Dinslaken. Der Hauptausschuss sprach sich mehrheitlich gegen den Kooperationsstandort Barmingholten aus. Bürgerinitiativen feiern ihren Erfolg.

Die Bürgerinitiative "Nein Logistikpark Barmingholten" und "BIGG – Bürgerinitiative gegen Giftmüll‘ waren Dienstagabend in Feierlaune. Gerade hatte der Hauptausschuss stellvertretend für den Stadtrat den weiteren Planungen für einen RVR-Kooperationsstandort, also eine große Gewerbefläche, in Barmingholten einen Riegel vorgeschoben - zehn Jahre, nachdem 2011 mit den Planungen begonnen wurde! "Unser Einsatz hat sich gelohnt", frohlockte Hella Tobias von der BI "Nein Logistikpark Barmingholten".

Das wurde beschlossen

Die Stadtverordneten, die wegen der Pandemie stellvertretend für den Stadtrat abgestimmt haben, haben die Stellungnahme der Stadtverwaltung zu der geplanten 31 Hektar großen Gewerbefläche mehrheitlich abgelehnt. Statt dessen soll die Stadt dem RVR den Antrag der Bürgerinitiative als Stellungnahme einreichen. Dessen wesentliches Merkmal: Die Stadt soll für die voraussichtliche Dauer des Geltungszeitraumes des Regionalplans Ruhr - etwa 30 Jahre - kein Bauleitplanverfahren zur Entwicklung des Kooperationsstandortes in Barmingholten eröffnet wird.

Im Vorfeld hatte es zu dieser Planung meist breite Zustimmung gegeben. Der Beschluss zur Umsetzung des Konzepts wurde 2014 gefasst, bei einer positiven Stellungnahme der Stadt Dinslaken im Frühjahr 2019 gab es nur vier Gegenstimmen. Am Dienstag stimmten außer der CDU und der UBV, die sich bei der Abstimmung zum BI-Antrag enthielt, alle Fraktionen gegen die Umsetzung des Kooperationsstandortes in Barmingholten.

So erklärte die SPD ihren Sinneswandel

Ronny Schneider erklärte den überraschenden Sinneswandel der SPD - sie stellte bis zur Kommunalwahl 2020 den Bürgermeister, begleitete die Planungen stets zustimmend, der Kooperationsstandort war sogar Teil des Wahlprogramms. Und er durfte sich, wie fast alle nachfolgenden Redner - über Szenenapplaus aus dem Foyer freuen. Weil das Tribünenhaus der Trabrennbahn nicht immer verfügbar ist - Universitäten haben es zum Schreiben von Klausuren gebucht - fand die Sitzung im Ratssaal statt. Dort gibt es aufgrund der Pandemiebestimmungen nicht genügend Platz für Besucher - für die deshalb in den Foyers oben und unten Lautsprecher installiert wurden.

Die Fachleute der Bürgerinitiative hätten die bislang dargebrachten Informationen "entzaubert", so Ronny Schneider. "Die Hoffnung, dass es für die Stadt überhaupt zu Gewerbesteuereinnahmen kommt,
erscheint uns höchst zweifelhaft." Im Gegenteil würden der Stadt eher Kosten "für den Bau und die Instandhaltung der Infrastruktur" entstehen. "Die geringe Bilanzsumme des möglichen Investors von nicht mehr als 350.000 Euro macht uns zusätzlich misstrauisch und vorsichtig. Darum will die SPD kein Gewerbe- und Industriegebiet mit zweckgebundener Nutzung." Wie berichtet hatte Thyssen Krupp als Besitzer der Fläche in der vergangenen Woche mit der amerikanischen Firma Hillwood den Investor vorgestellt.

Zweifel am Nutzen für Dinslaken

Dass diese Ansiedlung Arbeitsplätze in der erhofften Anzahl bringe, bezweifelte Gerald Schädlich, Fraktionsvorsitzender der FDP und führte als Beleg andere Standorte des Investors an. Erlöse würden zudem nicht in Dinslaken versteuert.

CDU warb für 18 Hektar-Ansiedlung

Auch Heinz Wansing, Fraktionsvorsitzender der CDU, lobte Engagement und Fachkenntnis der Bürgerinitiative. Ohne sie "hätte eine so intensive Auseinandersetzung über eine mögliche Entwicklung der Flächen nicht stattgefunden". Allerdings dürften die Anliegen der betroffenen Bürger "nicht der einzige Maßstab für unsere Entscheidung sein. Auch die wirtschaftliche Entwicklung in unserer Stadt ist für uns ein Maßstab", so Wansing.

