Voerde. In wenigen Monaten erfährt eine 17-Jährige aus Voerde, ob sie an Huntington leidet. Was es mit der seltenen Erbkrankheit auf sich hat.

Abitur und Studium, ein Jahr im Ausland, oder doch lieber eine Ausbildung starten? Mit 17 Jahren beschäftigen sich viele Jung-Erwachsene mit der Frage, wie ihre Zukunft aussehen wird. Für Laura Romainczyk gibt es weitere eine Frage, die ihr Leben seit vielen Jahren bestimmt: Leidet sie unter der Huntington-Krankheit?

Bislang lebt die junge Voerderin in Ungewissheit. Erst mit 18 Jahren darf sie sich testen lassen, ob sie betroffen ist. In wenigen Monaten weiß sie also, ob sie, wie ihre Mutter unter der Krankheit leidet.

10.000 Erkrankte in Deutschland

Die Huntington-Krankheit, auch Morbus-Huntington, oder Chorea-Huntington genannt, ist eine seltene Erbkrankheit. In Deutschland leiden etwa 8000 bis 10.000 Menschen unter der neurologischen Krankheit. „Die Dunkelziffer von Personen, die diese Krankheit in sich tragen, dürfte sogar fünf Mal so groß sein. Deswegen geht die Huntington-Krankheit sehr viele Menschen an“, erklärt die Friedrichsfelderin.

Doch was hat es mit der in Deutschland unbekannten Krankheit auf sich? „Es handelt sich bei Huntington um eine neuro-degenerative Erkrankung. Diese Krankheit ist eine Mischung aus ALS, Parkinson und Alzheimer. Es ist eine sehr komplexe Krankheit, auch deswegen, weil sie direkt am Gehirn ansetzt“, erklärt die 17-Jährige. Die fortschreitende und unheilbare Krankheit zerstört Teile des Gehirns und bricht bei Betroffenen in den meisten Fällen zwischen dem 35. und 45. Lebensjahr aus. Über Muskel- und Bewegungsstörungen, unkontrollierten Grimassen, starken Gewichtsverlust, psychischen Veränderungen und sogar Wesensveränderungen gibt es viele Symptome, die auf Huntington zurückgeführt werden können.

Was die Krankheit noch schlimmer macht: Sie wird mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent an Nachkommen weiter vererbt. Weil ihre Mutter unter der Krankheit leidet, besteht daher auch für Laura eine 50-prozentige Wahrscheinlichkeit, dass sie an der Krankheit leidet. „Wir sind im engen Kontakt mit dem Huntington-Zentrum in Bochum. Dort wird auch meine Mutter immer wieder behandelt. Wenn ich 18 werde, werde ich mich dort testen lassen“, verrät die junge Frau.

Haus Voerde soll blau-lila erstrahlen

Im Anfangsstadium der Krankheit war Lauras Mutter häufig in einer psychisch sehr schlechten Verfassung, berichtet Laura Romainczyk. „Sie war teilweise depressiv und aggressiv. Sie musste daraufhin medikamentös eingestellt werden, damit sie noch zuhause weiterleben konnte“, verrät die junge Voerderin. Bis zum Jahr 2017 lebten Laura und ihre Mutter noch unter einem Dach. Weil die Krankheit immer weiter voranschritt, zog ihre Mutter in ein betreutes Wohnen in Wesel. Laura zog zu ihren Großeltern nach Friedrichsfeld. Mittlerweile lebt Lauras Mutter in einer Pflegeeinrichtung in Duisburg. „Seit diesem Winter lebt meine Mama dort. Sie hat im betreuten Wohnen immer mehr an Selbstständigkeit verloren. Deswegen konnte sie in Wesel nicht mehr weiterleben.“

Als Laura sechs Jahre alt war, brach die neurologische Krankheit bei ihrer Mutter aus. „Ab einem gewissen Grad sind Menschen mit Huntington arbeitsunfähig. Autofahren dürfen sie auch nicht. So war es auch bei meiner Mutter.“ Als es noch möglich war, ging Laura mit ihrer Mutter häufig zusammen shoppen. Den torkelnden Gang, den ihre Mutter krankheitsbedingt hatte, hielten viele Passanten für eine Reaktion auf übermäßigen Alkoholkonsum. „Viele hielten sie für betrunken und wussten nicht, dass das mit der Krankheit zu tun hat. Deswegen ist es wichtig, ein Bewusstsein für die Krankheit in der Öffentlichkeit zu schaffen.

Hilfe bekommt Laura hierbei von der Deutschen Huntington-Hilfe (DHH) und der Stadt Voerde. Im Rahmen der bundesweiten Aktion „Beleuchtung für Huntington“ der DHH wird das Haus Voerde am 29. Mai in blau-lila angestrahlt. Die Stadt Voerde hat hierfür bereits die Genehmigung erteilt. „Für uns ist es völlig klar, dass die Stadt Voerde bei der Aktion mithilft“, erklärt Bürgermeister Dirk Haarmann. Zwischen 21 Uhr und Mitternacht wird das Gebäude angestrahlt, verrät Haarmann. „Wenn man das Ansehnliche mit dem Richtigen verbinden kann, ist das eine sehr gute Aktion.“ Unterstützung erhält die DHH vom Gentlemen’s Club Voerde. „Der Gentlemen’s Club unterstützt die Aktion sowohl technisch, als auch finanziell. Wir freuen uns über das Engagement“, lobte der Bürgermeister.

Erst Abitur, dann Studium

Anhand von Gentests soll nach ihrem 18. Geburtstag festgestellt werden, ob Laura Romainczyk die Krankheit in sich trägt und ob sie ausbricht. Angst vor der Diagnose Huntington hat die angehende Abiturienten nicht. Ganz im Gegenteil: „Gewisse Vorkehrungen würde ich natürlich treffen. Gerade in Hinblick auf Versicherungen. Aber wenn ich die Krankheit haben sollte, wäre es eine Art Erleichterung. Die Ungewissheit, die ich jetzt schon Jahre mit mir herumtrage, wäre weg. Wenn ich etwas schreibe und mein Finger fängt an zu zittern, werde ich etwas paranoid.“

Um die Krankheit zu verlangsamen gebe es bereits viele Therapien. Deswegen sei es wichtig, dass die Krankheit frühzeitig diagnostiziert wird. „Ansonsten verliert man wichtige Jahre. Viele Ärzte erkennen die Krankheit nicht immer rechtzeitig, weil viele Symptome auch für andere Krankheiten stehen könnten. Der Gentest ist daher sehr wichtig“, erklärt Laura Romainczyk.

Ihre Lebensfreude will sich Laura daher nicht nehmen lassen. Selbst, wenn bei ihr die Huntington-Krankheit diagnostiziert werden sollte. „Ein klares Ergebnis macht Vieles einfacher. Mich Einschränken und darauf warten, dass die Krankheit dann ausbricht will ich nicht.“ Derzeit baut Laura an ihrem Abitur. Drei von vier Prüfungen hat sie bereits hinter sich gebracht. Danach möchte sie studieren. „Das ist auf jeden Fall ein Ziel von mir. Was ich studieren will, weiß ich aber noch nicht.“