Dinslaken. Die Infektionszahlen müssen nach Stadtteilen aufgeschlüsselt werden, um gezielter reagieren zu können, so Dinslakens Vize-Bürgermeister Yildiz.

225 Menschen im Kreis Wesel haben seit Beginn der Pandemie im Zusammenhang mit Covid-19 ihr Leben verloren – 50 davon in Dinslaken, zuletzt ein 59-jähriger Mann. Das ist kreisweit die höchste Zahl. Die Dinslakener Inzidenz ist von 25,9 Ende der vergangenen Woche auf 58,9 am Dienstag gesprungen. Eyüp Yildiz, stellvertretender Bürgermeister der Stadt Dinslaken und Sozialarbeiter, fordert den Kreis Wesel zu einem Strategiewechsel auf: Das Gesundheitsamt soll die Infektionszahlen in den Stadtteilen veröffentlichen – so könnte man vor Ort gezielter reagieren, so Yildiz.

Das sagen Stadt und Kreis

In größeren Städten, Duisburg, Dortmund oder Essen etwa, werden die Infektionszahlen täglich nach Stadtbezirken veröffentlicht. Der Kreis Wesel beabsichtige aber nicht, „noch kleinteiligere Zahlen zu generieren“, erfuhr die NRZ auf entsprechende Nachfrage bei der Stadt Dinslaken. Der Vergleich mit Duisburg hinke, da Duisburg als große, kreisfreie Stadt stadtbezirksbezogene Zahlen veröffentliche – „wobei die Stadtbezirke meist in etwa eine Einwohnergröße wie Dinslaken haben“, so Stadtsprecher Marcel Sturm.https://www.nrz.de/region/niederrhein/corona-so-laesst-sich-die-7-tage-inzidenz-berechnen-id230763844.html

Die Infektionszahlen nach Stadtteilen aufzuschlüsseln sei dem Kreis-Gesundheitsamt aus Kapazitätsgründen nicht möglich, erläuterte die Kreis-Pressestelle. Stadtteilbezogene Infektionszahlen würden voraussetzen, „dass die Mitarbeitenden des Kreises Wesel die Infektionszahlen aufgrund der Adressen händisch den zahlreichen Stadtteilen der kreisangehörigen Kommunen zuordnen“, so Greta Rohde, stellvertretende Sprecherin des Kreises Wesel. „Der Aufwand wäre angesichts der andauernden Arbeitsüberlastung mit Kernaufgaben der Pandemiebekämpfung völlig unangemessen.“

Zudem werde über kleinräumige Clusterausbrüche „regelmäßig informiert“. Die Kontaktnachverfolgung erfolge im Kreis Wesel „auf der Basis einer sogenannten Clusterstrategie“, die die Kräfte auf die Verhinderung oder Eindämmung lokaler Ausbrüche konzentriere, wie der Kreis Wesel am Dienstag mitteilte.

Cluster in Lohberg

Im Herbst vergangenen Jahres gab es ein solches Clustergeschehen in Lohberg. Nach einer Hochzeit in Venlo waren mehr als 20 Menschen in Lohberg infiziert, zwei Kitas schlossen, es wurde kurzzeitig eine Teststation eingerichtet. Dass in dem Stadtteil mehrere Menschen im Zusammenhang mit Covid-19 gestorben sind, war in den Lohberger Facebookgruppen abzulesen.

Diese Fragen stellt Eyüp Yildiz

Offizielle Zahlen gibt es aber nicht. Weder für Lohberg noch für andere Stadtteile. Eyüp Yildiz wüsste gerne, ob sich das Corona-Virus über Dinslaken heterogen verteilt, ob es Erkenntnisse gibt, welche Stadtteile besonders betroffen sind, wie die Pandemie vor Ort verläuft, wie wie groß die Haushalte der Corona-Infizierten in Dinslaken sind? Denn auch Gesundheitsministerium NRW habe bislang noch keine Erkenntnisse zum sozialen Status der Corona-Infizierten vorgelegt. „Erkenntnisse darüber, welche Menschen sich besonders häufig mit Corona infizieren, könnten helfen gezielter zu reagieren“, findet der stellvertretende Bürgermeister. Das Problem sei zu drängend, um entsprechende Studien abzuwarten.https://www.nrz.de/staedte/dinslaken-huenxe-voerde/iframe-newsletter-dinslaken-nrz-id226150283.html

„Es geht um Leben und Tod“

Falls Stadtteile besonders betroffen seien, könnte man dort „groß aufgelegte Aufklärungskampagnen“ starten, bei Bedarf in mehreren Sprachen und unter Einbindung der Akteure vor Ort. Die Bürger in den Stadtteilen mit den Zahlen zu konfrontieren könnte laut Yildiz ein überzeugendes Argument sein, noch mehr Vorsicht walten zu lassen. Vor allem Menschen mit hohem Infektionsrisiko dürften diese Daten nicht vorenthalten werden, so Eyüp Yildiz: „Weitere Ansteckungen und Infektionsketten könnten so analysiert und vermieden werden“.

Außerdem sei es wichtig, möglichst schnell möglichst viele Menschen zu impfen. Weil das aber – erst Recht nach dem Stopp der Impfungen mit AstraZeneca – „in den Sternen“ stehe, seien neue Strategien nötig um das Virus einzudämmen: Es gehe nicht darum, Stadtteile zu stigmatisieren, betont Eyüp Yildiz, dessen Familie in Lohberg lebt. Sondern „es geht um Leben und Tod.“