Dinslaken/Voerde. Werner Schenzer und Mila Becker halten im Garten drei Zwerghühner. Ihr erstes Federvieh hatte beim Rassegeflügelzuchtverein Voerde sein Zuhause.
Für gewöhnlich lassen sich Helma, Hanni und Nanni nicht zweimal bitten, wenn Werner Schenzer sie mit Leckerlis anlockt. Es sei denn, ein ihnen Unbekannter, in diesem Fall ein Fotograf, tummelt sich ebenfalls auf dem Rasen. Doch dann ist es endlich geschafft. Diesmal gibt es Sonnenblumenkerne – quasi ein „Zubrot“ von Menschenhand zu dem, was die drei Zwerghühner im Garten in Dinslaken finden.
Das Trio gibt dem Leiter der VHS Dinslaken-Voerde-Hünxe und seiner Frau, Buchhändlerin Mila Becker, auch einiges zurück. Zählbar sind es „zwei Eier am Tag“. Nicht nur Enthusiasten wie die beiden Hühnerhalter, auch Freunde und Nachbarn finden: „Die schmecken ganz anders“, berichtet Werner Schenzer. Obendrein wissen er und seine Frau, was Helma (Zwerg-Australorp) sowie Hanni und Nanni (Zwerg-Wyandotten) – oder kurz „Helma und die Blytons“ – gefressen haben.
„Wenn es den Tieren gut geht – wunderbar. Und wenn dann ein paar Eier dazu kommen, ist es umso schöner“, sagt Schenzer. Für ihn ist es eine Freude, den Tieren beim Picken, Suchen und Scharren im Garten zuzusehen, deren teils unterschiedlichen Charaktere festzustellen. Hühner seien sehr quirlig, agil und neugierig. Dass nach dem emsigen Treiben von Helma und den Blytons „die eine oder andere Blume oder Pflanze im Garten nicht mehr da ist“, akzeptieren ihre Halter.
Werner Schenzer kam vor einigen Jahren eher unverhofft aufs Huhn: An jenem Tag, als sie mit einem Bücherstand beim Rassegeflügelzuchtverein (RGZ) Voerde vertreten war, hielt Mila Becker freudig einen Schlüssel in der Hand. Der war Türöffner zu einem Gehege mit etwa elf Barneveldern, erinnert sich Schenzer. Die Haltung habe so viel Spaß und Freude gemacht, dass das Paar die Tiere „nicht nur zwischen Tür und Angel“ sehen, sondern zu Hause haben wollte. Also schaffte es sich Zwerghühner an – maximal drei bis vier hält es seither im Garten.
Mit Rat und Tat zur Seite steht ihm der Rassegeflügelzuchtverein in Voerde. Dort gibt es etwa Hinweise zu Erkrankungen der Tiere oder zum Schutz vor Beutegreifern sowie regelmäßige Impftermine. Hühnerhaltung im eigenen Garten liegt im Trend. Der Einstieg ist dabei leichter, als man vielleicht denken mag. Bei einer Veranstaltung der VHS auf dem Vereinsgelände des RGZV gab es wertvolle Tipps von erfahrenen Hühnerhaltern: Informationen über Hühnerrassen, die Ausstattung des Stalls und das richtige Futter. Auch konnten sich die Besucher auf der Gemeinschaftszuchtanlage des RGZV noch einen Stall und verschiedenste Hühner anschauen.
Doch was bewegt die Menschen, tatsächlich sogar eher Frauen, dazu, wieder Hühner in den eigenen Garten zu holen? Was heute als Trend gilt, war in den 50er Jahren noch üblich. Einerseits mögen Lockdown und die damit verbundenen Kontaktbeschränkungen ein Grund gewesen sein. Auch der Tierschutzgedanke mag eine Rolle spielen. Haltungsbedingungen in Mastanlagen oder Legehennenbatterien, aber auch das Kükentöten haben den einen oder anderen zum Umdenken bewegt.
„Wir möchten, dass unsere Hühner im Garten ein Leben führen, das lebenswert und liebenswert ist“, bringt es Manfred Loick, Kreisvorsitzender des Verbandes der Rassegeflügelzüchter Wesel-Ost, auf den Punkt. Und deshalb füllt sich der Saal an diesem Vormittag auch zusehends. Viele Interessierte sind der Einladung der VHS Dinslaken-Voerde-Hünxe gefolgt, die die Chance nutzen wollten, von Profis Tipps und Tricks zu erhalten.
