Dinslaken. Wie wirkt sich Corona auf Dinslaken aus? Das fragte Thomas Kutschaty (SPD) Bürgermeister und Händler. Einschätzung des Einzelhandelsverbands.
Der Neutorplatz ist belebt. Viele Menschen genießen an Bistrotischen die Sonne, süßer Duft zieht die Kunden zum Churros- und Crêpeswagen. Dinslaken präsentiert sich bei Thomas Kutschatys Besuch von seiner schönsten Seite. Der Fraktionsvorsitzende der SPD im Landtag möchte sich über die Auswirkungen der Coronakrise auf die Innenstädte und nötige Hilfsangebote seitens des Landes informieren. Dinslaken ist die erste von 35 Städten auf seiner Tour.
Heidinger: Keine weiteren Schließungen bekannt
Der schöne Schein trügt – auch in Dinslaken sei die Lage durch Corona dramatisch, betont Bürgermeister Michael Heidinger (SPD) – wenn auch vielleicht nicht so dramatisch wie anderswo. Mit ten Have musste ein Geschäft wegen der Coronakrise schließen, von weiteren drohenden Schließungen sei ihm aber nichts bekannt, so Heidinger.
Zwei Gastrobetriebe in schwierigem Fahrwasser
„Wir haben Glück, dass das Wetter mitspielt“, sagt Axel Wolff, Inhaber des Fotogeschäfts, Mitinhaber der Kultkneipe Maaß und stellvertretender Vorsitzender der Werbegemeinschaft. Zumindest die Gastrobetriebe, die über Außentische verfügen, könnten sich so aktuell über Wasser halten, auch wenn alle Veranstaltungen ausfallen müssen. Die Leute „wollen wieder draußen beisammen sitzen“, sagt er und Ronny Langenberg, Sprecher der Dinslakener Schausteller, nickt dazu. Ihm gehört der Churros-Stand, der derzeit auf dem Neutorplatz stehen darf und der ihm zumindest das Überleben sichere. Nur Innenbewirtschaftung – das wäre eine „Katastrophe“, so Wolff. Er weiß von zwei Gastronomiebetrieben, die Probleme hätten. Der Einzelhandel habe Verluste zwischen zehn und 20 Prozent.
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Jürgen Lange-Flemming, Vorsitzende der Werbegemeinschaft und Inhaber eines Reisebüros, quält die Ungewissheit. Von 22 Mitarbeitern musste er fünf entlassen, 13 seien in Kurzarbeit. Sein Büro ist auf Kreuzfahrten spezialisiert. Die Arbeit, die derzeit bleibe, sei die Stornierungen zu bearbeiten – ein Verlustgeschäft. „Wenn man wüsste, wann es weiter geht“, sagt er auch mit Blick auf bereits ausgefallene und anstehende verkaufsoffene Sonntage, die für Frequenz in der Innenstadt sorgen.
Von der Situation nicht täuschen lassen
Die SPD hätte den Kommunen gerne weitere Hilfen angedeihen lassen, um die Innenstädte durch die Krise zu manövrieren, betont SPD-Landtagsabgeordneter Stefan Zimkeit, sie konnte sich damit aber nicht im Landtag durchsetzen. Andere Städte drohen „umzukippen“ weiß er. In Dinslaken sei der Leerstand verglichen mit anderen Kommunen übersichtlich, so Zimkeit. Für das Ladenlokal von ten Have in der Neutor-Galerie konnte trotz der Krise schnell ein Nachfolger gefunden werden, betont der Bürgermeister. Er ist stolz, innerhalb von zehn Jahren die Kaufkraft zu fast 100 Prozent an Dinslaken gebunden zu haben und hofft, dass die Stadt glimpflich durch die Krise kommt. Aber man dürfe sich nicht von der Situation täuschen lassen, so Wolff. „Bis zum Jahresende kann noch viel passieren.“
So schätzt der Einzelhandelsverband Niederrhein die Lage ein
Vor drei Monaten durften die ersten Geschäfte nach der Corona-Schließung wieder öffnen. Dennoch „sind wir noch weit, weit weg vom Normalzustand“, so ist die Einschätzung von Wilhelm Bommann, Geschäftsführer des Handelsverbandes Niederrhein, auf Nachfrage der NRZ. Nach acht Jahren guter Konjunktur sei durch Corona das Konsumklima „im Keller“.
Warten auf einen „Stimmungsaufheller“
Handel und Gastronomie würden weiterhin auf einen „Stimmungsaufheller“ warten, so Bommann. Die Prognosen seien allerdings „nicht berauschend“. Die Mehrwertsteuersenkung im Rahmen des Konjunkturpakets wirke sich nur in einigen Bereichen aus: Zwar werde sie im Supermarkt von der Rechnung abgezogen – „aber dadurch wird nicht mehr konsumiert“, so Bommann. Auch bei größeren Konsumgütern – wie Möbeln - sei zwar ein „leichtes Anziehen festzustellen – aber immer noch unter Normalniveau“.
Auch in naher Zukunft werde sich dabei nicht viel ändern, fürchtet Bommann. Die Verbraucher hätten aufgrund von Kurzarbeit und Zukunftsangst „nicht das Geld in der Tasche“. Die Auswirkungen von Corona auf die Innenstädte seien bereits sichtbar, Karstadt/Kaufhof, Bonita, Esprit, Mensing oder Gerry Weber würden Standorte schließen. Am Jahresende, so Bommann, würden weitere Händler Bilanz ziehen – und schauen, ob sie weitermachen können. „Wir müssen überlegen, ob wir künftig die Einzelhandelsflächen, die wir hatten, noch benötigen werden“, sagt Bommann.
Wohnraum statt Handelsflächen?
In ohnehin schon schwierig zu vermarktenden B- und C-Lagen müsse man über eine Umwandlung etwa in Wohnraum nachdenken, regt Wilhelm Bommann, Geschäftsführer des Niederrheinischen Handelsverbandes an. Ortsteile wie Lohberg oder Hiesfeld nimmt er aus – rund um Nahversorgungsstandorte könnten auch Apotheken, Drogerien, Blumenhandel existieren. „Vielleicht geht Corona daran vorbei, weil die Ortsteile ohnehin schon eine abgeschwächtere Funktion zu den Stadtteilzentren hatten.“ Die NRW-Soforthilfe sei „sehr wichtig“ und gut gewesen – auch, wenn sie sich gerade „zum Bumerang“ entwickele. Es dürfe nur keinen zweiten Lockdown geben. „Das wäre das Schlimmste, was passieren könnte.“
Im Onlinebereich habe Corona die Entwicklung verstärkt. Dass der Handel sich dort besser aufstellen müsste, ist eine alte Forderung des Verbandes. Im Mai sollte deswegen das Digimobil des Kompetenzzentrums Handel in Dinslaken Station machen. Auch das sei wegen Corona vertagt – auf ungewisse Zeit