Dinslaken. Angela Hunsmann ist Seelsorgerin im Vinzenz-Hospital und berichtet über ihre Arbeit. Sie sagt, sie hatte das Gefühl, alle im Stich zu lassen.

2128 Infizierte, 47 von ihnen sind verstorben – eine bittere Bilanz der Coronazahlen. Hinzu kommen die Zahlen aus Voerde (968/24) und Hünxe (251/2) und nicht nur aus diesen drei Kommunen wurden Covid-Patienten im St. Vinzenz-Krankenhaus behandelt. Einige Hundert werden es gewesen sein, schätzt Matthias Russ, Pressesprecher des Hospitals. Und einige davon verstarben auch dort. Eine unendliche Belastung für das Pflegepersonal, die Ärzte und vor allem aber für die Angehörigen.

Angela Hunsmann ist Seelsorgerin im katholischen Krankenhaus – ihren Einstieg vor etwas mehr als einem Jahr hatte sie sich anders vorgestellt. „Kaum hatte ich meine Arbeit begonnen, brach die Corona-Pandemie aus“, erinnert sie sich. Dabei lebt ein Seelsorger, eine Seelsorgerin von der Präsenz, doch die war während der ersten Welle gar nicht gegeben. „Ich musste daheim bleiben. Alle waren furchtbar vorsichtig. Aber klar, es gab kaum ausreichende Schutzkleidung, ein Besucherstopp wurde eingeführt“, erzählt sie. Niemand sei während dieser ersten Zeit auf sie zugekommen, obwohl sie es anbot.

Immer mal wieder vor Ort

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Doch wie auch – sie war einfach noch nicht bekannt. Zuständig ist sie als Seelsorgerin für das Personal des Krankenhauses, die Patienten, aber auch für deren Angehörigen. Sie habe zwar Kontakt gehalten, war immer mal wieder vor Ort und „hatte dabei das Gefühl, alle im Stich zu lassen“, so die Seelsorgerin. Doch Vorsicht hatte oberste Priorität, sie hätte ja ansteckend sein können, ohne selber Symptome zu zeigen.

„Im Mai hielt ich es dann nicht mehr aus und kehrte an meinen Arbeitsplatz zurück“, sagt sie. Inzwischen waren Masken und Schutzkleidung in ausreichender Zahl vorhanden, die ersten Öffnungen konnten wieder stattfinden. Aber noch heute sind die Besuchskontakte eingeschränkt, darf nur eine Bezugsperson ins Zimmer. „Wir hatten Angst, dass dies leicht zu einer Isolierung führen konnte.

Patienten konzentrierten sich auf ihre Genesung

Doch die Beschränkung wurde von vielen Patienten positiv empfunden. Endlich herrschte Ruhe, sie konnten sich voll auf ihre Genesung konzentrieren. „Und einige sind der Meinung, dies könne auch nach Corona so bleiben“, berichtet Angela Hunsmann. Der Stressfaktor für die Patienten war geringer. Natürlich war den Patienten mulmig zumute, ins Krankenhaus zu müssen. Viele hatten Angst, sich dort mit dem Virus anzustecken. Doch einmal im Hospital trat bei den Schwerkranken die Angst vor einer Ansteckung zurück. „Sie sorgten sich eher um ihre eigene Erkrankung, vor allem die alten Patienten fürchteten sich mehr vor einer eventuellen Abhängigkeit, nicht mehr wie früher am Leben teilnehmen zu können aufgrund ihrer Erkrankung.“

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Angela Hunsmann hält einen Moment inne. „Die Mitarbeiter an der Pforte tun mir leid, sie bekommen den ganzen Ärger, den Frust der Angehörigen mit. Sie mussten und müssen immer noch Angehörige abweisen, was bei einigen auf Unverständnis stößt. Da liegen oftmals die Nerven blank.“ Dabei habe das Krankenhaus von Anfang an versucht, den Kontakt zwischen Patienten und Angehörigen aufrecht zu halten, anfangs über eine Hotline, dann über Besuche. Vieles sei auch über den Sozialdienst gelaufen. Und in palliativen Situationen habe das Krankenhaus es möglich gemacht, Angehörige in entsprechender Schutzkleidung zum Strebenden zu lassen. So konnten sie wenigstens Abschied nehmen, wenn auch unter schwierigen Bedingungen.

Hinterbliebene brauchen diese Rituale

Vor allem die erschreckenden Bilder aus Italien habe damals Angst verbreitet. „Wir hatten diese Situation hier glücklicherweise nie“, erzählt Angela Hunsmann. Beerdigungen fanden, wenn auch mit geringerer Personenzahl, statt. „Als belastend wird es von vielen Angehörigen empfunden, dass man sich am Grab nicht umarmen kann, dass kein Trost auf diese Art gespendet werden kann“, weiß sie aus Erzählungen von Angehörigen zu berichten. Sie erinnert sich an eine Frau, deren Mann an Covid starb, die Frau selber musste in Quarantäne und nicht einmal ihre Kinder konnten zu ihr kommen. „Das war schon mehr als hart.“

Auch Trauerfeiern sind für die Seelsorgerin durchaus keine Relikte aus längst vergangenen Tagen. „Die Hinterbliebenen brauchen diese Rituale. Man sitzt zusammen, tröstet sich gegenseitig und dann fällt jemanden vielleicht eine Anekdote ein über den Verstorbenen und für einen Moment kann man den Schmerz vergessen, das steht der Verstorbene wieder im Mittelpunkt.“ Diese Nähe fehle.

Man glaube vor allem, immer nur Hochbetagte würden versterben, dass sei selbst bei Corona nicht so. „Ich habe hier schwere Verläufe erlebt, bei denen die Patienten zwischen 50 und 70 Jahre alt waren. Man ist gewöhnt, dass jüngere Patienten, die auf der Intensivstation liegen, das Krankenhaus wieder gesund verlassen, das ist heute anders. Und das nimmt auch unsere Mitarbeite in verstärktem Maße mit.“

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