Dinslaken. Virtuelle Auftaktveranstaltung für den Kulturentwicklungsplan: Am Ende des vierstündigen Marathons standen erste Ergebnisse und Weichenstellungen
Wie kann sich die Dinslakener Kultur in den kommenden Jahren im Spannungsfeld zwischen demografischen Wandel und Inklusion, Klimaschutz und Digitalisierung positionieren, ihren Bildungsauftrag im Sinne des lebenslangen Lernens erfüllen und mit ihren Alleinstellungsmerkmalen, den Spielstätten, Traditionen und des kreativen Potentials und dem Engagement ihrer Akteure, die Leuchtkraft in der Region und darüber hinaus stärken? Dies sind die Fragen, die mit dem Kulturentwicklungsplan für Dinslaken im Verlauf dieses Jahres beantwortet werden sollen.
80 Akteure aus Kultur, Politik und Verwaltung nahmen teil
Am Freitag fand die Auftaktveranstaltung mit einer straffen Tagesordnung aus Vorträgen und Gruppenarbeit als vierstündige Zoom-Sitzung statt. 80 Akteure aus Kultur, Politik und Verwaltung schalteten sich zu, die Präsentation der Ergebnisse aus den Arbeitsgruppen verfolgten immerhin noch Dreiviertel aller Teilnehmenden an ihren heimischen Endgeräten. Ein spannender Prozess also, der da von Reinhart Richter und seiner Agentur angestoßen wurde und der sogar schon in der Auftaktveranstaltung zu greifbaren Handlungsempfehlungen und Weichenstellungen führte. „Ich bin begeistert“, resümierte Reinhart Richter. Er habe bereits in vielen Städten in Partizipation mit den lokalen Akteuren Kulturentwicklungspläne erstellt. Dabei hätte eine Auftaktveranstaltung „noch nie so einen so kreativen und erfolgreichen Ertrag wie heute“ erbracht.
Kulturszene ist stark aufgestellt
Was also machte den Zoom-Marathon so erfolgreich? Die Dinslakener Kulturszene ist stark aufgestellt, das steht außer Frage. Was sie braucht, ist Vernetzung, gebotene Gelegenheiten nimmt sie dankbar an. So auch hier. Obwohl die Arbeitsgruppen streng nach den Themenbereichen getrennt waren, die die Referenten vorgaben, wurde von den Teilnehmenden übergreifend gedacht. Und eben dies führte zu realitätsnahen Ergebnissen.
Die Reihe der Referenten eröffnete nach der Begrüßung durch Bürgermeisterin Michaela Eislöffel Maik Runberger aus der Verwaltung mit einem demografischen Zahlenwerk. Die Kernaussage: Der prozentuale Anteil der Menschen in Dinslaken über 65, darin vor allem der über 80 Jahren, wird in den kommenden Jahren steigen, ebenso der der Sechs- bis 18-Jährigen.
Barrierefreiheit und Unterstützung vor Ort
Gleich drei der übrigen fünf folgenden Vorträge boten Ansätze, auf diese Entwicklung zu reagieren: Es gilt, Strukturen zu schaffen, die die ältere Generation so lange wie möglich aktiv am Kulturleben teilhaben lässt, sei es durch Barrierefreiheit und Unterstützung vor Ort oder digitale Angebote speziell aus der lokalen Kultur. Bei diesen Hilfestellungen gibt es Überschneidungen mit den Bedürfnissen von Menschen mit Behinderung. Zugleich beinhaltet diese lebenslange Teilhabe an der lokalen Kultur auch lebenslanges Lernen, so VHS-Leiter Werner Schenzer in seinem Vortrag.
Wie sich die Möglichkeiten der Digitalität als Handwerkszeug auch in innerkünstlerischen Prozessen ausschöpfen lassen und zu neuen Formen der künstlerischer Gestaltung oder von Theaterinszenierungen in der virtuellen Welt führen können, zeigte Michael Eickhoff von der Akademie für Theater und Digitalität, Dortmund, auf. Digitale Tools bieten sowohl neue Möglichkeiten als Ausdrucksmittel wie als Medien der Vermittlung. Eine Spielwiese für Experimente, die gerade auch für Kinder und Jugendliche ein geschützter Raum sein kann, die eigene Kreativität mit den Werkzeugen der heutigen digitalen Welt auszuleben, aber auch den Umgang mit diesen neuen Möglichkeiten zu erlernen und sich auch über deren Grenzen und Gefahren bewusst zu werden.
Fahrpläne den Angeboten anpassen
Digitalisierung auf der einen Seite, Natur und Klimaschutz auf der anderen. In Dinslaken rannte die Transformationsmanagerin des Vereins Kulturraum Niederrhein Maike Beier offene Türen ein: In ihrer Arbeitsgruppe traf die städtische Stabsstelle Nachhaltigkeit auf die Initiative „ach so“. Zu den konkreten Arbeitsergebnissen gehörten die Forderung, Veranstaltungszeiten mit den ÖPNV-Fahrplänen zu vereinbaren sowie praktische Kulturangebote nachhaltig und klimafreundlich umzusetzen.
Die Stärken der Dinslakener Kulturlandschaft gebündelt zu präsentieren und damit die Stadt auch touristisch attraktiv zu machen, war schließlich das Thema der Arbeitsgruppe von Martina Baumgärtner, Geschäftsführerin der Niederrhein Tourismus GmbH. Vernetzung in der Stadt und nach außen: Eine Aufgabe, für die eine eigene Stelle in der Verwaltung geschaffen werden könnte, um das volle Potential Dinslakens auszuschöpfen.
„Das ist das, was man ideal erreichen kann“, freute sich Reinhart Richter am Ende einer Veranstaltung, die doch erst der Auftakt für kommende Arbeitstreffen war.
Eine Lücke klafft in der Stadtgesellschaft
Trotz aller Freude über die Auftaktveranstaltung. Auch wenn Michaela Eislöffel in ihrer Begrüßung deutliche Worte fand und die Coronapandemie mit ihren Auswirkungen als „gewaltige Krise“ für die Kulturschaffenden bezeichnete? Der demografische Wandel führt auch zu einem wachsenden Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund in der Stadtgesellschaft. Doch von diesen ist ein nicht unerheblicher Anteil offenbar unerreichbar.
Dr. Peter Theißen berichtete von Angeboten, die sich wegen mangelnden Interesses der Angesprochenen „totgelaufen“ hätten. Und noch drastischer formulierte Michael Eickhoff seine Erfahrungen, die er bei einem Filmprojekt mit Lohberger Jugendlichen machten: „Da hat die Minderheitengesellschaft sich schon über die Mehrheitsgesellschaft erhoben.“