Dinslaken. „Nur für dich“ trat der Mülheimer vor 1000 Menschen im Burgtheater auf. Programm bot ernsthaften Jazz und tiefsinnigen Klamauk.

Torsten Sträter seufzte: „Ich würde alles geben, um ihn zu sehen. Er ist ein Titan, der Beste, den wir neben Jochen Malmsheimer haben.“ Maskenpflicht im Burgtheater? „Ich würde mich hier mit einem Eimer über den Kopf hinsetzen.“ Aber Torsten Sträter konnte am Samstag nicht im Burgtheater sein, er trat gemeinsam mit Markus Krebs in Eschweiler auf. Und so verpasste er Helge Schneiders Scherze über Dinslaken. Variationen über das selbe Thema zum Teil, allerdings mit einem feinen Unterschied. Helge Schneider ist schärfer, entlarvender unter dem Deckmantel des gehobenen Blödsinns, ein Merkmal, das am Samstag besonders deutlich hervorstach.

Denn anders als bei seinen vorherigen Auftritten im Burgtheater ließ er vor den 1000 maskierten Zuschauern die Maske des Komödianten mehrfach fallen. Sprach über Corona und nicht nur über die fehlenden Auftritte der Stars („Mick Jagger muss sich jetzt eine Arbeit suchen“), sondern auch der „künftigen Stars“, den jungen Künstlern, deren Existenz und Zukunft tatsächlich gefährdet sind. Setzte sich, nachdem das Publikum nach eineinhalb Stunden „Vertragserfüllung“ vehement eine Zugabe gefordert hatte, an den Flügel, um ernsthaften Jazz zu spielen: ohne Klamauk.

Helge Schneider fehlte die Nähe zum Publikum

Liegt es daran, dass er, der nächste Woche 65 wird, während des Lockdowns schon vom Aufhören sprach, fehlt ihm die Nähe zum Publikum, für die er sich am Samstag beinahe entschuldigte oder machte dem Perfektionisten auch die Kurzfristigkeit zu schaffen, mit der er das Programm unter den besonderen Umständen dieses Jahres auf die Beine stellen musste? Helge Schneiders nuschelnde Unbeschwertheit hat Risse erhalten.

Als Solo-Konzert war „Nur für dich“ angekündigt, nun unterstrich doch Henrik Freischlader den angejazzten Touch des Programms,. Am Schlagzeug saß „Charlie The Flash“, Helges zehnjähriger Sohnemann, und Carlos Boes steuerte zwei Saxophon-Soli bei. An der Orgel Schneider selbst – und dort war er ganz der alte.

„Mama“ schreit er, es folgt die Liebeserklärung an die, die seine Abneigung gegen die Schule verstand und spülte, wenn der Vater beim Kartenspiel in der Kneipe saß. Im noch unverton

Helge Schneider kam in Begleitung.
Helge Schneider kam in Begleitung. © FUNKE Foto Services | Markus Joosten

ten Gedicht über die Brötchen, die der Bäcker backt, drückt sich die Sehnsucht nach Geselligkeit und Nähe aus. „Ich setz mein Herz bei Ebay rein“ zeigt, „wie billig man im Internet an jemanden rankommt – für private Zwecke“ und manchmal wird Helge auch auf seine spezielle Art existenziell: „Ich lebte mein Leben wie Knäckebrot und als ich starb, da war ich tot.“

Und so entlarvt Helge Schneider in seinem neuen Programm „Nur für dich“ – der gleichnamige Titel wird auf Spotify „nur für dich“ für die Massen geteilt – auch gnadenlos die eigene Branche. Prahlt mit prominenten „Freunden“, die er kennt (er habe sie alle im Fernsehen gesehen), treibt die Komplimente an die Städte, in denen er auftritt, so auf die Spitze, dass sie von dort nur abstürzen können. Herrlich ist sein Image-Lied über Dinslaken („das schönste Laken der Welt“) dennoch.

Lieber Rotbach als Rhein, ein Hoch auf die Provinz

„Ich verkauf es an die Stadt“, singt er in einer Zeile, und ja, er könnte damit Erfolg haben, singt er doch, dass er den Namen international bekannt machen möchte und erwähnt die Straßenbahnschienen. Dass er am Abend zuvor ein ähnlich individualisiertes Loblied auf Köln gesungen habe – „das war gelogen“. Lieber Rotbach als Rhein, ein Hoch auf die Provinz: „New York und Paris wollen Großstädte sein, Dinslaken ist es“, sagte er zuvor. „Die City ist so schön und mit zehn Schritten abgeklappert!“

Schneiders Kunst: So lange übertreiben, bis sich der Superlativ selbst entlarvt. „Das ist die kleinste Mundharmonika der Welt. Es gibt noch kleinere.“ Schade nur, dass genderneutrale „LautsprecherInnen“ in der „BurgtheaterIn“ so früh wieder schweigen. Im Viertelstundentakt ließ er sich von der Turmuhr St. Vincentius den Countdown zum Schluss pünktlich nach 90 Minuten herunterzählen. Das Publikum dagegen hätte gerne noch mit Helge bis zehn gezählt.