Die CDU fördere die Ansiedlung von Unternehmen weil diese Arbeitsplätze bringen. "Und da sprechen wir hier von voraussichtlich mehr als 1000 Arbeitsplätzen, Menschen und deren Familien", so Wansing. Nur durch die Ausweisung eines Kooperationsstandortes bekomme Dinslaken dringend benötigte zusätzliche Gewerbeflächen. Die CDU sprach sich aber auch gegen einen mehr als 30 Hektar großen Kooperationsstandort aus sondern warb für die von Hillwood avisierten 18 Hektar "unter Beachtung der Auswirkungen auf den Art auf die Umweltbelange wie Klima und Artenschutz sowie einer Aufwertung des angrenzenden Landschaftsraumes." Buhrufe aus dem Foyer waren die Quittung.

Was bedeutet das?

Juristisch ist der RVR nicht an die Stellungnahme der Stadt gebunden, bestätigt Stadtsprecher Marcel Sturm auf Nachfrage der NRZ. "Wenn die Stellungnahme nicht sehr gut begründet wird, ist es sogar ziemlich wahrscheinlich, dass der RVR sich darüber hinwegsetzt und trotzdem einen Kooperationsstandort ausweist", meint SPD-Stadtverbandsvorsitzender Reinhard Wolf. Die verbindliche Aussage, dass dort in den kommenden 30 Jahren keine Bauleitplanung stattfindet, solle eben das verhindern. Eine Freifläche an der Stelle sei "immer noch besser als ein Logistikpark oder stark emittierendes Gewerbe" so Wolf.

Wie geht es weiter?

Die Stadt werde den Beschluss des Hauptausschusses "selbstverständlich respektieren" und dem RVR mitteilen, so Planungsdezernent Dr. Thomas Palotz. Die Stellungnahme der Bürgerinitiative werde in vier Punkten ergänzt: Die klimaökologische Bedeutung der Fläche werde noch einmal kritisch gewürdigt, die Schutzwürdigkeit der Wohnnutzung werde kommentiert, die Erholungsfunktion des Landschaftsschutzgebietes und die verkehrliche Erreichbarkeit würden noch einmal eingearbeitet. Auch werde mitgeteilt, dass der Stadtrat nicht vorhabe, ein Bauleitplanverfahren einzuleiten.

Kritik an der Verwaltung

SPD, CDU, FDP und Linke kritisierten die Informationspolitik der Verwaltung der Bürgerinitiative und den Stadtverordneten gegenüber. "Die auf Einladung der Bürgermeisterin erfolgte Präsentation von Thyssen Krupp hätten wir uns lieber eher und unter Beteiligung aller Betroffenen und Interessierten gewünscht", rügte der CDU-Fraktionsvorsitzende Heinz Wansing. "Weshalb haben Sie nicht auch Vertreter der Bürgerinitiative zu diesem Treffen eingeladen? Im Wahlkampf und auch beim Amtsantritt war Ihnen Transparenz besonders wichtig", fragte Ronny Schneider (SPD) die Bürgermeisterin. Dass die Infoveranstaltung zudem erst kurz vor der Hauptausschusssitzung stattfand, "kommt uns so vor, als ob die Politik auf den letzten Metern weichgekocht werden soll. Diesen Umgang mit uns Stadtverordneten lassen wir uns nicht bieten", so Schneider.

Dass sie die Bürgerinitiative hätte einladen können, räumte Bürgermeisterin Michaela Eislöffel, die im Wahlkampf von CDU und Grünen gestützt wurde, ein. Dass das Gespräch aber so spät stattgefunden habe, sei durch die kurzfristige Einladung von Thyssen Krupp begründet. "Der letzte Bürgermeister war der Bürgermeister Ihrer Fraktion", wandte sie sich an Ronny Schneider. Und der habe "nicht zu Klarheit und Transparenz beigetragen." Das Verfahren laufe seit vielen Jahren. "Mir angesichts dieser Vorgeschichte Intransparenz vorzuwerfen, finde ich unglaublich", so Eislöffel.