Zuerst lernt der Zuhörer Einiges über Hühnerrassen. Denn, so merkt man schnell, Huhn ist nicht gleich Huhn. Anhand von Bildern erklärt Manfred Loick, was die einzelnen Rassen ausmacht. Nicht nur verschiedenste Farbschläge, sondern auch Federn an Füßen oder auf dem Kopf machen den Unterschied. Das Rheinländer Huhn zum Beispiel ist schwarz gefiedert. Und Tatsache ist, dass schwarze Hühner seltener vom Habicht geschlagen werden, da sie aus der Luft wohl einem Krähenvogel ähneln. Damit eignen sich schwarze Hühner auch eher zur Freilandhaltung. Kurzbeinige Hühner scharren nicht so viel, wenn man darauf eher Wert legt. Denn, auch das muss Loick gestehen: „Grün ist, wo keine Hühner sind.“
Mit Geduld, Zeit und Leckereien bekommt man fast jedes Huhn zahm. Das Brahmahuhn ist ein besonders großer Vertreter seiner Art. Doch auch wer eher einen kleinen Garten hat, muss keine Abstriche machen: Nahezu jede Rasse gibt es im Zwergformat. Sie sind pflegeleichter und benötigen weniger Platz. „Die Intention des Vereins und vieler Mitglieder ist es, Rassen zu erhalten, die auf der roten Liste stehen, die also vom Aussterben bedroht sind.“ erklärt Jürgen Erlemann, zweiter Vorsitzender des Rassegeflügelzuchtvereins (RGZ) Voerde. Eben weil in industrieller Haltung eher Wert auf Profit gelegt wird und diese deshalb Rassen nutzt, die schnell viel Fleisch ansetzen oder als Legehybriden schon im Alter von wenigen Wochen besonders viele Eier zu legen.
Und welche Bedingungen stellt nun das Huhn an seinen künftigen Halter? Es braucht nicht viel: einen einfachen Holzstall, vielleicht eine abgetrennte Ecke im Gartenhaus, Sitzstangen, Legenester, die sich gerne mehrere Hühner teilen, eine Tränke und ein Futtergefäß. Und einen Auslauf, denn Hühner brauchen über zwölf Stunden Helligkeit, damit ihre Legeleistung nicht nachlässt.
Fragen zum richtigen Futter
Und dann kommen auch schon erste Fragen aus dem Publikum: Was füttert man am besten? Welche Einstreu für den Boden sollte man wählen? Welche Art von Sand für das Sandbad? Die Antwort der beiden Experten des RGZ Voerde, Jürgen Erlemann und Rainer Leske, eine gute Antwort: als Futter am besten Legemehl, aber auch Küchenabfälle sind gerne gesehen. Muschelstücke im Futter helfen, das Futter im Magen zu zerkleinern. Mit Brot sollte man sich eher zurückhalten, denn zu fette Hennen legen keine Eier mehr. Gehäckseltes Stroh eignet sich gut als Einstreu, da es die Feuchtigkeit gut aufnimmt. Und für das Sandbad nimmt man am besten Rheinsand, der nicht klumpt. Auch wer dachte, die Eierfarbe erkennt man an der Gefiederfarbe, wird hier eines Bessern belehrt: Hühner haben eine Ohrscheibe, an deren Farbe man die Farbe des Eis ablesen kann.
Sollten mit der Anschaffung der Hühnerschar doch noch Fragen auftauchen, kann man jeden Sonntag in die Alte Schule zum Züchtertreff kommen. VHS-Leiter Werner Schenzer hat diese Möglichkeit auch wahrgenommen. Dabei kam dann die gemeinsame Idee zustande, über die VHS die Türen für andere Interessierte zu öffnen. Auch die vierteljährige Impfung kann man über den Verein beziehen, dazu hängen die Termine im Schaukasten aus oder stehen auf der Homepage. Mit einem Kostenbeitrag von einem Euro sind die Kosten auch nicht sehr hoch.
Apropos Kosten: Neben dem, was für Futter und Unterhalt anfällt, muss man noch zehn Euro im Jahr einplanen, die man für die Hühnerhaltung bei der Tierseuchenkasse bezahlen muss. Aber das ist es doch wert, wenn man jeden Tag sein Frühstücksei selber sammeln kann. Und das sieht mit seinem orangefarbenen Dotter nicht nur besser aus, sondern schmeckt dann auch noch viel besser als Eier aus dem Supermarkt. Die Tiere aus industrieller Haltung bekommen Fischmehl zu fressen. „Unsere Hühner aber fressen das, was sie im Garten finden: Gras, Kräuter, Würmer“, erzählt Jürgen Erlemann.
Ob man nun einen Hahn halten möchte oder nicht, muss man abwägen. Der sorgt für Ruhe, beschützt und warnt seine Hennen. Nur er kräht eben auch. Dazu hat Loick ebenfalls einen Rat: „Ein Karton frischer Eier hat schon manchen Zwist am Gartenzaun besänftigt.“ Allerdings geht es auch ohne Hahn.
Nach dem Rundgang durch die Zuchtanlage des RGZV ist der informative Vortrag beendet. Der Kostenbeitrag wird an die Ukrainehilfe gespendet.