Dinslaken. Weil Michael Wendler nicht zu seinem Prozess vor dem Amtsgericht Dinslaken erschienen ist, nutzte der Polizeichef die Zeit anderweitig.

Eigentlich war frühmorgens ziemlich klar, dass Michael Wendler nicht kommt. Um 9 Uhr am Dienstag sollte der Schlagersänger der neuerdings in Verschwörungstheorien macht, zum Prozess vor dem Dinslakener Amtsgericht erscheinen. Gegen 7 Uhr morgens, als die Justizbeamten und die Polizisten in Dinslaken ihren Dienst antreten, um den Prozess abzusichern, ist es Nacht in Florida – und der Angeklagte teilt auf Telegram alternative Fakten eines Bloggers. Zu diesem Zeitpunkt hätte er längst unterwegs sein müssen. Aber man weiß ja nie.

Hintereingang? Nicht für Wendler

Und deswegen hat die Polizei einen Einsatzwagen vor dem Dinslakener Amtsgericht positioniert. Egbert Doernemann, Leiter der Dinslakener Polizei, ist ebenfalls vor Ort. Zwei Justizbeamte in Schutzwesten bewachten das Portal an der Schillerstraße. Und, ja, wenn der Wendler kommt, muss er durch den Haupteingang, versichern sie. Durch die Hintertür im Hof würden allerhöchstens Kronzeugen geschleust. Oder Menschen im Rollstuhl – wegen der Treppe des historischen Gebäudes. Der Wendler sei nichts davon. „Der ist nur ein ganz normaler Mann“, sagt einer der beiden. Nun ja.

Es ist halb neun. Kein Wendler in Sicht. Auch keine Fanhorden. Der in Dinslaken geborene Sänger habe wohl „wenig Rückhalt“ vor Ort, mutmaßt der eine Beamte. Zwei Fans haben es in den Gerichtssaal geschafft. Dort standen genau zwei Plätze für Besucher zur Verfügung. Drei weitere wollen beim Amtsgericht telefonisch Plätze reservieren, berichtet eine Bedienstete – sie gehen aber leer aus.

Wendler-Fans? Niemand will sich bekennen

Vor dem Gerichtsgebäude drücken sich ganzen Morgen schon vier Bürger herum. Sind das Wendler-Fans? Wir fragen nach. Aber irgendwie will sich keiner als Anhänger des Sängers outen. Einer liegt auf der Lauer, um Promifotos zu schießen und diese dann meistbietend an die Medien zu verticken. Als er hört, dass zahlreiche Pressevertreter im Gerichtsgebäude sind, gibt es auf. „Nein, ich mag den nicht“, sagt die zweite, eine blonde Frau, empört. Der Sänger habe in ihrer Nachbarschaft im Bruch vor Jahren gebaut. „Hier baut der Wendler“ habe auf dem Bauschild gestanden und der Bauherr sei ständig mit einem Sportwagen und seiner Musik in Konzertlautstärke die Hedwigstraße auf und ab gefahren. Sie will „nur mal gucken“ und solange nichts passiert, poliert sie eben ihren Kleinwagen.

Aus Hamburg extra zum Sanitärbetrieb in Dinslaken

Der Sanitärbetrieb Bröckerhoff, der neben dem Amtsgericht an der Ecke Schillerstraße/Herderstraße sitzt, entpuppt sich an diesem Tag als berühmter als so mancher dachte. Denn der dritte mutmaßliche Fan, der seinen Wagen mit Hamburger Autokennzeichen genau vor dem Amtsgericht geparkt hat, ist ganz und gar nicht wegen Michael Wendler sondern wegen des Sanitärladens angereist, versichert er Egbert Doernemann. Der Polizeichef hat sich die Umweltplakette des Wagens angeschaut – und festgestellt, dass das Kennzeichen abgekratzt und die Plakette niemals eingeklebt war. Das kostet 80 Euro plus Verwaltungsgebühr. Für einen Besuch bei Bröckerhoff reicht es da wohl nicht mehr. Jedenfalls betritt der Mann den Laden nicht.

Der vierte Neugierige wartet im Wagen einer Polsterei aus Gelsenkirchen und macht lieber die Biege, als ihn die Inhaberin des Sanitätsgeschäfts darauf aufmerksam macht, dass er auf zwei Parkplätzen steht. Er hätte damit gerechnet, dass einige Handwerker vor dem Gebäude warten, sagt er noch. Der Wendler habe „ja noch ein paar Deckel offen“.

„Die Unkosten sind auf jeden Fall drin“

Weil also Wendler und Fanhorden ausbleiben, läuft Egbert Doernemann um den Block und kassiert Verkehrssünder. „Die Unkosten sind auf jeden Fall drin“, sagt der Polizeichef nachher zufrieden und lacht.

Die Justizbeamten überlegen, wie oft der Wendler schon in Dinslaken vor Gericht erschienen ist – einer erinnert sich an die Ersteigerung seines Anwesens in Oberlohberg, der andere an eine Auseinandersetzung mit einem Möbelhaus. Ob es in Folge des vom Amtsgericht nun verhängten Sitzungshaftbefehls zu einem weiteren Prozesstermin mit Wendler in Dinslaken kommen wird? Man weiß ja nie. Als der Prozess endet, graut in Florida der Morgen. Und Michael Wendler postet mittags wieder seine eigenen Wahrheiten. Kein Wort zum Prozess.