Hünxe. Welche Folgen hat die Entwicklung der Lippe samt Aue im Kreis Wesel für Anlieger in Drevenack, Krudenburg und Gartrop? Fachkonzept vorgestellt.
„Wie sieht es mit dem Hochwasserschutz aus?“, „Wird die Lippe angehoben?“, Welche Ausgleichsmaßnahmen sind vorgesehen?“, „Wo werden die Ufer befestigt?“, „Werden Betroffene am Ende enteignet?“ – Für die Einwohnerfragestunde wurde die Sitzung im Ausschuss für Planung, Umwelt und Klimaschutz unterbrochen, denn viele Bürger, darunter Landwirte und Eigentümer aus Drevenack, Krudenburg und Gartrop wie etwa Wilhelm ten Huf, Alfred Schüring und Wolfgang Schüring, hatten sich zum Rathaus aufgemacht, um den Sachstand zum Fachkonzept „Entwicklung der Lippe und ihrer Aue im Kreis Wesel“ zu erfahren. Als Vertreter des Kreises Wesel bezogen Sonja Rothkopf und Klaus Horstmann sowie für den Lippeverband Dr. Mario Sommerhäuser Stellung.
Ausbauprogramme seit 1990er Jahren
Hintergrund: Zur Realisierung von gesetzlichen Anforderungen bezüglich des Gewässer- und Naturschutzes in der Lippeaue im Kreis Wesel müssen auch landwirtschaftlich genutzte Flächen sowohl temporär als auch dauerhaft in Anspruch genommen werden. Da die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinien, der Flora-Fauna-Richtlinien sowie der Landschaftspläne in diesem Bereich in den Händen verschiedener Zuständiger liegt, hat der Kreis Wesel gemeinsam mit Lippeverband, Biologischer Station, Landwirtschaftskammer und Rheinischem Landwirtschafts-Verband 2019 in Abstimmung mit dem zuständigen Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz und der Bezirksregierung Düsseldorf ein Fachkonzept erarbeitet, das als Grundlage für die weitere Umsetzung dienen soll. Ziel ist es, im Bereich der Lippeaue alle notwendigen Maßnahmen aufzuzeigen und zusammenzuführen. Der Flächenbedarf soll dabei „auf das notwendige Maß verringert werden“, heißt es.
Was wird an der Lippe gemacht? Wie geht es dem Fluss? Dr. Sommerhäuser nannte den Bereich von Hamm über Schermbeck und Hünxe bis Wesel (rund elf Kilometer) und verwies auf die Ausbauprogramme seit den 1990er Jahren, „heute ist das meiste grün“. Arten an Wasserinsekten hätten um das Elffache zugenommen, „wir haben 37 Fischarten, eine schöne Auenlandschaft und arbeiten an der Gewässerunterhaltung“. Biber, Fischotter, Eisvogel und Co. kehrten zurück.
Klaus Horstmann sprach von einem Minimalkonzept nach gesetzlichen Vorgaben. „Wir wollen zusammen mit allen betroffenen Landwirten und Eigentümern ein Planungskonzept für die nächsten 20 Jahre machen.“ Sonja Rothkopf sagte, 177 ökologische Maßnahmen seien erarbeitet, Flächen verortet und wasserwirtschaftliche und naturschutzrechtliche Belange übereinander gelegt worden. „Kritische Anmerkungen aus der Landwirtschaft wurden aufgenommen“, von ursprünglich 400 Hektar sei ein Flächenverlust von 85 Hektar übrig geblieben. „Wir wollen einen transparenten Prozess“, nach erfolgten Infoveranstaltungen in 2020 und 2021 für Kreis-, Ortsbauernschaft sowie Eigentümer fänden ab diesem Jahr („coronabedingt sind wir in Verzug“) weitere Gespräche statt.
Fragen von Ausschuss und Bürgerschaft
Fragen aus dem Ausschuss und von den interessierten Bürgern wurden von den Gästen geduldig beantwortet. „Hochwasserschutz ist uns wichtiger als Ökologie, alles wurde mit hoher Sicherheit berechnet. Die Auswirkungen des Projektes sind uns bewusst“, so Dr. Sommerhäuser. In Einzelgesprächen werde die Detailplanung überprüft, etwa zum möglichen Flächenaustausch. „Nichts ist in Stein gemeißelt. Eingriffe im Kreis Wesel werden auch dort wieder ausgeglichen.“
Das betroffene Lippegebiet samt Auenlandschaft erstreckt sich bekanntlich von der Autobahn A3 im Westen Schermbecks bis zur Kreisgrenze Wesel im Osten, es macht Schleifen auch in Gartrop und Krudenburg. Dort soll der historische Hafen wieder angebunden und aufgewertet werden, „damit er genug Wasser hat und nicht versandet“. Deshalb solle auch die Sohle der Lippe an einigen Stellen „geringfügig“ angehoben werden.
Klaus Horstmann sagte, die Zeitschiene für das gesamte Projekt sei noch offen: „Wir werden sukzessive an die Baustellen herangehen. Bis der erste Bagger rollt, kann es fünf bis sechs Jahre dauern.“ Auch die Finanzierung des Lippeauenprojekts sei gesichert, so Dr. Sommerhäuser. „Das Land zahlt, auch bei möglichen Folgeschäden.“ Und noch eine Antwort, auf die viele Besucher warteten: „Keiner wird enteignet, wir werden Lösungen finden.“