Voerde. Das aktuelle Buch des Bürgerhaus-Vereins erinnert an Kauf des früheren Militärgeländes durch die Vorläuferin der Wohnbau Dinslaken im Jahre 1921.

Das aktuelle Buch des Fördervereins Bürgerhaus Friedrichsfeld stellt Ereignisse in den Mittelpunkt, die sich 2021 zum 150., 100. oder 50. Mal gejährt und für den Ort eine große Bedeutung haben. Das zweite mehr als 70 Seiten lange Kapitel widmet sich der 1920 gegründeten Siedlungsgesellschaft für den Kreis Dinslaken und dem von ihr ein Jahr später getätigten Flächenkauf. Ohne die Vorläuferin der Wohnbau Dinslaken wäre das heutige Friedrichsfeld „nicht vorstellbar“, ordnet Fabian Merker, mit Heinrich Kruse Autor des Buches „2021 – Jahrestage in Friedrichsfeld“, zunächst ein.

In der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg, die von vielen Krisen geprägt gewesen sei, habe sie es verstanden, aus dem ehemaligen Militärgelände in Friedrichsfeld einen „Lebensort für die Zivilbevölkerung“ zu schaffen. Ausgangspunkt dafür war der Kauf des gesamten Truppenübungsplatzes, den die damalige Siedlungsgesellschaft am 20. Dezember 1921 vollzog. Damit habe sie den Grundstein „für das neue zivile Friedrichsfeld“ gelegt, heißt es in dem Buch, das im Dezember 2021 erschienen ist – also 100 Jahre nach dem Erwerb des 914 Hektar großen Areals. Dieses reichte von der Bahnstrecke Oberhausen-Wesel bis zu den Testerbergen und umfasste auch den heutigen Friedrichsfelder Ortskern, sagt Merker.

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Nach Ende des Ersten Weltkrieges durfte das Militärgelände nicht mehr als solches genutzt werden. Hintergrund: Gemäß dem am 10. Januar 1920 in Kraft getretenen Versailler Vertrag wurden das linke Rheinland und ein 50 Kilometer breiter Streifen östlich des Flusses entmilitarisiert. Dort durften sich keine militärischen Anlagen mehr befinden. „Die preußische Regierung forderte den Kreis Wesel dazu auf, das Gelände einer zivilen Nutzung zuzuführen“, erinnert Merker.

Satzungsgemäße Aufgabe der Siedlungsgesellschaft war es, im Kreis Dinslaken „Wohn- und Wirtschaftsheimstätten“ zu errichten und zu vergeben. Als Personenkreis wurden „Arbeiter, Handwerker, Kleinbauern, untere und mittlere Beamte sowie Angehörige der diesen gleichstehenden Berufsstände, insbesondere auch Kriegsbeschädigte, Kriegerwitwen und Kriegsteilnehmer“, zitiert Merker aus dem Beitrag „100 Jahre Wohnbau“. Der Kaufpreis für das Areal, das sich für den Bau von Mietwohnungen, Eigenheimen und die Ansiedlung von Handwerksbetrieben geradezu angeboten habe, lag bei 4,6 Mio. Mark – die Inflation habe hier ihre Auswirkung gezeigt.

Steinfabrik gegründet

Die Siedlungsgesellschaft richtete ihre Verwaltung in einem Anbau am ehemaligen Offizierskasino ein. Sie plante, das Material für ihre Bauvorhaben selbst herzustellen. Dahinter stand der Wunsch, unabhängig zu sein und die Kosten zu reduzieren, erklärt Merker unter Berufung auf eine Werbebroschüre von 1929. Zu diesem Zweck war im Jahre 1921 die „Niederrheinische Kunststein- und Preßplattenfabrik G.m.b.H.“ gegründet worden. Das Fabrikgebäude sei an der Hindenburgstraße (B8) nördlich der Kreuzung zur Alten Hünxer Straße errichtet worden. Das Baumaterial wurde im Wald am heutigen Kommunalfriedhof abgebaut. Die entstandene Grube sei später im Volksmund auch „Teufelskuhle“ genannt worden.

Kurz nach Gründung der Siedlungsgesellschaft schloss sich unmittelbar der Um- und Ausbau des Barackenlagers für die Flüchtlinge und Vertriebenen an, die dort untergebracht wurden. Es wurde bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs bewohnt – und dies, obwohl es nur als Übergangslösung gedacht gewesen sei. Daher wurde nach den ersten und einzigen baulichen Veränderungen „nicht weiter darin investiert“, erklärt Merker. Er beschreibt die schwierigen Wohnverhältnisse in Folge eindringender Erdfeuchtigkeit und des oft unerträglichen Aufenthalts unter den Teerdächern in den heißen Sommermonaten. Davon zeugt ein Bericht aus Oktober 1932. Die im selben Jahr getroffene Entscheidung, dass das Barackenlager endgültig abgerissen werden solle, kam erst nach dem Zweiten Weltkrieg zur Umsetzung.

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Merker schildert im weiteren die zwischen 1924 und 1934 von der Siedlungsgesellschaft realisierten Bauprojekte – etwa an der Straße „Am Bauhof“, an der Hindenburgstraße oder an der Spellener Straße. Auch macht er die Vergabe von Siedlerstellen in Erbpacht für Häuslebauer auf der unbebauten Heide östlich der B8 zum Thema.

1933 kam die Siedlungsgesellschaft unter die Kontrolle der Nationalsozialisten. Die beiden bisherigen Geschäftsführer wurden entlassen, zwei andere eingestellt, die der „neuen politischen Gesinnung mit Sicherheit zugewandter“ gewesen seien und es dementsprechend verstanden hätten, ihre Aufgaben im Sinne der Nazis umzusetzen. Verschiedene nationalsozialistische Organisation zogen als Mieter in das Barackenlager ein. Anfang 1943 wurde vermutlich zum ersten Mal das Durchgangslager für Zwangsarbeiter in Friedrichsfeld belegt. Dafür seien die westlichen Baracken des Barackenlagers ausgewählt worden, die bereits in den Jahren zuvor nicht mehr von den Mieterinnen und Mietern bewohnt, sondern von nationalsozialistischen Gruppierungen genutzt worden seien.

Zeit des Wiederaufbaus

Große Teile des Friedrichsfelder Ortskerns werden im letzten Kriegsjahr bei zwei Luftangriffen am 18. und 19. Februar in „Schutt und Asche“ gelegt. Viele Einwohner seien in der Folge in Richtung Münsterland und Niedersachsen geflohen. „Weitere Menschen, die noch im Ort geblieben waren, und zahlreiche Gebäude fielen dem Rheinübergang der Alliierten in der Nacht vom 23. auf den 24. März zum Opfer“, ist in dem Buch zu lesen.

Die „große Zeit“ des schwierigen Wiederaufbaus von Friedrichsfeld endete mit dem Abschluss des „Demonstrativprogramms Wohnen auf der Heide“ im Jahre 1963. Initiiert hatte es der 1959 verstorbene damalige Geschäftsführer der Siedlungsgesellschaft, Hugo Mueller. Die Erschließungsstraße seines Projektes trägt heute seinen Namen.

>>Info: Das Buch

Erhältlich ist das Buch „2021 – Jahrestage in Friedrichsfeld“ bei „Buch & Präsent“ (Mila Becker) in Friedrichsfeld und in der Buchhandlung „Lesezeit!“ in Voerde. Preis: 20 Euro.