Voerde. Auch Die Partei scheitert mit dem Antrag, dass die Stadt Voerde sich bereit erklären soll, aus Seenot gerettete Menschen zusätzlich aufzunehmen.
Die Frage, ob sich ihre Kommune zum „Sicheren Hafen“ für Flüchtlinge erklären soll, wurde bereits Ende 2019 in Dinslaken mit einer sehr deutlichen und in Hünxe nach emotionaler Debatte mit einer knappen Mehrheit von vier Stimmen vom Rat mit „Ja“ beantwortet. Voerde beschäftigte sich mit diesem Thema ein halbes Jahr später und fasste den gegenteiligen Beschluss. Der Antrag der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen wurde Ende Juni 2020 mit den Stimmen der CDU sowie eines Vertreters der WGV abgelehnt. Die SPD enthielt sich inklusive Bürgermeister zum größten Teil – aus ihren Reihen kam ein Ja. Auch WGV-Fraktionschef Christian Garden mochte weder dafür noch dagegen stimmen.
Die Grünen hatten ihren Schritt mit der Situation der Flüchtlinge an der türkisch-griechischen Grenze und dem Wunsch, eine grundsätzliche Möglichkeit zu schaffen, zusätzlich Menschen aufzunehmen, begründet. Das Ansinnen, das damals im Rat kontrovers diskutiert wurde, hat ein Neuling in der Voerder Politiklandschaft, Die Partei, nun wieder auf den Tisch gebracht.
Hinweis auf Resolution und auf Nichtzuständigkeit der Stadt
Das Ergebnis und die Art der inhaltlichen Auseinandersetzung ähnelten sehr der im Juni 2020. Erneut enthielt sich die SPD beinahe vollständig – wieder mit Ausnahme von Ratsmitglied Joachim Kinder. Auch diesmal verwies Fraktionschef Uwe Goemann, der es als gut und richtig bezeichnete, dass Die Partei ein klares Bekenntnis zeige, auf die 2015 vom Stadtrat verabschiedete Resolution „Voerder Signal“. Darin wird ein verstärktes Engagement der Europäischen Union, aller Regierungen und Institutionen gefordert, „damit das Sterben auf den ,Flüchtlingsrouten’ ein Ende hat“. Für seine Stellungnahme erntete Goemann von Seiten der Grünen, die mit der SPD in der Ratsperiode 2014 bis 2020 zumindest vor den Kulissen einen engen Schulterschluss pflegten, ungewohnt scharfe Kritik: Wer sage, dass mit dem „Voerder Signal“ alles getan sei, verkenne die Realität der Menschen, die jeden Tag ums Überleben kämpfen, sagte Stefan Meiners.
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Ingo Hülser, Fraktionschef der CDU, die wie die FDP mit Nein votierte, konstatierte, dass die Stadt nicht zuständig sei, und äußerte die „große Befürchtung“, dass die von der Partei und den Grünen gestellte Forderung, Voerde zum Sicheren Hafen zu erklären, „weitere Fluchtanreize nach Europa“, schaffen würde. Den Antrag der Partei bezeichnete er als puren Populismus. Das Votum fiel diesmal – der Stadtrat tagte coronabedingt nur in halber Stärke – knapper aus als 2020: Es gab sechs Ja- und acht Nein-Stimmen sowie neun Enthaltungen. 2020 waren es 19 Enthaltungen sowie fünf Ja- und 14 Gegenstimmen.
Erneut hitzige Debatte im Voerder Stadtrat
Im Laufe der hitzigen Debatte hatte SPD-Fraktionschef Goemann an die Menschen erinnert, die Voerde regulär noch aufnehmen müsse. Laut Verwaltung beträgt die Erfüllungsquote (Stand Mitte April) im Fall der Asylsuchenden 89 Prozent. Zehn Menschen müsste die Stadt noch aufnehmen. Im Fall der anerkannten Flüchtlinge liegt die Erfüllungsquote bei 61,39 Prozent – weitere 170 Menschen müsste die Stadt noch unterbringen. Die Kommune hat „rein rechnerisch“ mehr als 440 Unterbringungsplätze inklusive Privatwohnungen, wovon etwa 270 belegt seien, so der Beigeordnete Jörg Rütten auf NRZ-Anfrage.
