Voerde/Wesel. SPD übt stadtübergreifend den Schulterschluss bei dem Ansinnen, die alte Schienenstrecke zu reaktivieren, und kündigt Druck auch auf die Bahn an.
Die Bestätigung des Ansinnens, mit einer Reaktivierung der Walsumbahn den Personenverkehr auf der Straße zu reduzieren, gab es kurz vor der Pressekonferenz am Freitagvormittag auf der Hinfahrt aus Richtung Voerde: Nicht lange nach Passieren des Wesel-Datteln-Kanals ging es auf der B8 plötzlich in den Stau. Grund ist die Baustelle zur Südumgehung in Wesel.
Mit der Wiederbelebung der Walsumbahn biete sich eine weitere Chance, den Verkehr zu entlasten, sagte Voerdes SPD-Fraktionschef Uwe Goemann im Lippeschlößchen in Wesel, wo Sozialdemokraten aus beiden Städten und dem Kreis sowie SPD-Landratskandidat Dr. Peter Paic und die Bürgermeister der Kommunen gegenüber der Presse bei dem Anliegen den Schulterschluss demonstrierten.
Botschaft: Keine Sackgassensituation
Damit verbunden ist die klare Forderung, die Schienenstrecke unbedingt bis Wesel zu führen. Die Botschaft: Die SPD will keine Sackgassensituation, wie Gerd Drüten, der Chef der Kreistagsfraktion, betonte. Nach 75 Jahren der Unterbrechung – 1945 wurde die Brücke über den Wesel-Datteln-Kanal von deutschen Pionieren gesprengt, womit nach dem Zweiten Weltkrieg die Personenzüge in Spellen endeten – müssten alle Hebel in Bewegung gesetzt werden, um die durchgehende Verbindung in die Kreisstadt wiederherzustellen.
An der Finanzierung der angekündigten Machbarkeitsstudie beteiligt sich zu 50 Prozent der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR), den Rest stemmen die Städte Oberhausen, Duisburg und im Kreis Wesel als Anlieger Wesel, Voerde und Dinslaken. Die Vereinbarung dazu soll übernächste Woche unterzeichnet werden. Die Willenserklärung zur Realisierung der Reaktivierung hatten die Beteiligten im Januar dieses Jahres unterschrieben.
250.000 Euro stehen für die Studie zur Verfügung. Die große Fragestellung sei, was die Wiederbelegung der Bahnstrecke von Oberhausen durch den Duisburger Norden nach Spellen und eben weiter nach Wesel kosten wird und welche technischen Voraussetzungen zu erfüllen sind, erläuterte Wesels Bürgermeisterin Ulrike Westkamp, die der Überzeugung „Wo ein Wille, da ein Weg“ ist – und die von einem deutlichen Gewinn für die Berufspendler spricht.
Die Schienen lägen intakt bis Emmelsum und würden für Güterzüge genutzt. Es fehlten, so Ludger Hovest, lediglich ein paar hundert Meter bis Wesel, um in die Hauptstrecke einzufädeln. Den Anschluss und die Kanalbrücke herzustellen, ist nach Ansicht des Weseler SPD-Fraktionsvorsitzenden „technisch durchaus lösbar“.
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Bürgermeister Dirk Haarmann artikulierte den Wunsch aus der Voerder Politik, die Bahnstrecke für den Personenverkehr nicht nur nach Wesel zu führen, sondern auch nach Friedrichsfeld abzweigen zu lassen. Zudem verwies er auf die angestrebte Entwicklung auf dem ehemaligen Kraftwerksgelände in Möllen, auf dem die Schienenstrecke verläuft.
Bekanntlich möchte die Stadt auf dem Areal neben Gewerbe anteilig auch Wohnen realisieren. Mit der Anbindung an das Schienennetz werde das Vorhaben noch attraktiver. Menschen, die in Möllen leben und zur Arbeitsstelle pendeln, könnten „direkt vor der Haustür einsteigen“ und Einpendler mit dem Zug anreisen.
Pro-Bahn-Vertreter: In fünf Jahren könnte erster Personenzug auf der Schiene stehen
„Das bietet eine deutliche Entlastungsmöglichkeit für die Straße“, betonte Haarmann, der eine Einschätzung von Lothar Ebbers, Vertreter des Fahrgastverbandes Pro Bahn, zur Nachnutzung des brach liegenden Industrieareals mit anteiliger Wohnbebauung und Nähe zum Rhein gerne gehört haben dürfte: Das Gelände wäre eine der „Top-Lagen im nördlichen Ruhrgebiet“, die Anbindung an den Schienenpersonennahverkehr eröffne Bereichen am Ballungsrand Vorteile.
Die Bahnstrecke vom Süden her bis Möllen sei gut ausgebaut und überwiegend in Dammlage trassiert. Auf dem Abschnitt gehe es bei der Wiederbelebung um die barrierefreie Anlage der Bahnhöfe und um die Schaffung des Lärmschutzes. Weiter nördlich sei der Ausbau weniger gut, dort sei mehr zu tun. In Wesel gelte es, die Planung in Wesel mit dem Ausbau der Betuwe-Strecke abzugleichen. Aus Ebbers’ Sicht könnte auf dem südlichen Streckenabschnitt bis Möllen in fünf Jahren der erste Personenzug auf der Schiene stehen, wenn alles gut läuft.
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Bei der Finanzierung sehen die SPD-Vertreter keine unüberwindbaren Schwierigkeiten und verweisen auf die Änderung des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes, mit der seitens des Bundes die Rahmenbedingungen für Reaktivierungsprojekte im Personenverkehr erheblich verbessert worden seien.
Dies betreffe sowohl die Höhe der bereitgestellten Mittel als auch die Förderbedingungen. „Es ist Geld da“, konstatierte Ludger Hovest, der die Notwendigkeit betonte, Druck aufzubauen – gegenüber der Bahn, den Verkehrsministerien von Bund und Land, den Bundes- und Landtagsabgeordneten.
Ulrike Westkamp verwies auf den Zusammenschluss der Kommunen an der Strecke, deren Teilnahme an der Machbarkeitsstudie und die damit signalisierte Einigkeit, die bei Verhandlungen etwas ausmache. Ihr Voerder Amtskollege erinnerte an das kollektive Handeln der Anrainer-Kommunen bei dem Bahn-Projekt Betuwe-Ausbau. „Da haben wir gesehen, dass wir gemeinsam etwas erreichen können“, sagte Dirk Haarmann.