Dinslaken. Der 5. Mai ist der Tag der Substitution. Ein Betroffener aus Dinslaken berichtet, wie er durch die Ersatzmedikamente aus der Heroinsucht fand.

Normalität ist eingekehrt in das Leben des 42-Jährigen. Er hat einen Job gefunden, eine Familie gegründet und hat ein Kind. Und einmal in der Woche sucht er seinen Arzt auf, der mit einem Rezept hilft, damit diese Normalität nicht wieder aus den Fugen gerät, der 42-Jährige nicht wieder abgleitet, in den Rausch der Drogen, in die Sucht, dem Verlangen. Mit Hilfe der Substitution hat es der Dinslakener geschafft, seit einigen Jahren ein Leben ohne Drogen zu führen.

Job und Familie, Normalität, so sah das Leben des Dinslakeners aber nicht immer aus, wie er in einem Gespräch mit der NRZ berichtet. Anlass ist der 5. Mai, der zum Aktionstag der Substitution ausgerufen wurde. Medikamente helfen Abhängigen, ein Leben ohne Drogen zu führen. Sie ersetzen das Rauschgift ohne die negativen Auswirkungen.

Erste Drogenerfahrung macht der Dinslakener mit 15 Jahren

Es begann im Freundeskreis, der eine oder andere rauchte Cannabis, es wurde gekifft, man wollte dazugehören. So beginnt die „Drogenkarriere“ des heute 42-Jährigen. Als er das erste Mal Drogen konsumierte, sei er 15 Jahre alt gewesen. Er sei neugierig gewesen, hinzu kam die Gruppendynamik. „Ich wollte nicht als Feigling dastehen“, sagt er. Dann ging er den klassischen Weg: Über das Kiffen gelangte er an chemische Drogen, dann nahm er Heroin.

Das erste Mal sei nicht so schön gewesen, blickt der Dinslakener auf seinen ersten Heroin-Rausch zurück. Er habe sich übergeben müssen. Aber die Finger hat er trotz dieser Erfahrung nicht davon gelassen. Es sei am Anfang immer so, wurde ihm gesagt. Dann zeigte die Droge ihre schönen Seiten, Glücksgefühle. Doch schnell lernte der Dinslakener die Schattenseiten kennen.

Beim ersten Mal habe er Skrupel gehabt, sich selbst die Spritze anzusetzen. Das habe ein Bekannter gemacht. Eine Hemmschwelle sei vorhanden gewesen, danach habe er sich selber gespritzt. Es habe sich eingeschlichen, beschreibt er die Wandlung, die Entwicklung. Schnell war die Abhängigkeit vorhanden, musste er jeden Tag das Zeug zu sich nehmen. Und die Sucht muss finanziert werden. Weil es günstiger sei, sei er dazu übergegangen, sich Heroin zu spritzen. „Das ging dann einige Jahre“, sagt er.

Bundeswehr entdeckt Drogensucht

Probleme, an Drogen zu kommen, habe es nicht gegeben, zu keiner Zeit. Dinslaken ist in dieser Hinsicht keine Ausnahme. Wer will, kann sich hier mit Drogen versorgen, weiß Ralf Heyden von der Drogenberatung der Diakonie. Er begleitet den Dinslakener seit Jahren, kennt seine Geschichte.

Weil es günstiger war, sei man nach Holland gefahren. Hat sich dort eingedeckt. Der Drogenkonsum wirkte sich auf die schulischen Leistungen aus. Den Hauptschulabschluss habe er gemacht, ging dann zur Handelsschule. Nach zwei Jahren war damit aber Schluss. „Ich bin dann zur Bundeswehr gegangen“, berichtet er. Zum Ende hin wurde sein Drogenkonsum entdeckt und er wurde krankgeschrieben.

Die Drogen hätten ihn total eingenommen: Wo kommt das Geld für die Rauschmittel her. „Gearbeitet habe ich nicht, eine Ausbildung habe ich auch nicht gemacht“, blickt er zurück. Denn durch den Drogenkonsum sei er schläfrig geworden, konnte nicht mehr so viel aufnehmen. Fast täglich brauchte er einen Schuss.