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Dabei handele es sich allerdings um eine maximale Betrachtungsweise. Aktuell werde coronabedingt versucht, Doppelbelegungen oder eine Maximalbelegung und die damit verbundene Enge des Wohnraums zu vermeiden. Es sei jedoch zu berücksichtigen, dass nicht jede Zuweisung mit einer Wohnsitzauflage auch einen Unterstützungsbedarf mit Wohnraum bedeute.
Die Kommunen, die dem Bündnis „Sicherer Hafen“ beitreten, erklärten damit ihre Bereitschaft, aus Seenot gerettete Menschen „zusätzlich zu den nach dem Königsteiner Schlüssel verteilten Geflüchteten“ aufzunehmen. „Sie fordern die Bundesregierung auf, diese Aufnahme zu ermöglichen und allen aus Seenot geretteten Geflüchteten ein rechtsstaatliches Asylverfahren zu eröffnen. Zu den größten Problemen für die Seenotrettung zählt die Tatsache, dass es nach einer Rettung extrem schwierig ist, einen Hafen zu finden, in dem man einlaufen kann. Das ist nicht zuletzt dem Umstand geschuldet, dass die Länder am Mittelmeer den Einlauf auch deshalb versuchen zu verhindern, weil es keine Regelungen gibt, die eine europaweite Aufnahme der aus Seenot Geretteten ermöglichen“, so Rütten. Da für die direkte Aufnahme von Flüchtlingen derzeit der rechtliche Rahmen fehle, sei hier – anders als bei einer Zuweisung im bisherigen Sinne – eine finanzielle Hilfe für die Kommunen „nicht geregelt“.
Stadt Voerde verfügt aktuell über Kapazitäten
Wann mit der Ankunft der in Voerde noch regulär aufzunehmenden Asylsuchenden und anerkannten Flüchtlinge zu rechnen ist, lasse sich nicht sagen, da es sich um einen Prozess handele. Dies mache auch das Vorhalten von Ressourcen in der Planung so schwierig. Hinweise und Aufnahmeverpflichtungen der Bezirksregierung Arnsberg „erreichen uns immer auch nur kurzfristig beziehungsweise mit einem Verweis auf das weltpolitische Geschehen“, erklärt Rütten. Da die Quoten seit Jahren wegen fehlender Zuweisungen nicht erfüllt würden, geht er davon aus, dass aus Seenot gerettete Menschen im Falle ihrer Aufnahme innerhalb des geltenden Schlüssels auf die Kommunen verteilt werden.
Bezogen auf die aktuellen Unterbringungskapazitäten wäre es der Stadt möglich, eine gewisse Zahl an Flüchtlingen zusätzlich zu den vorgeschriebenen Quoten aufzunehmen. Erfolgt jedoch keine Anrechnung auf den bestehenden Verteilschlüssel, „müssten in der Konsequenz weitere Aufnahmekapazitäten geschaffen werden, ohne dass absehbar ist, wann diese belegt werden“, führt Rütten weiter aus.
Scharfe Kritik insbesondere an CDU und SPD
In einer gemeinsamen Stellungnahme üben Grüne und Die Partei insbesondere an der Haltung von CDU und SPD zum „Sicheren Hafen“ Kritik. Es lasse sich nur bestürzt feststellen, dass sich die CDU in Voerde offensichtlich vollständig von ihren christlichen Leitmotiven wie der Nächstenliebe verabschiedet habe. Auch das „Zukunftsprogramm“ der SPD, das besonders die Kommunen Europas befähigen solle, „Geflüchteten eine sichere Bleibe zu bieten“ scheine noch nicht bis nach Voerde durchgedrungen zu sein. Wer nach den „schrecklichen Bildern aus den Flüchtlingslagern“ in Griechenland und der Türkei, Serbien oder ähnlichen immer noch so Politik macht, „ist weder christlich noch sozial geleitet“.
Besonders schmerzt die Grünen und Die Partei nach eigenem Bekunden der „fehlende Mut“ der SPD in Voerde, denn von der CDU erwarte „man schon seit längerem keine Politik für hilfsbedürftige Menschen“. Zum „Voerder Signal“ von 2015, auf das sich die Sozialdemokraten berufen, erklären Grüne und Partei, dass ein Signal nicht mehr reiche, „wenn sechs Jahre später immer noch Menschen im Mittelmeer ertrinken“. Und: „Sicherlich seien den Kommunen in vielerlei Hinsicht die Hände gebunden, „aber sollte uns das daran hindern, zusammen mit vielen anderen Städten Deutschlands Solidarität zu zeigen?“, fragen beide Fraktionen.