Donnerstag (17 Uhr, Kathrin-Türks-Halle) behandelt wird.

So läuft es in anderen Kommunen

In einigen anderen Kommunen werden Ratssitzungen bereits übertragen. Dazu gehören etwa Gladbeck und Köln. Die Stadt Gladbeck, die mit 75.000 Einwohnern in etwa so groß ist wie Dinslaken, überträgt die Sitzungen des Stadtrates seit Sommer 2019. Der Auftrag wurde an einen externen Dienstleister vergeben, der einen „Komplettservice“ biete, also auch Technik und Personal stellt. Die Kosten liegen bei 8.000 Euro jährlich für vier Sitzungen – also 2000 Euro pro Sitzung.

Die Zuschauerzahlen: Die konstituierende Ratssitzung nach der Kommunalwahl im November 2020 wurde von 262 Bürgern live und von 110 Bürgern zeitversetzt gesehen, die darauf folgende Sitzung von 168 Bürgern live und 98 Bürgern zeitversetzt.

In der Domstadt sind Ratssitzungen bereits seit einem Jahr online zu verfolgen. Die dafür verwandte Technik soll nun zertifiziert werden, so die Stadt Köln.