Hünxe. Was für die katholische Kirche undenkbar ist, ist für Mirko Lipski-Reinhardt gelebte Realität: Der Hünxer Pfarrer ist mit einem Mann verheiratet.

Schwul. Christ. Pastor. Das passt hervorragend zusammen. Ich glaube, dass es Gott nicht wichtig ist, ob wir cis oder trans, schwul, lesbisch, hetero, queer sind.“ Das schreibt Mirko Lipski-Reinhardt am 16. März auf Instagram. Am Tag zuvor hat die Katholische Kirche erneut verkündet, gleichgeschlechtliche Paare nicht segnen und erst recht nicht trauen zu wollen. Diese würden nicht dem „Plan Gottes“ entsprechen. Für Mirko Lipski-Reinhardt hat der liebe Gott andere Pläne: Er ist evangelisch, Pfarrer der Gemeinde in Hünxe-Bruckhausen – und seit vier Jahren mit seinem Mann Stefan verheiratet.

Die erste Hochzeit zweier Männer in Hiesfeld

„Ich möchte noch auf die Braut warten.“ Diese Worte eines kleinen Mädchens, das mit seiner Oma am Tag seiner Hochzeit zufällig an der Hiesfelder Dorfkirche vorbeikam, wird der junge Pfarrer wohl nie vergessen. Denn an diesem Tag gab es dort keine Braut in einem weißen Kleid zu sehen. Sondern etwas viel Bewegenderes: Die erste Hochzeit zweier Männer in 1000 Jahren Hiesfelder Kirchengeschichte. Ein Foto zeigt Mirko und Stefan, wie sie in dunklen Anzügen auf dem Weg zum Altar schreiten, Hand in Hand.

Pfarrer Mirko Lipski-Reinhardt  am Eingang der Arche Bruckhausen.
Pfarrer Mirko Lipski-Reinhardt am Eingang der Arche Bruckhausen. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

„Es war kein einfacher Weg, bis die Hochzeitsglocken für alle der Liebe wegen läuten durften“, schreibt Mirko Lipski-Reinhardt im Instagram-Blog „stadt.land.pfarramt“, den er gemeinsam mit den beiden Pfarrerinnen Anne-Berit Fastenrath (Trier) und Christina Bernschein (Hambühren) betreibt. „Es wurde theologisch diskutiert, Menschen aus unserer Kirche erzählten von ihren Erfahrungen und manche Meinung auszuhalten, bleibt eine Herausforderung“. Als die Synode der Ehe für Alle schließlich ihren Segen gab, seien viele Gemeinden, Kirchenmitglieder und Pfarrer*innen erleichtert gewesen. „Und als mein Mann und ich 2017 vor den Traualtar treten durften, beschränkte sich die Anspannung nur noch auf den Teil, den wohl alle Hochzeitspaare kennen.“

Bei seiner Familie hat sich der Sohn einer Pfarrerin erst geoutet, als er schon mit seinem späteren Ehemann zusammen war. „Endlich ein gescheiter Mann in der Familie“, habe sein 101 Jahre alter Opa frohlockt – Stefan ist Hörgeräteakustiker! Fortan war alles, was der Lieblings-Schwiegerenkel anfasste, quasi schon repariert.

So reagiert die Gemeinde

Fürs Foto in der Kirche hebt Mirko Lipski-Reinhardt die Bibel der „Arche“ in Bruckhausen an. An seiner rechten Hand glänzt der Ehering. „Was macht eigentlich Ihre Frau?“ fragen ihn manchmal Gemeindemitglieder. Oder: „Haben Sie Kinder?“ Was man eben so fragt. Immer häufiger ist seine Antwort nicht mehr das, was man gemeinhin so sagt. Sondern das, was ist: dass er mit einem Mann verheiratet ist. Die drängendste Frage, die viele Menschen dann umtreibe, sei „wer denn bei uns eigentlich kocht.“ Und die Antwort? Der Pfarrer lacht: „Das ist wie in anderen Beziehungen auch: Mein Mann kann die komplizierteren Sachen kochen.“

In dem Instagram-Blog, für den Lipski-Reinhardt und seine Kolleginnen beim Medienpreis der Evangelischen Kirche im Rheinland mit dem zweiten Platz für digitale Projekte ausgezeichnet wurden, thematisiert er auch das Leben als schwuler Pfarrer. Der Blog richtet sich an Menschen über 30 Jahre, eine Generation, zu der die Kirche den Kontakt verloren habe. „Wir sind gut in Kinder-, Jugend- und Seniorenarbeit. Auch Familien mit kleinen Kindern können andocken“. Aber darüber hinaus? „Die Lebensentwürfe sind vielfältiger geworden“, findet der 33-Jährige, „und es gibt auch Lebensentwürfe ohne Kinder“. Das zu erkennen, damit habe sich die Kirche „lange schwergetan“.

Hashtag „#gaypastor“

„Lange und intensiv“ hätten die Blogger diskutiert, wie viel Persönliches sie offenbaren: „Wie stark macht man sich in christlich-konservativen Kreisen angreifbar, gibt es einen Shitstorm oder nicht?“ Sie hätten sich langsam vorgetastet, seien im Blog immer persönlicher geworden. Das Hochzeitsbild von Mirko und Stefan ist dort etwa zu sehen. Wie die beiden zusammen kochen. Und eine „Weihnachtsgeschichte“, in der Mirko Lipski-Reinhardt den ersten Besuch eines schwulen Paares bei der Verwandtschaft beschreibt.

Mittlerweile benutze er auf Instagram „bewusst Hashtags“ um zu zeigen, dass „Kirche und Homosexualität nichts ist, was sich zwangsweise ausschließt.“ In der evangelischen Kirche gebe es „LGBTQ als Pfarrer*innen“ (Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender and Queer, also lesbische, schwule, bisexuelle, transsexuelle, transgender und queere, intersexuelle und asexuelle Menschen) und das „Gendersternchen ist im Gemeindebrief angekommen“ Aber auch bei Katholiken sei die „gelebte Wirklichkeit“ häufig anders, als die Amtskirche vorgebe, weiß der Pfarrer.

Unter dem Beitrag am 16. März 2021, dem Tag, nachdem die katholische Kirche die Ehe für alle erneut verteufelt hat, standen die Hashtags „#waspfarrersomachen, #evangelisch, #kirche, #queer #instagay“, #gaypastor“. Und: „#meingottliebtjedenmenschen“.

>>Das ist der Blog

Den Blog „stadt.land.pfarramt“ auf Instagram gibt es seit fast einem Jahr. Die Beiträge sind aus dem Leben gegriffen, authentisch und ehrlich erzählt – ohne Schnörkel, dafür mit Hashtag: #coronaEltern, #vierfachmama, #digitalekirche #mobbing, #niewiederkrieg, oder #gegenrassismus. Unter einem Leitsatz veröffentlichen Mirko Lipski-Reinhardt, Anne-Berit Fastenrath und Christina Bernschein ihre Gedanken auch zu schwierigen Themen.

„Man lässt keineMenschen ertrinken. Punkt.“ Schreibt Lipski-Reinhardt etwa unter den Worten „Wir. Haben.Platz“ und berichtet von der Flucht seiner Oma aus Schlesien und den Flüchtlingen in den griechischen Lagern. Die Kirchengemeinde hat Hünxe ein leerstehendes Pfarrhaus zur Verfügung gestellt und der Kirchenkreis engagiert sich für die Organisation Lesbos Solidarity.