Die erste Substitution mit 24 Jahren

Mit 24 Jahren durchlief er das erste Mal ein Substitutionsprogramm. 2002 sei er zum Arzt gegangen, es sei wie ein Vorstellungsgespräch gewesen. „Es ging von mir aus, den Arzt habe ich nur beim Vorstellungs- und beim Abschlussgespräch gesehen. Der Rest lief über die Arzthelferin“, sagt der Dinslakener. Doch der Absprung gelang nur kurze Zeit. Durch alte Kontakte, durch Bekannte kam er in den alten Trott, konsumierte wieder Drogen.

Soll der Ausstieg gelingen, müssen alle Kontakte gekappt werden, rät Ralf Heyden. Wenn man noch mit Leuten aus der Drogenszene zusammentrifft, werde es schwierig, die Dynamik der Sucht zu durchbrechen. Jeder Kontakt, auch sporadische Treffen, seien zu vermeiden.

Dem Dinslakener gelang es dieses Mal nicht, er traf Freunde aus dem Drogenmilieu. Rückfällig sei er geworden, denn man bekomme ja auch immer etwas angeboten, wenn man mit den alten Bekannten zusammen ist. Er habe angefangen, selbst Betäubungsmittel zu verkaufen, um seinen eigenen Bedarf zu decken. Täglich habe er 80 bis 100 Euro benötigt.

Haftstrafe im Jahr 2008

Als immer mehr Leute bei ihm Drogen kauften, wurde die Polizei hellhörig. Er landete vor Gericht, kam mit einer Bewährungsstrafe davon. Im Jahre 2008 kam er aber nicht mehr um eine Haftstrafe herum. Weil er Drogen verkauft hatte und weil er die Rauschmittel einfuhr. Die Haft habe keine abschreckende Wirkung gehabt, dort habe er weiterhin Drogen konsumiert und nach seiner Entlassung ging es weiter wie vorher, fasst er die Zeit zusammen.

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Die Wende begann, als er mit einer Frau zusammenzog, mit der er noch heute zusammen ist. Man kannte sich von früher. Sie wusste aber nicht von seiner Drogenabhängigkeit, er habe sie vor ihr verheimlicht. Aber als die Polizei eine Hausdurchsuchung machte, konnte er nichts mehr verbergen.

Geholfen hat es nicht, vorerst nicht. Er habe wieder Drogen verkauft, wurde wieder erwischt. Und vor die Wahl gestellt: Erneut eine Haftstrafe abzusitzen oder eine Therapie zu machen. Er nahm die zweite Möglichkeit, denn in der Zwischenzeit war sein Kind geboren worden. Die Geburt des Kindes habe ihn dazu gebracht, zu sagen, er wolle mit den Drogen Schluss machen. Es sei der größte Anreiz gewesen, aufzuhören.

Ohne Substitut geht es nicht

Sechs Monate stationäre Therapie, das war in 2014. Häufig sei es so, dass die Drogenabhängigen die Therapie vorzeitig abbrechen, es erst im zweiten oder dritten Anlauf schaffen, berichtet Heyden. Der Dinslakener entschied sich dann für die Substitution, merkte, dass er sonst wieder rückfällig werden würde.

Seit dem Jahr 2015 hat er einen Job. Er war zunächst bei einer Leiharbeitsfirma, das Unternehmen, in dem er eingesetzt worden war, hatte ihn übernommen. Eine Ausbildung hat er angefangen und geschafft. Dass er ein Substitut nehmen muss, damit habe er sich abgefunden. Jede Woche holt er sich sein Rezept ab. Einen neuen Freundeskreis habe er sich aufgebaut.

Und er weiß, ohne das Medikament würde er wieder Drogen konsumieren müssen. „Es ist nicht der Zaubertrank von Asterix und Obelix, es ist die Chance, sich zu stabilisieren, beruflich und finanziell sowie einen familiären Ankerplatz zu setzen“, betont Ralf Heyden.