Voerde. Der Voerder Wohnungswald wurde an das Land NRW verkauft. Warum die Steag Grundstücksgesellschaft das historische Forstgebiet abgegeben hat.

Bis ins 20. Jahrhundert wechselte nicht nur Haus Wohnung sondern auch der gleichnamige Wald mehrmals den Besitzer. Nun ist es wieder soweit. Die Steag Grundstücksgesellschaft verkaufte das Waldstück zwischen Dinslaken und Voerde an das Land NRW. Denn der Wohnungswald gehört tatsächlich zu Voerde, das wissen die meisten Dinslakener, die dort täglich ihre Runden drehen, nicht.

Seinen Namen leitet der Wald vom Wasserschloss Haus Wohnung ab, einem alten Rittergeschlecht, das erstmals im Jahre 1327 urkundlich erwähnt wurde. Der frühere NRZ-Redakteur Heinz Ingensiep hat diesem Waldstück im Jahrbuch des Kreises Wesel ein liebevolles Denkmal gesetzt. Nun ist das Kleinod für Wanderer, Erholungssuchende und Jogger verkauft. Doch für die Bürger wird sich nichts ändern. Und Haus Wohnung bleibt vorerst weiterhin im Besitz der Steag Grundstücksgesellschaft. Bereits in der Vergangenheit hatte das Regionalforstamt Niederrhein mit Sitz in Wesel die Bewirtschaftung des Waldes übernommen.

Steag kämpfte für Erhalt des Wohnungswaldes

Das werde auch weiterhin so bleiben, ist aus dem Steag-Haus zu hören. Für das Unternehmen ist der Verkauf des Waldbesitzes nur eine logische Entwicklung. Hatte man doch vor dem Zweiten Weltkrieg jede Menge Landbesitz erworben, um die Industrielandschaft, die damals boomte, voranzutreiben. So hatten bereits 1937 die Thyssenschen Gas- und Wasserwerke Haus Wohnung und die dazugehörigen Ländereien erworben.

Als Thyssen nach dem Zweiten Weltkrieg seine Bergbauaktivitäten einstellte, übernahm 1953 die Bergwerksgesellschaft Walsum AG das Areal – mit der Absicht, unter dem Land zu graben. 1969 kaufte die Steinkohle Aktiengesellschaft (Steag) die Aktien der Bergwerksgesellschaft auf. Nicht ohne Grund. Auf dem zum Besitz gehörenden Gelände am Rhein sollte damals ein Kraftwerk entstehen. Zwar protestierten Umweltschützer gegen die Pläne, gebaut wurde das inzwischen geschlossene Kraftwerk dennoch.

Nach Fertigstellung des Kraftwerks West 1971 setzte sich der damalige Steag-Direktor Dr. Schadeberg vehement für den Erhalt des Waldes ein, erzählt Dr. Thomas Becker von der Steag-Grundstücksgesellschaft. Dabei blieb es jahrelang – bis jetzt. Die Steag aber richtet sich neu aus, Kohlekraftwerke sind nicht mehr gefragt. Dienst- und Ingenieurleistungen beispielsweise stünden heute im Vordergrund. Das Unternehmen wolle sich dezentraler, in kleineren Bereichen aufgliedern, heißt es aus dem Steag-Haus. Der Grundbesitz am Niederrhein soll somit sukzessive verkauft werden. Denn Wald- und Grundbesitz passen nicht mehr so recht ins Profil des Unternehmens.

Wohnungswald jetzt in den richtigen Händen

Mit dem Verkauf ans Land NRW sieht Dr. Thomas Becker allerdings das ökologische Kleinod Wohnungswald in den richtigen Händen. „Wenn ich an den Eisregen und das Wetterchaos in den vergangenen Tagen denke, kann ich nur sagen, man schläft ruhiger, wenn man diese Verantwortung für den Wald nicht mehr trägt.“

Zumal Voerde eigentlich als waldarme Gegend bekannt ist und der Wohnungswald wirklich etwas ganz Besonderes darstellt. Wiesen und Felder, die sich in riesigen Weiten ausdehnen, dazu die am Niederrhein so typischen Kopfweiden – das sind die eigentlichen Markenzeichen der Stadt.

Andere Bestände, wie die im „Aap“ (dort wo sich heute der BSV Möllen tummelt) waren bereits um 1700 vollständig geschlagen worden. Das Holz hatte man entweder verkauft oder als Baumaterial verwendet. So auch auf Haus Wohnung. Zwischen 1695 und 1706, schreibt Heinz Ingensiep im Jahrbuch, seien dort „Hunderte von Bäumen“ gefällt worden. Sehr zum Ärger der preußischen Landesregierung, die den damaligen Herrn auf Haus Wohnung zur Rechenschaft ziehen wollte.

Aufforstung trägt Früchte

Der jedoch konnte nachweisen, dass er das Holz auf eigenem Grund und Boden geschlagen und somit den Wert des Lehen verbessert hatte. Und wie das so ist, der Mensch wird hinterher immer schlauer – begann man rund 100 Jahre später, den Wald wieder aufzuforsten. Allein in den Jahren 1812 und 1813 wurden mehr als 10.000 junge Laub- und Nadelgehölze gepflanzt – Eichen, Rot- und Hainbuchen, Pappeln, Erlen und Tannen. So war es gut um den Wald bestellt, der von 1843 an bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts auf etwa 90 Prozent des heutigen Areals anwuchs.

Alle zehn bis zwölf Jahre wird eine gründliche Waldinventur vorgenommen, der Baumbestand und die Baumarten werden durchforstet, denn jährlich würden laut Becker 1600 bis 1700 Festmeter Holz nachwachsen, die weggeschafft werden müssten. Das Groß der Laubbäume machen heute noch Eichen und Buchen aus. Selbst einiges Rehwild tummelt sich im 220 Hektar großen Waldgebiet, dazu kommen Dachs, Fuchs und eine mannigfaltige Vogelwelt.

Was die sich allerdings über die komischen Zweibeiner denken, die durch den Wald hecheln oder an zwei Stöcken gestützt über die Wege ächzen, bleibt unbeantwortet. Fest steht aber, dass der Wohnungswald mit seinem Wegenetz von den Freizeitaktivisten gerne genutzt wird und ihnen auch in Zukunft zur Verfügung stehen wird.

Wer mehr über die Geschichte des Wohnungswaldes lesen möchte, dem sei das Jahrbuch des Kreises Wesel von 2017 zu empfehlen. Das Buch ist erhältlich im örtlichen Buchhandel oder über den Mercator-Verlag Duisburg. Infos unter www.mercator-verlag.