Dinslaken. In der Stadtverwaltung wurden fünf Fälle sexueller Belästigung gemeldet. Die Gleichstellungsstelle fordert verbindliche Regeln zum Umgang damit.

Anzügliche Kommentare, frivole Gesten, unerwünschte Berührungen: Der Umgang mit sexueller Belästigung am Arbeitsplatz ist nicht nur in prominenten Fällen – wie zuletzt in der #MeToo-Debatte deutlich wurde – ein Problem. Sondern auch in der Dinslakener Stadtverwaltung. Das macht die Gleichstellungsbeauftragte Karin Budahn-Diallo in ihrem jüngsten Gleichstellungsbericht deutlich. Im Rathaus gab es in den vergangenen Jahren mehrere solcher Übergriffe – aber der Umgang damit ist nicht verbindlich geregelt, wie die Gleichstellungsbeauftragte im Bericht und in den politischen Gremien monierte.

Diese Fälle gab es in Dinslaken

Zwischen 2018 und 2020, so dokumentiert der Bericht zum Gleichstellungsplan, wurden bei der Stadtverwaltung fünf Fälle sexueller Belästigung angezeigt. In vier Fällen wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Ein Mitarbeiter wurde anschließend umgesetzt.

Dass es bei den etwa 1000 Mitarbeitern der Dinslakener Stadtverwaltung solche Vorkommnisse gibt, ist nicht ungewöhnlich. „Die Verwaltung ist ein Spiegel der Gesellschaft und deshalb gibt es das natürlich auch dort“, so Karin Budahn-Diallo.

Nach Zahlen der Antidiskriminierungsstelle des Bundes wurden elf Prozent aller Beschäftigten am Arbeitsplatz schon einmal Opfer sexueller Belästigung (s. unten). In den meisten Fällen waren die Täter männlich. Das war auch bei den fünf dokumentierten Fällen in Dinslaken so, so die Gleichstellungsbeauftragte. Dass die Fälle in Dinslaken überhaupt gemeldet wurden, wertet Karin Budahn-Diallo als gutes Zeichen: Es zeige, dass „den Kolleginnen klar ist, dass sie sich in der Verwaltung an jemanden wenden können.“

Das kritisiert die Gleichstellungsbeauftragte

Allerdings kritisiert Karin Budahn-Diallo, dass es in Dinslaken keine Dienstvereinbarung gebe, in der verbindlich festgelegt wird, wie mit sexueller Belästigung innerhalb der Stadtverwaltung umzugehen ist. Es sei deutlich geworden, „wie notwendig es ist, für diesen Bereich eine Dienstvereinbarung abzustimmen“, heißt es in dem Gleichstellungsbericht. Das sei allerdings „bis jetzt als nicht so wichtig erachtet“ worden. In den jüngsten Sitzungen des Hauptausschusses und Stadtrats legte Karin Budahn-Diallo nach: Sie habe die Forderung nach einer entsprechenden Dienstvereinbarung bislang „nicht durchsetzen“ können, bedauerte sie.

Es gebe, so sei dagegen argumentiert worden, schließlich eine mündliche Absprache, wie mit solchen Fällen umzugehen sei. Nach dieser Absprache werden in Fällen sexueller Belästigung Einzelgespräche mit der Gleichstellungsstelle und dem Personalrat geführt. Je nachdem ob der Belästigende ein Tarifbeschäftigter oder Beamter sei, folge entweder eine arbeitsrechtliche Beurteilung oder ein Disziplinarverfahren. Allerdings gelte diese mündliche Absprache „nur solange die handelnden Personen auch da sind“, mahnte Budahn-Diallo. Mittlerweile aber seien „neue Menschen in Führungspositionen“ und in Folge dessen gebe es „Unstimmigkeiten wie das Verfahren läuft“, so die Gleichstellungsbeauftragte.

