Dinslaken. Die WDR Big Band überzeugte beim Start in die Jubiläumssaison. Das angekündigte Programm konnte aber krankheitsbedingt nicht gespielt werden.

Als George Gruntz vor 25 Jahren in der Kathrin-Türks-Halle auftrat, war dies eine mittlere Sensation. Denn die Dinslakener Jazzszene, so Thomas Termath, habe es damals nicht gegeben. Und doch gab es da eine Gruppe um Dr. Hannes Hermens, die sich als Keimzelle eben dieser Szene erweisen sollte. Man brauchte ihr nur genug Jazz von gehaltvoller und nachhaltiger Qualität zum Wachsen und Gedeihen geben.

Heute blickt die Jazz Initiative Dinslaken auf staatliche Auszeichnungen für ihr Programm, lockt mit großen Namen Fans von auswärts in die Stadt und macht sich zugleich um die Förderung junger, aufstrebender Talente verdient. Am Freitagabend startete sie nach sechs Jahren Abstinenz in der Kathrin-Türks-Halle, wo alles begann, in ihre Jubiläumssaison.

Vier Musiker waren schon im Jahr 2001 dabei

Auf der Bühne die WDR Big Band. So wie schon 2001. Vier Musiker von damals waren am Freitag ein weiteres Mal dabei. Aber ansonsten stellte Thomas Termath, langjähriger Geschäftsführer und inzwischen Vorsitzender der Jazz Initiative Dinslaken e. V. eine Analogie zwischen Band und Bühne fest: „Nicht nur die Halle, sondern auch die Big Band ist quasi rundum erneuert“. Das Zusammenspiel beider erwies sich als mehr als erfreulich. Die WDR Big Band agierte präzise, spielfreudig und stilistisch vielseitig, wie man es von ihr kennt und erwartet, die Halle hat sich gegenüber 2001 klar gesteigert. Die neue, trockene Raumakustik ist eine ideale Basis für ein transparentes, nuanciertes und in allen Frequenzen ausbalanciertes Klangdesign durch die Technik, die störende Wechselwirkung von Raumhall und künstlichen Hall, der vor der Sanierung bei hohen Lautstärken für ein gewisses Scheppern sorgte, ist Vergangenheit. Wer sollte das besser „testen“ als die Bläser der WDR BigBand mit ihrem druckvollen Sound?

Patzer in der Kommunikation

Dennoch begann das Konzert mit einem dicken Patzer. Das Timing stimmte nicht und damit ist nicht das in der Musik gemeint, sondern das in der Kommunikation. Angekündigt war das Programm „Big Band Baastards“ mit Kompositionen des Ausnahmegitarristen Reinier Baas. Dass der dafür vorgesehene Bandleader Christian Elsässer fünf Tage vor dem Konzert krankheitsbedingt absagen musste („Kein Corona“) ist bedauerlich, aber so etwas passiert. Dass die WDR Big Band daraufhin das Programm kippte, weil es keinen Ersatzdirigenten für die komplexen musikalischen Strukturen gab, ist professionell. Dass ein Alternativprogramm erst im letzten Moment stehen kann, ist verständlich. Aber dass dies bis zum Konzert zurückgehalten wird, die Jazz Initiative erklärt, sie sei aufgefordert worden, die Programmänderung nicht öffentlich bekannt zu machen, dafür fehlen einem bei einem Rundfunkensemble die Worte.

Den Part von Christian Elsässer übernahm Stefan Pfeifer-Galilea. Er setzte mit seinem Programm auf stilistische Vielfalt, da konnte sich keiner von den Dreihundert im Saal beschweren. Ein schöner Zufall war es, dass ein Programmschwerpunkt auf von Pfeifer für die Big Band arrangierten Stücken des Dave Brubeck Quartetts lag. Mit seiner Version von „Take five“ knüpfte er damit unwissentlich an Pure Desmond an, die, ebenfalls auf Einladung der Jazz Initiative, erst vor 14 Tagen diese bekannteste Komposition von Paul Desmond in der Quartett-Version interpretierte. Das machte einfach Spaß, die Wirkung durch die unterschiedlichen Besetzungen zu vergleichen.

Ein Highlight des Abends

Und Spaß machte es auch, Reinier Baas zu erleben. Der Gitarrist hielt am Termin mit der WDR Big Band fest, reihte sich in die Rhythmussektion mit Billy Test (Piano) und Hans Dekker ein. Und fiel seine Jazzgitarre in Paul Hellers (Tenorsaxophon) Komposition „Shatterbox“ noch durch eine verzerrte Geräuschspur auf, demonstrierte er in einem Solostück, warum für seine Kompositionen so schnell kein Ersatzdirigent gefunden werden konnte: Baas mischt klassisches und romantisches Gitarrenspiel mit Impressionismus und Jazz, nutzt für ersteres das Plektrum und benutzt erst alle Finger der rechten Hand, wenn er die Saiten mit der linken leicht dämpft. Das Ganze mit einer Technik und Geschwindigkeit, dass einem der Atem stockt. Ein Highlight des Abends, verbunden mit dem Wunsch, die Jazz Initiative möge diesem Saitenzauberer noch einmal einen kompletten Abend, gerne auch in kleinster Besetzung widmen.

Die Big Band hupt in Joni Mitchells „Big yellow taxi“ gegen die Umweltzerstörung an, schichtet Klangfarben von Ludwig Nuss auf, lässt die Töne mit Charles Mingus pulsieren, schwingen, federn und schweben. Die Züge der Posaunen zucken in ihren Soli – fast jeder der exzellenten Musiker*innen – ein Wiederhören mit Karolina Strassmaier - darf mal nach vorne. Und so wird das Konzert eine Runde Sache, wahrlich nichts, was man hätte verstecken brauchen.

Das Publikum erhält seine Zugabe. Und darf gespannt sein, welche Highlights die Jazz Initiative noch in ihrer Jubiläumssaison bereithalt.