Es ist ganz wesentlich, dass wir zu dieser Dienstvereinbarung kommen“, betonte Gleichstellungsbeauftragte Karin Budahn-Diallo im Stadtrat. Auf diese Weise gebe es in Fällen von sexueller Belästigung in der Stadtverwaltung „keine mündliche Überlieferung von Regeln“ sondern eine „schriftliche Vereinbarung“: Damit „alle wissen, wo sie stehen“, so die Gleichstellungsbeauftragte.

Blick in andere Kommunen

Viele Städte haben eine solche Dienstvereinbarung bereits. In NRW etwa die Großstadt Köln aber auch mittelgroße und kleine Kommunen wie Solingen, Rheine, Langenfeld oder Hemer. Die Stadt Köln definiert sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz als „jede Form von unerwünschtem Verhalten sexueller Natur, das sich in verbaler, nicht verbaler oder physischer Form äußert und bezweckt bzw. bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird. Dies gilt insbesondere, wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen und Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.“ Besonders „verwerflich“ sei sexuelle Belästigung, „wenn ein Abhängigkeitsverhältnisausgenutzt wird“ und „berufliche Vorteile bei sexuellem Entgegenkommen versprochen oder entsprechende Nachteile bei sexueller Verweigerung angedroht werden.“ Die Kölner Dienstvereinbarung schreibt im Fall sexueller Belästigung konkrete Handlungsanweisungen vor und listet mögliche disziplinarische und arbeitsrechtliche Sanktionsmaßnahmen von der Verwarnung bis zur Kündigung auf.

So reagierte die Stadt Dinslaken

Die Dinslakener Stadtverwaltung hat der Politik vorgeschlagen, den Bericht zum Gleichstellungsplan zur Kenntnis zu nehmen – was auch geschehen ist. Die von der Gleichstellungsbeauftragten geforderte Dienstvereinbarung war nicht Bestandteil eines Beschlussvorschlags. Der Impuls dazu kommt nun aus der Politik: Die FDP-Fraktion beantragt „in Bezug auf Mobbing, Bossing und sexuelle Belästigungen Dienstvereinbarungen innerhalb der Stadtverwaltung abzustimmen, damit eine nachlesbare und abgestimmte Vorgehensweise innerhalb der Verwaltung bei Meldung eines solchen Vorfalls zum Tragen kommt.“

FDP: Beschäftigte sind unzufrieden

Dass „diese Phänomene in verschiedenen Formen auch ein Problem bei der Stadtverwaltung Dinslaken darstellen“, lege die nicht nur die statistische Wahrscheinlichkeit nahe sondern belege eben auch der Bericht der Gleichstellungsbeauftragten mit den fünf genannten Fällen. Auch „die Fluktuationszahlen, die „Unzufriedenheit der Mitarbeiter und hohe Krankenstände innerhalb der Dinslakener Verwaltung können, zumindest in Teilen, auf diese Phänomene zurückzuführen sein“, mutmaßt die FDP.

Für die Liberalen „wird deutlich, wie notwendig es ist, für die Bereiche Mobbing, Bossing und sexuelle Belästigung Dienstvereinbarungen abzustimmen“. Die Vorgehensweise soll, so die FDP, mit dem Personalrat und der Gleichstellungsbeauftragten abgestimmt werden. Denn sexuelle Belästigung, Mobbing und Bossing könnten „krank machen und sogar tödlich sein“ und „verursachen außerdem aus volkswirtschaftlicher Sicht sehr hohe Kosten“, so die FDP.

>> Studie des Antidiskriminierungsstelle

Nach einer Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) von 2019 wurde jede elfte erwerbstätige Person in den letzten drei Jahren von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz betroffen. In 82 Prozent der Fälle waren die Belästigenden männlich, bei weiblichen Betroffenen war dies bei 98 Prozent der Fall. 43 Prozent der Belästigenden waren gleichgestellt, 19 Prozent waren Vorgesetzte, 10 Prozent unterstellte Personen. Vor allem Frauen wurden oft von Vorgesetzten belästigt.